Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Gute EU, böse Welt

Europa, zerrissen wie einst das Römische Reich? (Wikimedia / MapMaster / CC BY-SA 2.5)

Wie Europa eine größere Rolle in der Weltpolitik spielen könnte, das erläuterte die EU-Expertin Nathalie Tocci bei ihrem Besuch in Luxemburg.

Ist die EU-Außenpolitik nur etwas für die Eliten? Nein, versuchte Nathalie Tocci am 3. Februar in der Maison de l’Europe zu beschwichtigen. Die Beraterin der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini, eingeladen im Rahmen des Bürgerdialogs, zitierte die Aussage des Bürgermeisters einer Großstadt: „Ich kann lokale Probleme nicht lokal lösen, denn eigentlich gibt es keinen klaren Unterschied zwischen lokal und global.“

Es gebe viele Gründe für Europas Bürger, besorgt zu sein, so Tocci: In Tallinn habe man Angst vor Russland, in Paris vor dem Terrorismus, und überall wünsche man sich Wohlstand statt Prekarität. „Viele Arbeitsplätze sind abhängig von der internationalen Situation, deshalb können wir keinen Wohlstand haben, ohne uns um den Rest der Welt zu kümmern“. Das aber könne kein europäisches Land im Alleingang leisten. Die EU-Außenpolitik solle wie ein Orchester werden, in dem jeder Mitgliedsstaat sein eigenes Instrument spielt, dabei aber einer gemeinsamen Partitur folgt.

Tocci trat für eine positive Rolle der EU in einer gefahrvoll gewordenen Welt ein. Demokratie und Grundrechte müssten auch nach außen vertreten werden; unterbleibe das, nähmen sie auch im Inneren Schaden, wie man in Ungarn sehen könne. Die „Nachbarschaftspolitik“ – die Politik der EU gegenüber Osteuropa, dem Kaukasus und den Mittelmeerländern – solle über eventuelle Beitrittsverhandlungen hinaus eine außenpolitische Herangehensweise umfassen. Viele Länder, so die Beraterin, seien „nicht an einem Beitritt interessiert“. Ihnen gegenüber müsse man zwar am internationalen Recht und den Menschenrechten festhalten, doch darüber hinaus solle man nicht zu „eurozentrisch“ sein und auch „andere Wege“ zulassen. Tocci sprach, frei nach Gramsci, vom Umbruch der internationalen Ordnung, der „eine Zeit der Monster“ hervorbringe. Um die internationalen Institutionen zu bewahren, müsse Europa einen Teil seiner Rechte mit neuen Akteuren teilen.

EU-Armee keine Lösung

Europa zu einer militärischen Großmacht zu machen, scheint nicht Toccis Programm zu sein: Sie könne sich keine Krise vorstellen, die sich rein militärisch lösen lasse, so die Beraterin. Es gehe auch nicht darum, eine europäische Armee zu schaffen. „Wir haben ja schon 28 davon – aber unsere Bonsai-Armeen sollten besser zusammenarbeiten.“ Tocci erteilte auch denen eine Absage, die hoffen, durch die Aufwertung der EU-Außenpolitik die Krise der Union zu lösen. Man müsse in den nächsten paar Jahren an erster Stelle Antworten auf die Wirtschafts- und die Flüchtlingskrise finden, sonst gebe es irgendwann keine EU mehr.

Nathalie Tocci war zuständig für die Ausarbeitung der im Juni 2016 veröffentlichten „Globalen EU-Strategie“, die soft power und Zusammenhalt statt Großmachtstreben in den Vordergrund gestellt hatte. Doch wie die Strategie wiesen auch ihre Ausführungen blinde Flecken auf, die nichts Gutes verheißen. So wird zwar unterstrichen, dass eine gemeinsame EU-Außenpolitik effizienter sei, unklar bleibt aber, ob diese Politik in erster Linie der Wahrung von Frieden und Stabilität oder von konkreten Eigeninteressen dienen soll. In Zeiten, in denen die internationale Rechtsordnung in Frage gestellt wird, könnte entscheidend sein, ob eine erstarkte EU sich für die friedliche Zusammenarbeit einsetzt oder nur versucht, ihre Schäfchen ins Trockne zu bringen.


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