Geoengineering beim Klimaschutz
: Plan B mit Nebenwirkungen

CO2 – an diesem chemischen Kürzel entbrennt die Frage, wie wir dem menschengemachten Klimawandel begegnen könnten. – Und wenn wir das Treibhausgas Kohlendioxid einfach aus der Luft herausholen würden?

Wohin mit dem CO2? 
Die Pilotanlage im Kraftwerk Schwarze Pumpe wurde 2014 außer Betrieb genommen. (Foto: Wikimedia / SPBer / CC BY-SA 3.0)

Im Weltall riesige Spiegel installieren, die die Solarstrahlung reflektieren. Kohlendioxid aus der Atmosphäre herausfiltern und anschließend im Erdreich speichern. Künstliche Aerosole in die Atmosphäre einbringen, die die Sonneneinstrahlung schwächen. Es gibt eine Reihe von technischen Ansätzen, die darauf abzielen, die globale Erwärmung zu bremsen. Entweder durch Beeinflussung der Solarstrahlung (Solar Radiation Management, SRM) oder durch Abscheidung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR). Zusammengefasst werden solche Techniken unter dem Begriff Geoengineering oder Climate Engineering. Alle sind mehr oder weniger umstritten (siehe „Temperatur nach Wunsch“, woxx 1121). Und zwar weil unklar ist, ob sie sich realisieren lassen, und weil es prinzipiell klüger wäre, Klimagas-Emissionen zu vermeiden, statt CO2 erst in die Atmosphäre zu entlassen und dann komplizierte Verfahren zu ersinnen, mit denen es wieder entfernt werden könnte.

Stefan Schäfer vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam geht der Frage nach, ob Geoengineering wirklich einen sinnvollen klimaschutzpolitischen Beitrag leisten kann. „Ich glaube, dass einige Geoengineering als Ausrede benutzen werden, um echte Bemühungen zur Emissionsminderung zu blockieren“, sagt Schäfer. Wichtiger ist ihm aber etwas ganz anderes, das mit dem vielzitierten 2-Grad-Ziel zusammenhängt. 2 Grad Celsius markiert diejenige maximale Temperaturerhöhung gegenüber dem vorindustriellen Stand, die allgemein als gerade noch vertretbar angesehen wird. Jenseits dieser 2 Grad drohen dem Klimasystem sogenannte Kipp-Effekte. Die Folgen der Erwärmung wären dann nicht mehr beherrschbar und ließen sich nicht mehr umkehren.

Geheimer Rechentrick

„Die wissenschaftlichen Berechnungen, die aufzeigen, wie das 2-Grad-Ziel eingehalten werden kann, beinhalten zunehmend auch die massive Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre“, stellt Schäfer fest. Aus Sicht des Internationalen Klimarats (IPCC) ist die Reduzierung von Klimagasemissionen, etwa durch den schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien, nicht mehr ausreichend. Um die Erwärmung unter 2 Grad zu halten, muss zusätzlich CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Schäfer: „Geoengineering ist damit bereits Teil derjenigen Berechnungen geworden, die die Machbarkeit ambitionierter klimapolitischer Ziele belegen wollen. Nur ist das den meisten Menschen, selbst den klimapolitisch Interessierten, gar nicht bewusst“. Schäfer hält es für problematisch, dass kaum jemand außerhalb der Fachwelt weiß, worauf ein klimapolitisches Ziel eigentlich basiert. Die Diskussion um die CO2-Entnahme und darüber, ob die Verwirklichung der ins Auge gefassten Maßnahmen auch wünschenswert ist, bleibt somit auf einen sehr kleinen Personenkreis beschränkt.

Die Entnahme von CO2, die zu den sogenannten Negativemissionen führt, funktioniert auf mehrere Arten. Einige Klimaökonomen favorisieren die BECCS-Methode. Das Kürzel steht für Bioenergy with Carbon Capture and Storage, einer Kombination aus Bioenergiegewinnung und Abscheidung und anschließender Speicherung des im Verbrennungsprozess freiwerdenden Kohlendioxids. „So hofft man, gleichzeitig mit der CO2-Entfernung auch noch Energie erzeugen zu können“, erklärt Schäfer. Aber BECCS hat sehr große Nachteile. Zum einen hat das Verfahren einen hohen Flächenbedarf. Es benötigte, um überhaupt eine spürbare Wirkung zu erzielen, Hunderte Millionen Hektar Boden für Energiepflanzen, die allein der Erzeugung von Bioenergie dienen. Existierende Anbauflächen könnten dadurch, laut Schäfer, der Nahrungsmittelproduktion entzogen werden. Zudem bedeutet BECCS Monokultur. Der Anbau der Energiepflanzen würde also auch der biologischen Vielfalt schaden.

Scharze Bio-Magie

Im Prinzip ist BECCS nichts anderes als Bio-CSS. CCS, Carbon Capture and Storage, bezieht sich auf Filteranlagen für Kohlekraftwerke. Hier wird das CO2 direkt an den Schornsteinen gefiltert und dann unterirdisch gespeichert. In der Theorie zumindest. In der Praxis kommt die Technologie nicht voran. Im Jahr 2014 beschloss zum Beispiel der Energiekonzern Vattenfall, eine Pilotanlage im Kohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ (Brandenburg) stillzulegen.

Während CCS und BECCS direkt bei der Emissionsquelle zum Einsatz kommen, wird das CO2 bei Direct Air Capture (DAC) der normalen Umgebungsluft entnommen. Man braucht kein Kraftwerk, sondern kann die Anlagen im Prinzip überall aufstellen. Das aus der Luft gesogene CO2 wird dann gespeichert oder weiterverwendet. Die Technik ist auch schon im Einsatz (siehe Kasten). Schäfer schätzt DAC so ein: „Der Energieaufwand ist sehr groß und das Filtern von CO2 aus der Umgebungsluft damit sehr teuer. Zugleich existiert noch kein Markt für das Entfernen von CO2, der müsste erst politisch geschaffen werden. Vorher ist das Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre in größerem Maßstab wirtschaftlich nicht rentabel.“

Ein grundsätzliches Problem gibt es bei all den Überlegungen zum CO2-Capturing, so Schäfer weiter. Will man den globalen Klimawandel und seine Auswirkungen tatsächlich mindern, dann ist der Umfang, in dem der Atmosphäre CO2 entzogen werden müsste, gigantisch. Das sieht man an den Berechnungen des IPCC. Dessen klimaökonomische Modellrechnungen laufen darauf hinaus, „dass bis zum Jahr 2100 insgesamt 500 bis 800 Gigatonnen an Negativemissionen geschaffen werden müssten, um die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius oder gar 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.“ Das beliefe sich auf etwa das Zwanzigfache der derzeitigen jährlichen CO2-Emissionen. Schäfer glaubt nicht, dass diese Mengen so bald erreichbar sind. „Natürlich kann man in kleinem Maßstab CO2 entfernen. Als Beitrag zum Klimaschutz mag das auch sinnvoll sein. Aber die Mengen, die aktuell diskutiert werden, wenn es um die Einhaltung des 2-Grad-Ziels geht, halte ich für unrealistisch.“

500 Gigatonnen Rauch

In diesem Jahr steht ein Sonderbericht des IPCC zur Erreichung der 1,5 Grad an. Diese 1,5 Grad sind im Pariser Klimavertrag als Ziel angegeben: Die Erwärmung solle auf „deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad“ begrenzt werden. Schäfer geht davon aus, dass in dem Bericht auch SRM diskutiert wird. SRM, die zweite Geoengineering-Kategorie, steht für Solar Radiation Management und meint Techniken zur Reduzierung von Sonneneinstrahlung. Dazu gehört das Ausstreuen kleiner Partikelchen, so genannter Aerosole, in großer Höhe. Die Aerosole sollen einen Teil der Sonneneinstrahlung stoppen und so für eine künstliche Abkühlung sorgen. Kritiker warnen jedoch: Solche Manipulationen am Klimasystem hätten unabsehbare Folgen.

Auch Andreas Oschlies vom Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist skeptisch. Er weist darauf hin, dass die Aerosole nur eine Lebenszeit von sehr wenigen Jahren haben, während Treibhausgase wie Kohlendioxid Jahrhunderte bis Jahrtausende in der Atmosphäre bleiben. Oschlies sieht daher die Gefahr einer Temperaturschuld. „Der künstliche Sonnenschutzschild hoch oben in der Atmosphäre lässt sich nur durch ständiges Nachliefern der kurzlebigen Aerosole aufrecht erhalten. Ohne diesen Schutzschild würde es Hunderte Jahre dauern, bis es spürbar abkühlt. Für die Aufrechterhaltung des solaren Geoengineerings über einen so langen Zeitraum gibt es aber keine Garantie.“ Stoppt die Zugabe von Aerosolen aus irgendeinem Grund, würden die Durchschnittstemperaturen schnell und „in alarmierendem Maße“ ansteigen. Das wäre für viele Ökosysteme noch schlimmer als die aktuelle graduelle Erwärmung. Daher muss die Temperaturschuld laut Oschlies in alle Bewertungen der SRM-Aerosol-Technologie einbezogen werden.

Schon in seinem 5. Sachstandsbericht aus dem Jahr 2013/14 war der IPCC auf SRM eingegangen. Man dürfe es als Option nicht aus den Augen lassen. Mal sehen, welche Rolle das Gremium, an dessen Einschätzungen sich viele Politiker und Entscheidungsträger orientieren, dem höchst umstrittenen SRM-Ansatz diesmal einräumt.


DAC im Einsatz

Das Zürcher Unternehmen Climeworks ist auf Direct Air Capture spezialisiert. Hoch im Norden, am isländischen Geothermie-Kraftwerk Hellisheidi, steht seit Oktober 2017 eine Filteranlage, die CO2 auf ganz neue Weise aus dem Verkehr zieht. Das geht so: Umgebungsluft strömt in einen Kollektor, an dessen Filteroberfläche sich Kohlendioxid sammelt. Der Filter wird mit der Restwärme des Kraftwerks auf 100 Grad Celsius erhitzt – dadurch entsteht Kohlendioxid als reines Gas. Das Gas wird mit Wasser gebunden und sodann 700 Meter tief in den Untergrund gepumpt. Dort, im porösen Basaltgestein, erfolgt die „Versteinerung“: Das CO2 verwandelt sich nach einiger Zeit in Carbonat und ist so dauerhaft der Atmosphäre entzogen. 
Als nächstes plant Climeworks die Skalierung am Standort Hellisheidi. Dann könnte sich auch der CO2-Ertrag vergrößern. Jeder der Kollektoren entzieht der Atmosphäre etwa 50 Tonnen CO2 pro Jahr. Das sind rund 165 Kilogramm pro Tag. Das Unternehmen Climeworks sieht weltweit ein sehr großes Potenzial für die Kombination DAC/Versteinerung. Denn die Technik ist prinzipiell überall da einsetzbar, wo es ähnliche Gesteinsformationen wie in Hellisheidi gibt. Die Heimat von Climeworks, die Schweiz, erfüllt diese Bedingung nicht, da sie nicht über nennenswerte Basaltvorkommen verfügt. 
CO2 wird dort trotzdem eingefangen. Im Sommer 2017 ging in der Kehrricht-Verwertungsanlage Hinwil die allererste kommerzielle Anlage in Betrieb. Technisch gesehen handelt es sich um denselben Prozess wie in Island. Nur dass in Hinwil gleich 18 Kollektoren arbeiten und knapp 2500 Kilogramm Treibhausgas am Tag aus der Atmosphäre holen, das dann als Dünger Verwendung findet: Über Rohre gelangt es in ein 400 Meter entferntes Gewächshaus, um dort das Wachstum von Feldsalat, Radieschen, Gurken und Auberginen zu verstärken.


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