Dieselgate: Luxemburg erwägt Klage gegen Audi

Wegen Einsetzen einer Abschalteinrichtung könnte die Luxemburger Regierung eine Klage gegen Audi beim Staatsanwalt einreichen. Der zuständige Minister Bausch sieht keine Schuld bei der nationalen Behörde (SNCH), die umstrittene Typen des Herstellers zugelassen hatte.

Nachhaltigkeits- und Transportminister François Bausch ließ die Luxemburger Zulassungsbehörde SNCH in einem externen Audit überprüfen. (Copyright: © eu2015lu.eu / Julien Warnand)

Die Ergebnisse des Audits über die Luxemburger Zulassungsbehörde SNCH, das der Transportminister kurz nach Beginn des VW-Skandals im Herbst 2015 in Auftrag gegeben hat, lassen auf sich warten. Schon mehrmals verschob François Bausch die Präsentation, nun soll es in zwei Wochen so weit sein.

Dem will der Minister nicht vorgreifen. „Ich kann jedoch sagen, dass nichts herauskam, was auf eine Verwicklung der SNCH in den Dieselgate schließen lässt“, so Bausch gegenüber der woxx.

Zusätzlich zum Audit habe sein Ministerium zwischenzeitlich der deutschen Zulassungsbehörde, der KBA, einen Besuch abgestattet und sich wissenschaftliche Hilfeleistung bei der Uni Luxemburg geholt. Unter anderem geht es darum, zu prüfen, ob sich der Automobilhersteller Audi an die bestehenden EU-Gesetze gehalten hat. Audi hatte die Zulassungen der Abgassysteme seiner A1 und A3 Modelle in Luxemburg beantragt und steht unter dem Verdacht, verbotene Abschalteinrichtungen eingebaut zu haben. „Wir ziehen eine Klage bei der Staatsanwaltschaft in Erwägung“, so Bausch. Die Möglichkeit werde gerade von Experten geprüft. Auch deshalb habe sich die Bekanntgabe der Untersuchungsergebnisse verzögert.

Audi seinerseits baut weiter auf die Luxemburger SNCH. „Für uns gibt es keinerlei Bestreben, zu einer anderen Behörde zu wechseln“, sagte ein Vertreter des Ingolstädter Automobilkonzerns am Dienstag während einer Anhörung im Europaparlament. Wieso man ausgerechnet Luxemburg für die Typenzulassung ausgewählt habe, wollte zuvor der deutsche EU-Abgeordnete Sven Schulze (CDU) wissen. Für Gesamt-Typen-Zulassungen wende man sich an die deutsche KBA, für Emissionszulassungen an die Luxemburger SNCH, so die Antwort. Die Zusammenarbeit mit der SNCH sei „historisch gewachsen“, man schätze die Kompetenz, die geographische Lage sowie die Sprachenkenntnissen der Luxemburger Behörde.

Dies sind exakt die Punkte, die auch SNCH-Direktor Claude Liesch aufzählt, wenn er mit dem Vorwurf konfrontiert wird, Luxemburg sei ein beliebtes Ziel im von Automobilherstellern rege betriebenen Zulassungstourismus (woxx vom 17.06.2016). Liesch hatte den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses zum Abgasskandal des Europaparlaments im Oktober erklärt, seine Behörde leiste im Vergleich zu anderen nichts Außergewöhnliches. Auf die rund 9.000 jährlichen Typenzulassungen angesprochen, die in Luxemburg von acht bis zehn Ingenieuren abgewickelt werden, sagte Liesch, der Bearbeitungsschlüssel der SNCH entspreche etwa dem der deutschen KBA.

Ein Blick in den Jahresbericht dieser Behörde zeigt jedoch ein anderes Verhältnis. Pro Arbeitstag bewältigen dort die 60 Mitarbeiter rund 80 Zulassungen, die zehn Luxemburger Ingenieure schaffen immerhin 35 am Tag.

Der Untersuchungsausschuss ist indessen dabei, die Schlussfolgerungen der zahlreichen Anhörungen der vergangenen anderthalb Jahre zu diskutieren. Ende Februar soll im Ausschuss über den Abschlussbericht abgestimmt werden.

Sowohl die Europäische Kommission als auch die Mitgliedstaaten schneiden im Entwurf nicht gut ab. Am Dienstagmorgen vor der Audi-Anhörung hatten die Grünen ihrem Ärger bei einem Pressefrühstück Luft gemacht und einige Dokumente in der Luft geschwenkt, die ihnen erst nach Ablauf der Frist für Änderungsanträge zur Verfügung gestellt worden waren.

Etwa ein Papier vom 18. November 2015, das die legalen Konsequenzen von Abschalteinrichtungen prüft. „Offensichtlich vergaß die Kommission, es weiterzugeben“, erklärte der grüne Europa-Abgeordnete Bas Eickhout. Verzögerungen in der Zustellung angefragter Dokumente stellten eine „größere Hürde für die Arbeit im Ausschuss dar“, heißt es im vorläufigen Bericht. „Mitgliedstaaten verstießen gegen ihre gesetzliche Verpflichtung, das Verbot von Abschalteinrichtungen zu überwachen und umzusetzen“, so der Vorwurf gegenüber den nationalen Behörden.

Doch das lässt François Bausch nicht gelten. Die SNCH habe auf Basis der bestehenden Gesetzgebung gehandelt, so der Minister. Ähnlich argumentieren die Automobilhersteller.

Regierung für europäische Kontrolle

Für den grünen Europa-Abgeordneten Claude Turmes nutzen sowohl Industrie als auch die nationalen Regierungen bestehende Löcher im geltenden EU-Recht. Die Frage, ob ein grüner Abgeordneter schärfer mit der eigenen Regierung ins Gericht gehen würde, wenn der Minister nicht dieselbe Parteikarte besäße, beantwortet Turmes nicht direkt.

(Foto: Wikimedia/Kickaffe – Mario von Berg)

„Es ist gut, dass die Regierung hier das Potenzial eines zweiten Luxleaks-Skandals und ihr Interesse, die Sache selbst aufzuklären, erkannt hat“, sagt Turmes. Wie die Fraktion der Grünen im Europarlament verlangt er die Schaffung einer europäischen Marktüberwachungsstelle. Bislang ist dies keine Forderung, die im Bericht des Parlaments festgehalten ist. Ein entsprechender Änderungsantrag sei eingereicht worden und habe durchaus Aussichten auf Erfolg, sagt Turmes.

„Ich bin für eine europäische Kontrollinstitution“, erklärt der Transportminister. „Dasselbe gilt für die Regierung“, fügt François Bausch hinzu. Allerdings müssten nationale Zulassungsbehörden bestehen bleiben. Doch hier gibt es wohl noch Diskussionsbedarf. SNCH-Direktor Claude Liesch hatte die Schaffung einer solchen Kontroll-Behörde während der Anhörung im Parlament als „industriefeindlich“ bezeichnet.

-> Alle Beiträge zum Autofestival 2017

 

KORREKTUR: „Tanktourismus“ durch „Zulassungstourismus“ ersetzt. Danke dem Leser, der uns darauf hingewiesen hat.

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