ERZIEHUNG: Kompetenzwahn?

Die Lehrergewerkschaft SEW spart nicht mit Kritik am Bildungsminister und seinen Ankündigungen.

„Vage Aussagen, gute Intentionen, wenig Konkretes“ – so resümierte SEW-Präsident Patrick Arendt die Ankündigungen Claude Meischs zum Schulbeginn.

„Einen natürlichen Zugang zur Sprache“ will Meisch den Kindern von Anfang bieten, und dazu sollen sie schon sehr früh mit ihr in Kontakt kommen. Dem Syndikat Erziehung und Wissenschaft fehlt es dabei aber an einem Gesamtkonzept. „Eine große gesellschaftliche Debatte“ zur Rolle und Bedeutung der einzelnen Sprachen will die Gewerkschaft ebenfalls anstoßen. Sprache sei auf keinen Fall nur Kommunikationsmittel, so Arendt, und dürfe auch nicht als solches gelehrt werden. Kultur und Literatur dürften beim Sprachenunterricht nicht zu kurz kommen. Der Bildungsminister wolle zweisprachige „crèches“, diese löbliche Absicht lasse sich aber nur sehr schwer in die Realität umsetzen. „Allein in der Stadt Luxemburg stehen 250 Kinder auf Wartelisten, viele Eltern schicken ihre Kinder in private Einrichtungen“, empört sich Patrick Arendt, „wie soll das funktionieren?“ Wahrscheinlich gehe es so wie mit der Alphabetisierung in zwei Sprachen, von der schon kaum noch jemand rede.

Eine „dramatische Situation“ und ein gesellschaftliches Problem offenbaren für die Lehrergewerkschaft die schlechten Resultate beim Übergang von der Primär- zur Sekundarschule. 17 Prozent der SechstklässlerInnen seien ins „modulaire“ orientiert worden. Schuld daran ist nach Arendts Überzeugung „die Tendenz, Kinder so schnell wie möglich durch die Grundschule zu schleusen“ und nicht mehr durchfallen zu lassen. Man müsse wieder „weg vom Kompetenzwahn“ und hin zu mehr Leistung: „Man muss bereit sein, sich anzustrengen, auch wenn es manchmal keinen Spaß macht.“ Insgesamt habe die Reform der Grundschule „nicht gegriffen“, so das SEW.

Die Ankündigung des Bildungsministers, den einzelnen Schulen mehr Autonomie zugestehen zu wollen, stößt bei der Lehrergewerkschaft auf wenig Gegenliebe: „Die Schulen sollen mit weniger Mitteln bessere Resultat erreichen“ stellt Patrick Arendt fest, „für die Probleme, die dadurch entstehen werden, sollen dann die Schulen verantwortlich gemacht werden.“ Wenn Schulen selber über ihr „Profil“ entscheiden könnten, müssten irgendwann auch die Eltern zwischen den Schulen entscheiden können. Das könne zu „Ghettoisierung“ führen und stelle eine „große Gefahr für die öffentliche Schule“ dar.

Weniger Mittel, bessere Resultate

Für die ebenfalls schlechten Resultate beim „concours d’admission“ für GrundschullehrerInnen ist laut SEW unter anderem die Reform der „fonction publique“ verantwortlich. Von 315 AnwärterInnen hatten nur 124 (60 Prozent) das Examen bestanden, weniger als je zuvor. „Dabei sind das fast alles Leute, die einige Wochen zuvor erst ein Studium abgeschlossen haben“ ärgert sich Patrick Arendt. Das Bildungsministerium könne so die Schaffung des Institut de formation de l’Education nationale rechtfertigen und auf diese Art das Kontingent an LehrerInnen abbauen. Die durchgefallenen AnwärterInnen würden trotzdem alle als „chargé de cours“ Unterricht erteilen und die gleiche Arbeit wie LehrerInnen machen. Aber weniger kosten würden sie, und das eingesparte Geld könne so wiederum in das Institut investiert werden.

Jules Barthel, Mitglied des SEW, erklärte die Position seiner Gewerkschaft zu einem Rundbrief Claude Meischs bezüglich religiöser Symbole in öffentlichen Schulen. Der hatte darin festgestellt, dass kein Gesetz SchülerInnen das Tragen religiöser Zeichen verbiete. Während Gesichts- oder Ganzkörperschleier verboten seien, gebe es gegen Kopftücher keine Einwände. Was auch zum Teil international als Beispiel für Toleranz und Integration wahrgenommen wurde, empört die Lehrergewerkschaft: „Diese Direktive bringt mehr Probleme, als sie lösen wird!“ warnte Barthel. Das Kopftuch sei ein klares Symbol für die Unterdrückung der Frau und der Rundbrief ein Schlag ins Gesicht für Tausende von ihnen, die unter Lebensgefahr für ihre Rechte kämpfen müssten.


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