ABSCHIEBUNGEN: Zuckerbrot und Peitsche

Still und heimlich wurde in Findel ein Sammelzentrum für abgewiesene AsylbewerberInnen vor der Abschiebung eingerichtet. Was nach einem Zugeständnis der Regierung aussieht, ist in Wahrheit eine Fortsetzung der harten Linie.

Wieder sind abgelehnte AsylbewerberInnen nach Serbien-Montenegro abgeschoben worden: Vergangene Woche waren vier Familien betroffen. Zwei von ihnen wurden am Donnerstag abgeholt, weitere zwei am Freitag. Die Familien mussten die Heimreise antreten, obwohl ein Kind darunter war, das am Knie hätte operiert werden müssen. Die Asti protestierte gegen die Abschiebung, doch die luxemburgische Regierung setzt ihre konsequente Linie fort: Ein ums andere Mal werden ehemalige Flüchtlinge nach Ex-Jugoslawien „zurückgeführt“. Am Montag waren es rund 40 „Freiwillige“, die der Rückführaktion per Unterschrift zugestimmt hatten und dafür 1.190 Euro pro Erwachsenen bekamen. Es war die vierte Aktion dieser Art innerhalb weniger Wochen und während der Schulferien. „Damit wir die Schüler nicht aus dem laufenden Schuljahr herausholen“, verlautete es aus dem Justizministerium.

Dass es mit der Abschiebung der vier Familien in der vergangenen Woche etwas Besonderes auf sich hatte, ist dabei fast untergegangen: Bisher wurden die Familien von der Polizei morgens aus ihren Betten geholt, nach Findel transportiert und kurz darauf per Charterflug zurück in ihr Herkunftsland verfrachtet. Diesmal brachte man die abgelehnten AsylbewerberInnen in ein so genanntes „Centre d’accueil intermediaire en vue du départ assisté“, wo sie auf ihren Abflug am vergangenen Samstag warten mussten. Das Gebäude befindet sich nach Angaben des Justizministeriums auf dem Gelände des Flughafens Findel. Der luxemburgischen Öffentlichkeit war bisher davon nichts bekannt gewesen. „Das Ministerium hat die Flüchtlingshilfsorganisationen nicht darüber informiert“, kritisiert die Caritas-Flüchtlingsbeauftragte Agnès Rausch das Vorgehen der Regierung.

Der Aufenthaltsort für die abgewiesenen AsylbewerberInnen sei „relativ kurzfristig“ eingerichtet worden, erklärte Sylvain Wagner, rechte Hand von Justizminister Frieden in Sachen Abschiebungen, gegenüber der woxx und fügte hinzu: „Außerdem muss die Regierung die Presse ja nicht über jeden Schritt informieren.“ Das Centre d’accueil sei unter anderem deshalb eingerichtet worden, damit die Familien mehr Zeit hätten, ihre Sachen zu packen. Besagte Nacht-und-Nebel-Aktionen waren von den Flüchtlingshilfsorganisationen stets heftig kritisiert worden. In dem Centre d’accueil stünde den Familien eine medizinische und soziale Betreuung zur Verfügung, so Wagner. Unterdessen vermutet Agnès Rausch im Vorgehen der Regierung weniger eine humanitäre Motivation als finanzielles Kalkül: Bislang habe das von der Regierung gechartete Flugzeug solange warten müssen, bis die Polizei alle für die Abschiebung vorgesehenen Personen eingesammelt hatte, ein teures Unterfangen, wie die Asti der Regierung bereits vorgerechnet hat. Eine Sammelstelle vor Ort kommt dagegen um einiges billiger. „Nun kopiert die luxemburgische Regierung das, was es im Ausland schon gibt“, so Rausch.

„Zwischenlager“ vor der Abschiebung

Damit scheint auch eine Frage endgültig geklärt, die hierzulande schon seit längerer Zeit diskutiert wurde: die nach einer provisorischen Unterkunft für abgelehnte AsylbewerberInnen vor ihrer Abschiebung. Nach einem „règlement grand-ducal“ vom September 2002 gibt es bereits ein „Centre de séjour provisoire en situation irrégulière“ innerhalb des Schrassiger Gefängnisses, allerdings hatte Monate lang niemand davon Kenntnis genommen – bis zum Hungerstreik einer Gruppe von Abschiebehäftlingen im Januar. Einige von ihnen hatten schon mehr als einen Monat in dem Gefängnis verbracht, ohne dass sie über ihr Dossier informiert wurden (woxx Nr. 674 und 675).

Dem großherzoglichen Règlement zufolge werden abgelehnte AsylbewerberInnen oder Sans-Papiers in Schrassig bis zu ihrer Abschiebung „zwischengelagert“. Doch statt sie in einem autonomen Foyer unterzubringen, zog es Justizminister Luc Frieden vor, sie in einen Teil des Gefängnisses zu stecken, und nicht, wie in dem Reglement vorgesehen, strikt von den dortigen Häftlingen zu trennen. Das Recht zu telefonieren bleibt dabei ebenso streng reglementiert wie die Besuche: So erhalten Hilfsorganisationen nur mit Erlaubnis des Ministers Zutritt – wenn überhaupt. Draußen bleiben muss auch die Presse. Einen Dringlichkeitsantrag der woxx, die Betroffenen zu sehen, wies der Justizminister im Januar ab.

Ähnliches gilt nun auch für das Centre d’accueil in Findel: Die Räumlichkeiten aus mehreren Zimmern sind zwar laut Ministerium unter anderem mit Fernsehern und Spielmöglichkeiten für die Kinder ausgestattet; in welchem Zustand sich die Einrichtung befindet, davon durften sich weder die Presse noch die Flüchtlingshilfsorganisationen bislang ein Bild machen. Eine Anfrage der woxx dahingehend wurde negativ beantwortet. „Die Leute werden im „Centre“ von Beamten des Familienministeriums betreut“, sagt Sylvain Wagner. Nichtregierungsorganisationen hätten dort nichts zu suchen. Eine absurd anmutende Situation: Das Centre d’accueil wird somit zu einem Ort, zu dem nur diejenige Zutritt haben, denen man auf luxemburgischen Gebiet das Bleiberecht verweigert.

Legale Grundlage fehlt

„Das Centre hat keine legale Grundlage“, kritisiert Jean Lichtfous von der Asti. Und die Grünen-Abgeordnete Renée Wagener will in ihrer parlamentarischen Anfrage unter anderem wissen: „Quelle a été la base légale pour la création de ce centre, sachant que le seul ‚centre de séjour provisoire‘ de ce genre est celui situé au centre pénitentiaire de Schrassig …?“ Derweil weist Agnès Rausch darauf hin, dass die Rechtssituation der vor der Abschiebung stehenden Menschen im Centre d’accueil nicht geklärt sei. Zudem sei in dem besagten Reglement von einem Zentrum die Rede, und nicht von zweien, erklärt die Caritas-Flüchtlingsbeauftragte.

Nach den Worten Sylvain Wagners soll das Centre d’accueil auch in Zukunft für Abschiebungen von Familien bleiben. Noch während der Sommerferien seien weitere Rückführungen zu erwarten. Wagner fügt hinzu: „Das soll aber nicht heißen, dass es nicht auch danach zu Rückführungen kommt.“


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