URBANISMUS: Qualität verzweifelt gesucht

Bevölkerungswachstum ist in Luxemburg weiter angesagt. Wie gehen Gemeinden damit urbanistisch um? Damit beschäftigte sich ein Rundtischgespräch am Montag.

Die Bevölkerung Luxemburgs wächst schneller, als es die dem Landesplanungsinstrument IVL zugrundeliegenden Zahlen voraussehen ließen – mit dieser Information eröffnete die Urbanistin Chantal Zeyen ein Rundtischgespräch, das am Montag im nagelneuen Konferenzraum des Da Vinci-Gebäudes stattfand. Eingeladen hatten der Hausherr, der „Ordre des architectes et des ingénieurs-conseils“ (OAI), und die „Fondation de l’architecture et de l’ingénierie“ (FAI). Wat brauch eng Gemeng, fir sech urbanistesch gutt ze entwéckelen?“ Unter der Moderation der Architektin Marie Lucas sollten auf diese Frage neben Zeyen die Präsidenten von OAI und FAI, vier Bürgermeister sowie der Vertreter des Kulturministeriums Antworten finden.

Ein Instrument, mit dem das Bevölkerungswachstum auf Gemeindeebene aufgefangen werden soll, ist der „Pacte Logement“. Die Gemeinde Beckerich hat jedoch als eine von wenigen den Wohnungspakt nicht unterschrieben, denn, so die Begründung ihres Bürgermeisters Camille Gira (Déi Gréng), das Ziel einer jährlichen Zunahme um ein Prozent bedeute eine exponentielle Entwicklung: „Über unser Bevölkerungswachstum möchten wir selbst entscheiden.“ Positiver sieht den Pacte Logement Georges Engel, Bürgermeister einer der beiden Belval-Gemeinden: „In Sanem herrschen andere Gegebenheiten: Belval bedeutet für uns ein enormes Potenzial.“ Für die Stadt Luxemburg ist nach Meinung ihres obersten Bürgers Xavier Bettel der Bonus des Pacte Logement gar nicht notwendig, während dem Vertreter der Mosel-Gemeinde Grevenmacher, Léon Gloden, eher der mangelnde Wohnraum Kopfzerbrechen bereitet: „Wir haben in den letzten zehn Jahren die Chance verpasst, Bauterrain auf den Markt zu bringen. Nun sind die Leute nach Deutschland gezogen, und uns bleiben der Durchgangsverkehr und das Parkproblem.“

Kann die Gemeinde als Akteurin für mehr Qualität im Urbanismus sorgen, etwa als Promotor oder Projektentwickler? Xavier Bettel wies auf die Grenzen hin, die der kommunalen Bautätigkeit gesetzt sind. Zum Beispiel bei dem Bauprojekt ?Place de l’Etoile`, wo die Gemeinde einen Bebauungsplan ausgearbeitet hatte, die Grundstücke aber einem Promotor gehörten: „Da geschieht nichts, aber ich bin nicht Besitzer der ?Stäreplaz`.“

Georges Engels Plädoyer für eine Langzeitplanung mit allen Beteilig-ten pflichtete Camille Gira mit dem Hinweis auf die hohe Bedeutung einer klaren Zukunftsvision bei: „Wir wollen nicht eine Vorstadt der Stadt Luxemburg à la Bartringen oder Strassen werden.“ Die meisten Gemeinden hätten aber bislang Urbanismus „nicht gestaltet, sondern ertragen“ und stünden unter dem Druck der Promotoren. In Beckerich habe man dagegen in der Bebauungspolitik klare Ziele, was z.B. Durchmischung oder Umweltschutz angehe.

Die Rechte Einzelner haben Vorrang vor denen der Allgemeinheit, bemängelte Architekt Christian Bauer (FAI): „Der Markt hat Luxemburg schon enorm verunstaltet.“ Doch auch Stadtobere könnten sich zumindest beraten lassen, etwa durch Gestaltungsbeiräte. In Grevenmacher ist dieses Modell jedoch bereits aufgrund politischer Querelen wieder Geschichte. Derweil die Stadt Luxemburg bereits über eine Kommission von professionellen Gutachtern verfügt, kann laut Xavier Bettel der oder die Stadtobere durchaus zu einem Projekt „So nicht“ sagen. Léon Gloden sieht dagegen wenig juristische Möglichkeiten, wenn es um Ästhetik geht.

Die Politik sei gefordert, räumte Bob Krieps, erster Regierungsrat im Kulturministerium, ein: „Aber das Parlament ist voll von Abgeordneten, die zugleich Bürgermeister sind.“ Camille Gira gab den Ball zurück: Obwohl seit Jahrzehnten im Denkmalschutzgesetz vorgesehen, sei die Inventarisierung schützenswerter Gebäude erst jetzt in Gang gekommen: „Die nationale Politik hat versagt.“


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