MALAGASY ORKESTRA: Lebendige Tradition aus Madagaskar

Eine recht selten gewordene Gelegenheit, weitgehend unbekannte Klänge der Welt live zu hören, bietet das CAPe in Ettelbrück mit einem Konzert von Ny Malagasy Orkestra am 19. Dezember.

Der madagassische Saitenvirtuose Justin Vali gründete vor einigen Jahren zusammen mit dem madagassischen Blues- und Folkmusiker Tao Ravao das Ny Malagasy Orkestra. Es vereint zehn traditionelle Musiker aller Regionen Madagaskars, durchweg Meister ihres Faches. Die drittgrößte Insel der Welt hat in ihren verschiedenen Regionen unterschiedliche Musikstile hervorgebracht, die zwar alle eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen, aber doch auch von einer großen Vielfalt geprägt sind. So ist die Musik im zentralen Hochland, um die Hauptstadt herum, oft von den großen Hira Gasy Orchestern beeinflusst, die eine Art von Musiktheater präsentieren. Im Norden und im Süden dagegen dominieren der Salegy und der Tsapiky, die von kleineren Ensembles vorgetragen werden und häufig vertrackte Rhythmen aufweisen.

Diese Vielfalt, aber auch die Einzigartigkeit der Kultur der Insel, spiegelt sich auch in den Instrumenten wieder. Justin Vali ist ein Experte für die Valiha, eine Röhrenzither aus einem Bambusrohr, das umlaufend mit Seiten bespannt ist und klanglich eine Ähnlichkeit mit der westafrikanischen Kora und der europäischen Harfe aufweist. Die instrumentelle Verwandte ist die Marovany, eine Kastenzither, die in verschieden Gegenden genutzt wird. Die madagassische Fiedel Lokanga hat im Süden ihren Schwerpunkt, wohingegen die Kabosy, die madagassische Gitarre oder Mandoline, im ganzen Land beliebt ist. Die Jejy Voatava, eine Stegzither, verwendet eine Kalebasse als Resonanzkörper. Neben ungewöhnlichen Perkussionsinstrumenten finden sich aber auch in vielen Teilen der Insel das Akkordeon und die Gitarre. Für das Konzert in Ettelbrück ist auch die ausgezeichnete Sängerin Talike Gellé angekündigt, die den Gesangsstil der Trockengebiete Südmadagaskars repräsentiert. Sie ist übrigens schon früher mit ihrem Vokaltrio Tiharea in Luxemburg aufgetreten.

Da Inseln durch ihre Entfernung von anderen Ländern kulturell eine gewisse Isolation aufweisen, bringen die Bewohner dort häufig ganz besondere Musikformen hervor und entwickeln Einflüsse auf spezielle Weise weiter. So auch in Madagaskar. Die Hochlandbewohner in Zentralmadagaskar stammen überwiegend von Einwanderern aus Südostasien ab (die Bambuszither gibt es noch in bestimmten Gebieten Indonesiens und Vietnams) und sind verwandt mit den Besiedlern der Südseeinseln. Deshalb weisen viele Melodien in Madagaskar durchaus Ähnlichkeiten zu denen in Ozeanien auf. Auch aus Afrika wanderten Menschen nach Madagaskar ein und brachten unter anderem ihre Rhythmen mit. Beide Einflüsse verschmolzen in Madagaskar zu einer einzigartigen Musikkultur, die überraschenderweise auch europäischen Ohren vertrauter klingt, als man vermuten würde.

Bereits 1995 veröffentlichte Justin Vali eine hochgelobte CD auf Peter Gabriels Label Real World. Madagassische Musik wurde für einige Jahre eine feste Größe auf den Bühnen in Europa und den USA, bis sie dann weitgehend in der Versenkung verschwand – zu Unrecht.

Nicht nur in Europa hat traditionelle Musik einen schweren Stand. Auch in Madagaskar, wie wohl überall auf der Welt, wird sie verdrängt von moderner Musik, erst recht von dem musikalischen Einheitsbrei, den die globalen Medien verbreiten. Immerhin war die madagassische Popmusik, sowohl was Rhythmus als auch Melodie betrifft, deutlich vom traditionellem Erbe beeinflusst. Ein Ziel vom Ny Malagasy Orkestra ist, die traditionellen Musikformen und Instrumente am Leben zu erhalten. Es tritt deshalb auch – in Madagaskar, wie in anderen Ländern – in Schulen auf. Ebenso versteht es sich als Talentschule, die junge Musiker fördern möchte, und auch als Institution, die traditionellen Musikern finanzielle Sicherheit bieten will. Wer von seiner Musik nicht leben kann, muss seinen Lebensunterhalt auf andere Weise sichern. Damit stirbt diese Musik.

Wer befürchtet, dass ihm bei Ny Malagasy Orkestra eine mumifizierte Museumskultur begegnet, irrt. Die Musik und ihre Musiker sind mitreißend und äußerst lebendig. Wer bereit ist, seine Ohren zu öffnen, wird hier eine musikalische Entdeckung auf höchstem Niveau machen.

Im CAPe Ettelbrück, am kommenden Freitag, dem 19. Dezember, 20 Uhr.


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