Historischer Film
: Am Dreh

Eine Ausstellung in der Abtei Neumünster zeigt Etappen der Entstehung des aufwendig produzierten Samsa-Films „Eng néi Zäit“. – Eine Nabelschau, die jedoch auch einen Blick hinter die Kulissen gewährt.

1344_Expo_Eng_nei_Zait_239 Drehtage, zehn Monate Nachproduktion und ein Budget von rund 3,8 Millionen Euro waren nötig, um den nach Ansicht Claude Waringos „ambitioniertesten luxemburgischen historischen Film“ zu drehen.

Eine Schau in der Abtei Neumünster, einem der Drehorte des Films, zeigt nun dessen Entstehungsgeschichte – von der Idee bis zur Umsetzung. Situationen vom Dreh und historische Momente sind in Aufnahmen festgehalten und wurden in Zusammenarbeit mit dem Filmhistoriker Paul Lesch und Anderen kontextualisiert.

Ein Zitat der Drehbuch-Co-Autorin Viviane Thill am Anfang des Ausstellungsrundgangs verdeutlicht die Schwierigkeit, den auf historischen Begebenheiten basierenden Stoff cinematografisch aufzubereiten: „Als ich das Drehbuch schrieb, dachte ich zugleich an die Filme Chinatown von Polanski und an JFK von Oliver Stone. An den ersten wegen der unruhigen Atmosphäre und der Doppeldeutigkeit der Personen, und an den zweiten wegen des politischen Kontexts und eines Mordes, der allen ins Bild passt“, so Thill.

Vor rund 70 Jahren trug sich der im Film dargestellte Kriminalfall auf einem Bauernhof unweit von Ettelbrück zu. Dort wurden fünf Leichen gefunden. Der Täter wurde ermittelt, zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet. Das Verbrechen geschah zu einer Zeit, in der in der Bevölkerung eine allgemeine Unruhe herrschte – eine Stimmung, die geprägt war von Misstrauen, Schuldzuweisungen und Denunziationen. Die Darstellung des Sachverhalts im Film folgt weitgehend dem Aufsatz „der Fall Bernardy“ von Claude Wey („Mord und Totschlag“, Musée d’histoire de la ville de Luxembourg, 2009). Ein Artikel aus dem Luxemburger Wort vom 14. Oktober 2015 erläutert ebenfalls detailreich die Hintergründe.

Die Filmfigur des Kleinkriminellen Glesener, im Film gespielt von Luc Feit, ist Nikolaus Bernardy nachgebildet. Eine Porträtzeichnung des Täters im Tageblatt vom 7. Mai 1948 zeigt eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Filmfigur Feit.

Die Realisierung des historischen Settings war der kostspieligste Posten der Produktion: rund 750.000 Euro von einem Gesamtbudget von rund 3,8 Millionen Euro, wie auf einer Tafel nachzulesen ist. Gedreht wurde an rund 50 Drehorten in Luxembourg. Neben der Hauptstadt in Vianden, Schleifmillen, Echternach, Esch-sur-Sûre, Esch-sur-Alzette, Marnach und schließlich auch hinter der Grenze im Keller der ehemaligen Thermen in Longwy.

Eric Lamhène, Direktor des Castings, berichtet u. A. von der Schwierigkeit, die 40 Film-Rollen mit Muttersprachlern zu besetzen. Zum Filmregisseur Christoph Wagner liest man, dass er mit neuen Köpfen arbeiten wollte, was ein Casting in semi-professionellen Theatergruppen erforderlich machte. Wenig aussagekräftig und eher angeberisch wirken einige Zitate der Produzenten über das Casting. Es sei langatmig gewesen, das Resultat fantastisch, man sei stolz, mit Luc Schiltz den Richtigen für die Hauptrolle gefunden zu haben.

Vereinzelte Accessoires und Kleidungsstücke aus der Zeit, wie etwa eine Gendarmen-Uniform, Leihgabe des Polizeimuseums in Bonneweg, beleben die Schau. „Kostüme und persönliche Accessoires aus der Zeit sagen viel über den sozialen Status, den Charakter und die politische Einstellung der Person(en) aus“, liest man und erfährt, dass der Film wegen finanzieller Engpässe nicht in 35 mm gedreht werden konnte. Eine historische Ausgabe des Luxemburger Wortes von 1945, mit der die Schauspieler im Film posieren, wurde eigens bei Saint Paul nachgedruckt.

Am Ende steht kohärenterweise ein Rückblick auf die Geschichte der Abtei Neumünster selbst und ihre zeitweilige Funktion als Gefängnis. Zwischen 1940 und 1944 waren dort luxemburgische Resistenzler, italienische Anti-Faschisten und Gegner des NS-Regimes untergebracht. Die muffigen Keller-Verliese sind auf Schwarz-Weiß-Bildern dokumentiert.

So lebt die Schau im Kreuzgang der Abtei Neumünster zwar von Selbstbeweihräucherung. Aber für Filminteressierte und Fans des Films dürfte sie trotzdem lohnend sein, gewährt sie doch umfangreiche Einblicke in die Entstehung des Films.

Bis zum 22. November in der Abtei Neumünster.

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