KAPITALISMUS UND KLIMASCHUTZ: Verbockt!

Die Energiewende wird mit einem Schlag die Umwelt- wie die Wirtschaftskrise lösen. Ein Lügenmärchen.

People’s Climate March am 21. September in New York, für Naomi Klein die „Geburt einer neuen Klimabewegung“.
Foto: South Bend Voice CC-BY-SA 2.0

Alles wird gut. „Mit klimaverträglichen Investitionen können wir starkes und qualitativ hochwertiges Wachstum erzeugen“, versichert der Ökonom Nicolas Stern. „Better growth, better climate“, der Bericht einer unabhängigen Kommission von Wissenschaftlern, Politikern und Unternehmern, wurde vergangene Woche im Vorfeld des UN-Klimagipfels vorgestellt. Die Studie falle auf fruchtbaren Boden, schreibt die „Zeit“, und zitiert das deutsche Kommissionsmitglied Caio Koch-Weser: „Der angebliche Zielkonflikt zwischen Wirtschaftswachstum, Versorgungssicherheit und Klimaschutz entpuppt sich als Mythos.“

Das sieht Naomi Klein anders. Am selben Tag wie die Studie ist das neue Buch der Autorin von „No Logo“ und „Shock Doctrine“ erschienen. Darin erklärt sie unter anderem, warum es die Menschheit bisher nicht geschafft hat, die CO2-Emissionen zu senken, obwohl sie doch unbedingt den Klimawandel verhindern muss: „Weil die dafür erforderlichen Maßnahmen unvereinbar sind mit dem deregulierten Kapitalismus, mit der seit dem Beginn der Klimakrise herrschenden Ideologie.“ Zu glauben, man könne den Kapitalismus vergrünen und mit ein paar kleinen Anpassungen den Klimawandel verhindern und zum Business as usual zurückzukehren, sei genau so eine Selbsttäuschung, wie die Erderwärmung einfach abzuleugnen.

Handelt es sich hier um die Neuauflage einer alten Diskussion? Vor 1989 wurde in fortschrittlichen Kreisen häufig darüber gestritten, ob Kompromisse mit dem „System“ sinnvoll seien, oder ob man zuerst den Kapitalismus abschaffen müsse, wonach sich „Nebenwidersprüche“ wie die Umweltfrage von allein lösen würden. Für viele war das Engagement für ökologische Ideale daran gebunden, dass es mit den revolutionären Zielen zusammenpasste. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist das Pendel in die anderer Richtung ausgeschlagen: Umweltpolitische Konzepte werden heute meistens im Rahmen des bestehenden Systems entwickelt, das in einen grünen Kapitalismus überführt werden soll. Der Mainstream der Umweltbewegungen legt Wert darauf, dass alle Reformvorschläge – von der Wasserpreisgestaltung bis zum Emissionshandel – mit der liberalen Marktwirtschaft kompatibel sind.

„Der Kapitalismus hat versagt. Wir sollten ihm nicht weiter die Bekämpfung des Klimawandels überlassen.“

Ist Naomi Kleins Buch also nur ein Ausdruck linker Nostalgie? Ihre Botschaft richte sich vor allem an Personen, die normalerweise kein Buch über den Klimawandel lesen würden, sich aber für soziale Gerechtigkeit engagieren, so die Autorin gegenüber dem „Guardian“. In der Tat, bei den alten wie bei den neuen linken Bewegungen werden umweltpolitische Fragen häufig stiefmütterlich behandelt. Doch Klein predigt nicht wirklich für NostalgikerInnen. Ihre Kritik konzentriert sich auf konkrete Auswüchse des kapitalistischen Systems, stets stehen ihre Aufrufe, die Konfrontation zu wagen, im Dienste konkreter Reformen. Und die Graswurzelbewegungen für mehr soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz, auf die Klein setzt, passen nicht zur leninistischen Tradition linker NostalgikerInnen, die in Börsenkrachs und Klimawandel vor allem die prognostizierte Verschärfung der Klassengegensätze sehen.

Die wirklich interessante Botschaft in ihrem Buch „This Changes Everything“ wird diese Linke kaum beeindrucken. Sie lautet: Der Kapitalismus hat versagt. Wir sollten ihm nicht weiter eine so wichtige Aufgabe wie die der Bekämpfung des Klimawandels überlassen. Es geht der Autorin um eine adäquate Antwort auf die Frage, wie die Erderwärmung gestoppt und die notwendige Energiewende sozial gerecht finanziert und gestaltet werden kann. Dieses Problem geht sie frei von Dogmen an – weder Systemerhalt noch Systemwechsel um jeden Preis – führt uns aber die Realität vor Augen. Die Ablehnung des grünen Kapitalismus sei keine theoretische Frage, sagt Klein, sondern gründe auf der Bilanz von zwei Jahrzehnten. „Wir sind berechtigt zu sagen, OK, wir habens auf eure Art versucht, jetzt haben wir kein weiteres Jahrzehnt mehr zu verlieren.“


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