BANKEN: Ethik als Etikette?

Banken geben sich zunehmend einen ethischen Anstrich. Aber verbirgt sich dahinter mehr als eine PR-Strategie? Eine Konferenz an der Uni Luxemburg warf die Frage auf, wieviel Moral das Geschäft mit dem Geld verträgt.

Zeit zum Umdenken?
Die Schere wächst stetig weiter: etwa 2,5 Milliarden Menschen weltweit sind vom Finanzsystem ausgeschlossen.

Die Kombination klingt wie ein Widerspruch in sich, zumal in den letzten Jahren: Finanzgeschäfte und Ethik bzw. Menschenwürde. Doch die Banken müssen reagieren, seitdem sich nicht mehr nur UmweltschützerInnen und Menschenrechtsgruppen über mitfinanzierte Staudammprojekte und Atomkraftwerke in Entwicklungsländern erregen, sondern der Zorn über fragwürdige Geschäftspraktiken bis in die obersten Etagen der Regierungen vorgedrungen ist.

„Finance and Human Dignity – What Rights, What Duties?“, unter diesem, jede Verpflichtung offen lassenden Titel fand am vergangenen Dienstag eine internationale Konferenz an der Universität Luxemburg statt – unter Federführung des Unesco-Lehrstuhlinhabers für Menschenrechte, Jean-Paul Lehners und mitorganisiert von der Luxembourg School of Finance. Über Werte zu reden, steht jeder Branche gut zu Gesicht, vor allem, wenn es nicht das eigene Geschäftsmodell ist, das in Frage gestellt wird. Es erschien daher nur folgerichtig, hier in Luxemburg, an einer Pulsader des Finanzgeschehens, eine Tagung unter Mitwirkung von maßgeblich Banken(vertretern) zu organisieren, die sich Gedanken über ethische Normen macht. „Wir sind hier in Luxemburg – inmitten des Finanzplatzes schlechthin. Und es gibt diesen menschenrechtlichen Aspekt, der entweder respektiert oder nicht respektiert wird, und deshalb beginnen wir mit diesem Thema“, fasste Jean-Paul Lehners seine Beweggründe zusammen. Als er den Lehrstuhl übernahm, tat er das mit dem Vorsatz, jedes Jahr eine Tagung zu organisieren.

Nach der Finanzkrise scheint klar zu sein, dass ein System, das auf Ausschluss beruht, in moralische Rechtfertigungszwänge gerät. Da sich diejenigen, die in erster Linie konkret Verantwortung tragen (Vorstände, Aufsichtsräte, Anteilseigner), äußerst selten zu dieser bekennen, wurden Fragen verhandelt wie: Wer ist eigentlich bei einem Bankenkollaps verantwortlich? Wer ist überhaupt Träger von Verantwortung für moralisches Handeln innerhalb nationalstaatlicher Strukturen – vielleicht die Unternehmen oder die Staaten oder gar die NGOs als überwachende Instanz?

Wer ist eigentlich bei einem Bankenkollaps verantwortlich? Wer ist überhaupt Träger von Verantwortung für moralisches Handeln innerhalb nationalstaatlicher Strukturen?

Eine Verzahnung, bei der zivilgesellschaftliche Akteure den Banken auf die Finger schauen, funktioniere nur bedingt, und an einer harmonisierten Implementierung rechtlicher Standards innerhalb und außerhalb Europas mangele es ganz grundsätzlich, war die Erkenntnis eines Großteils der Tagungsreferenten. Zunächst ließe sich philosophisch entgegnen: Handle nur nach derjenigen Maxime, für die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde! Da Menschen nur in wenigen Fällen dem kategorischen Imperativ folgen – und dann entgegen ihrer Welterfahrung – bleibt in der klassischen Theorie zumeist die Frage: was tun, da der Mensch egoistisch handelt? Christine Kaufmann, Professorin für europäisches Verfassungsrecht und Völkerrecht an der Universität Zürich, kam jedoch zu dem Schluss, dass Gesetze und Märkte nur ein begrenztes Potenzial haben, unerwünschtes Verhalten einzudämmen. Dennoch bedürfe es eines gesetzlichen Rahmens und Standards, ihrer wirksamen Implementierung und: eines moralischen Kompasses. Als Beispiel nannte sie die „Thun Group of Banks“ ein konkretes Beispiel dafür, wie Banken selbst in ihrer Führungsetage sich zur Beachtung ethischer Standards entschließen können.

Ob die UN-Charta und deren recht vage „Principles of Financial Investment“ als verbindliche Rechtsrahmen dienen können, sei fraglich, auch wenn sie als ein wichtiger Forderungskatalog zugrundegelegt wurde. Kaufmann stellte auch klar, dass Menschenrechtsverletzungen nicht notwendigerweise ein Risiko für eine Bank darstellen. Wohl habe diese unter Umständen einen Imageschaden zu befürchten, beziehungsweise ließe sich im umgekehrten Fall, bei „ethischem Verhalten“, ihr Image aufwerten. Doch konventionelle Banksysteme beruhten von jeher auf dem Prinzip: „je mehr man hat, desto mehr kann man bekommen. Menschen, die wenig oder gar nichts besitzen, erhalten also nichts. Die Folge davon ist, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu Banken hat (…)“, erkannte schon Nobelpreisträger Muhammad Yunus und begründete damit seiner Zeit sein  alternatives Mikrofinanzierungsmodell.

„Mikrofinanzierung ist nur ein Modell, das nicht zwingend sozial positive Folgen hat.“

Wirklich kritische, alternative Finanzierungsmodelle wurden jedoch, neben dem altbekannten Yunus-Modell, auf der Konferenz nicht vorgestellt. Als einzige Repräsentantin einer NGO war Laura Foschi von der ADA Luxemburg zugegen, die überzeugend ihr Modell der Mikrofinanzierungskredite am Beispiel von „pro mujer“ in Lateinamerika als „Best-practice-Beispiel“ propagierte. „Würde geben“, „Perspektiven durch Mikrofinanzierungskredite eröffnen“ und „den Kreis der Armut schließen“ lauteten die Stichworte, mit denen Foschi am Beispiel von „pro mujer“ für dieses Modell warb. Freilich sei Mikrofinanzierung nur eine „kleine Maßnahme“, aber eben doch ein erster Schritt auf dem Weg, Frauen zu stärken und ihnen aus der Armutsfalle herauszuhelfen. Ein provisorisches Instrumentarium, das zusammen mit anderen Mitteln eingesetzt werden könne. Dabei seien die Effekte der Mikrofinanzierung nicht zwingend sozial positiv.

Oft werde Sozialfinanz mit Mikrofinanz gleichgesetzt, warnte Ekkehart Schmidt-Fink von etika (Initiativ fir Alternativ Finanzéierung). Das Ziel der Mikrofinanz sei jedoch heute nicht mehr zwangsläufig sozial. Soziale Verbesserungen könnten ein positiver Nebeneffekt sein. Doch sei Mikrofinanz längst Business geworden – das gelte auch für ADA. Sozialfinanz hingegen habe soziale und ökologische Folgen zum Ziel. Das lasse sich auch an Arbeitsbedingungen festmachen, zum Beispiel denen der Textilbranche in Bangladesh. Die Hauptforderung der Sozialfinanz sei, dass in einer Weise finanziert wird, dass soziale und ökologische Schäden vermieden und im Gegenteil positive Effekte erzielt werden und die Menschenwürde unangetastet bleibt. Auch die „etika-Initiative“ ist keine richtig eigenständige „ethische Bank“, sondern kooperiert mit einer in Luxemburg ansässigen Bank und sichert als NGO den Kunden gegenüber Glaubwürdigkeit. Dennoch sieht sich etika als Alternative zu konventionellen Banken. Man mache Banking nach ethischen Kriterien und garantiere Transparenz. Und das ist angesichts der Tatsache, dass Luxemburg im Financial Security Index, der gestern veröffentlicht wurde, den zweiten Platz, direkt hinter der Schweiz, belegt, doch beachtlich (siehe News, S. 4).

Ein bad-practice-Beispiel präsentierte, komplementär zur NGO-Vertreterin, Marco Zwick, „Global Head of Compliance“ bei Schroders Investment Management. Er ging auf die Verpflichtung der Unterzeichner-Staaten des UN-Abkommens über Streumunition ein. Die Oslo-Konvention (vom 4. Juni 2009) biete zwar einen gesetzlichen Rahmen und stelle einen ersten Schritt dar, doch sei die Grauzone bei dem Transport etwa von Material, das zur Herstellung von Waffen dienen kann, groß. So sei in zahlreichen Fällen, wenn etwa – als fiktives Beispiel (!) – die Cargolux Material in Länder im Nahen Osten ausliefert, unklar, um was für Material es sich handele und wofür es im Endeffekt eingesetzt werde. Eine indirekte Beteiligung an der Herstellung etwa von Streubomben sei damit zumindest nicht ausgeschlossen.

Wie lässt sich ein solcher Finanzsektor aufbauen, der allen Menschen gleichen Zugang zu Finanzdienstleistungen bietet?

Die meisten Tagungsteilnehmer blieben in ihren Ausführungen jedoch sehr theoretisch-abstrakt, wenngleich es den einen oder anderen konstruktiven Anstoß und wichtigen Impuls aus den Reihen der klassischen Bankenvertreter, Juristen und Ökonomen gab. Bernard Bayot, Präsident des „European Financial Inclusion Network“ (EFIN), stellte Definitionen von finanzieller Exklusion vor und sah eine nationale wie europäische Verantwortung darin, finanzielle Inklusion zu garantieren. Doch (wie) lässt sich daraus ein Grundrecht ableiten? Ähnlich utopisch hatte Kofi Annan bereits 2005, in dem von der UN ausgerufenen internationalen Jahr der Kleinkredite, argumentiert: „Unsere größte Herausforderung ist es, die Hindernisse zu beseitigen, die Menschen vom Zugang zu Finanzdienstleistungen ausschließen (…).“ Vielmehr, so Bayot, müsse die Staatengemeinschaft einen inklusiven Finanzsektor aufbauen, der den Menschen ermöglicht, ihr Leben selber zu verbessern.

Doch wie lässt sich ein solcher Finanzsektor aufbauen, der allen Menschen gleichen Zugang zu Finanzdienstleistungen bietet? Kann das einhellige Propagieren von Unternehmens-Verantwortung – wie auf der Konferenz – ein wirksames Mittel sein, oder leistet es lediglich dem Green-Washing der Finanzinstitute Vorschub? Interessiert es große Banken tatsächlich, ob sie wirklich keine Streubomben mitfinanzieren? Oder werden sich Banken in Zukunft lediglich einen sozialen, nachhaltigen Anstrich geben, um sich im besten Licht darzustellen? Und wie kann eine Bank überhaupt „verantwortungsvoll handeln“, solange es kaum Transparenz im Bankensektor gibt?

Professor Lehners gab sich auf der Konferenz als unerschütterlicher Optimist. Man sei im Begriff, über Nischen zu diskutieren. „Eine Nische könnte sein, dass der Finanzplatz in Richtung ethische Finanz geht und dass das ein Markenzeichen von Luxemburg wird.“ Es sei ihm mit der Konferenz auch darum gegangen, denjenigen, die sich für Menschenrechte interessieren, eine Einsicht zu vermitteln, wie die Banken das Thema sehen. Viele Themen, wie Investment-Fonds, Euro-Bonds oder die Transaktionssteuer, seien auf der Tagung gar nicht angeschnitten worden. Und es sei klar, „dass es bei den Banken, wie überall, schwarze Schafe gibt.“ Es gebe aber auch Banken, die sich ehrlich bemühten. Mitarbeitern wie Kunden sei es zunehmend wichtig, dass es einen „edit value“ gibt, wenn man über Menschenrechte redet. Würde eine zunehmende Zahl von Mitarbeitern erklären: „ich arbeite in einer Bank, die ehrlich ist, ich arbeite in einer Bank, die sich für Menschenrechte einsetzt“, könne der Druck von unten wachsen. Schließlich seien auch die Arbeiterrechte während der Industrialisierung erkämpft worden, indem Gewerkschaften gegründet wurden. Warum sollten nicht Leute, die in einer Bank tätig sind, das aufnehmen und beschließen: wir auch? „Es sind die Kunden, die es machen werden“, meinte hingegen Schmidt-Fink. „Aber es ist so, als hätten wir in den letzten 40 Jahren eine Gehirnwäsche bekommen, was Banken angeht, die ausschließlich auf den finanziellen Output gucken“. Man müsse das aufbrechen und offenlegen, dass Banken historisch eine ganz andere Rolle hatten.

Gerade wegen des schlechten Image, das sich die Banken nach 2008 erworben haben, ist bis in die PR-Abteilungen durchgesickert, dass ein sozialer Anstrich vonnöten ist. Und der funktioniert. Die Etiketten „nachhaltig“ und „sozial“ ziehen, wobei das positiv besetzte NGO-Vokabular hier offensiv für die Unternehmensstrategie genutzt wird. Zivilgesellschaftliche Organisationen sehen daher in den PR-Abteilungen großer Unternehmen eine reale Gefahr. Wenn die Etiketten „ökologisch“, „ethisch“ und „sozial“ reine PR-Instrumente blieben, werde sich an der Investitionspolitik und Kreditvergabe mittelfristig nichts ändern, befürchtet Schmidt-Fink. „Das Grundproblem bleibt, dass der Banken- und Finanzsektor der einzige in der Marktwirtschaft ist, der komplett frei von staatlichen Eingriffen machen kann, was er will, und seit Kurzem eben auch global.“ Es gebe niemanden, der ihn einschränkt. Ob der soziale Kompass einer angeblich neuen Bankergeneration mehr ist als Trend und Marketingstrategie, mit der Banken Kunden werben, muss sich erst herausstellen.

Die Systemfrage wurde natürlich in keinem der Vorträge der Konferenz gestellt. Dabei scheint der nächste Kollaps greifbar. Nach der Krise ist vor der Krise.

 


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