Handel mit dem Iran
: Kein Zimmer frei in Teheran

Die Sanktionen gegen den Iran sind weitgehend aufgehoben – und der Run auf einen trockengelegten Markt ist in vollem Gang. Auch Luxemburg will auf den vorderen Plätzen landen, denn die religiöse Diktatur ist vor allem für den hiesigen Finanzmarkt attraktiv. Doch nicht nur die Menschenrechte drohen auf der Strecke zu bleiben.

Über alles reden: Parlamentspräsident Mars Di Bartolomeo mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani im Januar 2016 in Teheran. (Foto: Chambre des députés)

Über alles reden: Parlamentspräsident Mars Di Bartolomeo mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani im Januar 2016 in Teheran. (Foto: Chambre des députés)

„Bonanza im Iran“, betitelte das deutsche Nachrichtenmagazin „Focus“ zum Jahresanfang seine Geschichte über die enormen Profite, die nach dem Ende der Sanktionen gegen das Land die Anleger locken. Das Blatt hat nicht übertrieben: Nachdem die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) dem Iran bescheinigt hat, sämtliche Verpflichtungen aus dem im Juli 2015 geschlossenen Atomabkommen einzuhalten, geben sich die Handelsdelegationen dort „die Klinke in die Hand“.

So beschreibt Mars Di Bartolomeo gegenüber der woxx die Lage in Teheran. Er muss es wissen, denn als Mitte Januar dieses Jahres das Ende der nuklearbezogenen Sanktionen gegen den Iran verkündet wurde, war der Parlamentspräsident als Leiter einer luxemburgischen Delegation bereits vor Ort. Und damit auch das Großherzogtum sich nach Kräften an dem Goldrausch im Iran beteiligen kann, hat der Conseil de Gouvernement Mitte April Schritte unternommen, um Import, Export und Transit von Waren aus dem Iran zu regeln.

Bei der von Mars Di Bartolomeo angeführten Delegation ging es ihm zufolge allerdings nicht darum, „Geschäfte mit dem Iran zu machen, sondern darum, die parlamentarische Diplomatie auszubauen“. Die hatte, wie das Business mit dem Iran, in den vergangenen zehn Jahren gegenüber robusteren Maßnahmen das Nachsehen gehabt: Um den Bau einer Atombombe zu verhindern, hatte eine breite Allianz unter Beteiligung von Russland und China das Land politisch und mit wirtschaftlichen Sanktionen unter Druck gesetzt. Der Handel mit dem Iran wurde zunehmend eingeschränkt, der dortige Markt teilweise trockengelegt. Nach dem Willen führender westlicher Industrienationen soll sich das nun rasch wieder ändern. Insbesondere Deutschland ist bemüht, aus dem Wegfall der Sanktionen massiv Kapital zu schlagen. Der Deutsche Industrie- und Handelstag hofft gar, dass sich die deutschen Exporte binnen weniger Jahre auf rund zehn Milliarden Euro verfünffachen werden.

„Der Investitionsbedarf im Iran ist riesengroß“, bestätigt auch Jeannot Erpelding von der Chambre de Commerce. Zugleich sei Geld vorhanden, das durch die Sanktionen blockiert war, und das jetzt wieder angelegt werden kann, so Erpelding, der bei der Luxemburger Handelskammer als Direktor für internationale Angelegenheiten tätig ist: „Das heißt, in Zukunft werden massive Investitionen getätigt werden.“ Interessant ist der iranische Markt nicht nur für luxemburgische Unternehmen wie etwa die Cargolux oder verschiedene metallverarbeitende Betriebe, die bereits vor den Sanktionen im Iran aktiv waren. Auch Zulieferer in der Automobilbranche und in der ölverarbeitenden Industrie könnten von der Entwicklung profitieren.

Im Finanzmarkt sieht Erpelding jedoch „das größte Potenzial für Luxemburg“: „Da besteht ein unglaublicher Aufholbedarf.“ Im Zuge der Sanktionen wurden seit 2006 zahlreiche Bankkonten von Iranern eingefroren und Exportkredite überwacht. Der Iran war vom internationalen Zahlungsverkehr weitgehend ausgeschlossen und ist daher auch mit dem heute obligatorischen SWIFT-Verfahren noch nicht synchronisiert.

Deshalb „brauchen die iranischen Banken technische Unterstützung, um sich an die internationalen Normen anzupassen“, meint auch Jean Asselborn. Es gelte, „die Zurückhaltung der europäischen Banken zu überwinden, im Iran zu investieren“, so der Luxemburgische Außenminister in einem schriftlichen Statement an die woxx. Das scheint jedoch gar nicht so einfach zu sein. Weil US-Behörden in den vergangenen Jahren gegen Banken, die das Embargo ignorierten, Strafen in Milliardenhöhe verhängten, hätten viele Kreditinstitute immer noch „Angst vor Konsequenzen“ in den USA, so Asselborn.

Mars Di Bartolomeo hält den Druck auf das Regime von innen mittlerweile für so groß, dass dieses schnelle Resultate braucht, um den Forderungen der Bevölkerung zu begegnen.

Jeannot Erpelding fürchtet, dass auch die Luxemburger Banken deshalb zu lange zögern und momentan sich bietende Chancen nicht ergreifen, obwohl Luxemburg gerade als Finanzplatz ein „extrem gutes Standing“ hat. Doch wer zuerst kommt, schnappt die besten Geschäfte weg, und die internationale Konkurrenz im Land ist schon jetzt enorm: „Wer im Moment nach Teheran will, bekommt dort kein Hotelzimmer.“ Bei einer von der Handelskammer organisierten Visite in den Iran im vergangenen Juni „war das noch ein bisschen anders“, so Erpelding, damals „wollte sich keiner so wirklich mit uns in den Flieger setzen“.

Für Jean Asselborn haben das Wiener Abkommen vom Juli letzten Jahres und der „Implementation Day“ am 16. Januar „zur Normalisierung unserer Beziehungen mit dem Iran geführt“. Kritiker des iranischen Regimes haben für solche „Normalität“ indes kein großes Verständnis. So wiesen in der vergangenen Woche verschiedene Jugendorganisationen der deutschen Sozialdemokraten Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf die unhaltbare Menschenrechtssituation im Iran hin. Nicht nur die Verfolgung von Menschenrechtsgruppen und religiösen Minderheiten, sondern auch Folter sei dort an der Tagesordnung, lautete die Botschaft an Gabriel, der seine geplante Reise mit einer Wirtschaftsdelegation in den Iran dann allerdings wegen Krankheit verschieben musste.

Wer Geschäfte machen will, redet sich zuweilen das Regime schön: Der aktuelle iranische Präsident Hassan Rouhani wird im Westen gerne als „Reformer“ bezeichnet. Einem UN-Bericht zufolge werden unter ihm jedoch mehr Menschen hingerichtet als unter seinem „Hardliner“-Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad: Allein im Jahr 2015 wurden in der islamischen Republik 996 Menschen exekutiert. Nur China richtet mehr Menschen hin, bei Hinrichtungen von Jugendlichen rangiert der Iran gar auf Platz eins. Wie in jedem Jahr befanden sich unter den Hingerichteten auch viele, die wegen Homosexualität verurteilt wurden.

Er habe all diese Probleme sowohl bei seinen Besuchen im Iran wie auch beim Besuch des iranischen Außenministers Javad Zarif im Juni 2015 in Luxemburg angesprochen, so Asselborn. Er ist überzeugt, dass die Aufhebung der Sanktionen und die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage „moderate Kräfte in der iranischen Gesellschaft stärken“ wird. Das sehen iranische Oppositionelle anders. Mit einer Normalisierung der Beziehungen werde das Regime im Iran wie auch dessen Exekutions-
praxis politisch legitimiert, kritisierten politische Häftlinge der berüchtigten Gefängnisse Evin und Gohardasht in einem offenen Brief anlässlich der Iran-Reise des italienischen Premierministers Matteo Renzi im April.

Mars Di Bartolomeo hält den Druck 
auf das Regime von innen mittlerweile für so groß, dass es schneller Resultate bedürfe, um den Forderungen der Bevölkerung zu begegnen: „Die Iraner sind sich bewusst, wie es einem geht, der den Deckel zu lange drauf hält“. Bei den Treffen mit Präsident Rouhani und anderen sei daher im Januar auch eine offene Diskussion möglich gewesen, bei der es „keine Tabus“ gegeben habe, so Di Bartolomeo, der von sich sagt: „Ich bin kein Befürworter überstürzter Geschäftemacherei mit dem Iran“.

Kritiker des Abkommens von Wien fürchten vor allem, der Iran spiele hinsichtlich des Baus einer Atombombe auf Zeit. Der Konflikt zwischen „Moderaten“ und „Hardlinern“ sei in der Hauptsache Maskerade und diene wie das zivile Atomprogramm lediglich als Camouflage für die weiterhin beabsichtigte militärische Nutzung des iranischen Nuklearprogramms, die spätestens nach Ablauf von 15 Jahren ohnehin nicht mehr vertragswidrig ist. Einig sind sich „Reformer“ und „Hardliner“ überdies in ihrer Betonung der Vernichtung Israels als Teil der iranischen Staatsräson. Entsprechende Drohungen wurden laut Mars Di Bartolomeo bei der Visite im Januar zwar „angesprochen, aber nicht besprochen. Es gibt einige Sachen, die kein Echo finden“.

Die Beobachtung, wonach die Unterscheidung zwischen „Moderaten“ und „Hardlinern“ im Iran lediglich eine Inszenierung für den Westen sei, kann der Parlamentspräsident „so nicht bestätigen“. „Was aber schon sehr auffällt, sind die wechselnden Rollen. Das ist sehr erstaunlich, als ob ein CSV-Mann plötzlich der überzeugteste Frontmann der Linken würde“.

Die im vergangenen März vom Iran vorgenommenen Tests von Langstreckenraketen geben der Kritik neue Nahrung, wonach das theokratische Regime lediglich seine Strategie geändert habe, um an eine Atombombe zu gelangen. „Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei den jüngsten Raketentests um einen Verstoß gegen die UN-Resolution 2231, mit der das Atomabkommen mit dem Iran gebilligt worden war“, so Außenminister Asselborn gegenüber der woxx. Man könne diese Tests durchaus als provozierend und destabilisierend bezeichnen.

Vor allem jedoch ist eines der größten Probleme im Iran-Business noch immer ungelöst: der Transfer von Geldern. „Wenn das Geld nicht fließen kann, werden die besten Geschäfte nichts“, so Jeannot Erpelding. Und wenn der Iran weiterhin Raketentests durchführt, bleibt das Investitionsklima manchem vielleicht doch zu heiß. Allerdings steht „Bonanza“ im Wortsinn für den berauschend großen Gewinn. Nur bei den Cartwrights im Fernsehen bedeutet es, dass am Ende die vernünftige Einsicht die Oberhand gewinnt.


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