Die Debatte um das Referendum zeigt auch, wie wenig konsequent die Idee einer stärkeren Bürgerbeteiligung an wichtigen politischen Entscheidungen bislang umgesetzt wurde.
Es hätte eine Sternstunde des Luxemburger Parlamentarismus werden können: Für die Referendums-Debatte am Dienstag hatte das Chamber-Präsidium die Redezeit nach Modell 2 festgelegt und damit allen Gruppierungen davon etwas mehr als im Normalfall zugestanden. Das gab zwar den Rednern – Frauen kamen diesmal nicht zu Wort – die Gelegenheit, ihre bekannten Auffassungen etwas nuancenreicher darzulegen, doch nahmen nur die mandatierten Sprecher an der Debatte teil. Am Ende stand die Parteidisziplin dann doch über der Gewissensentscheidung der Einzelnen. Die – recht klassische – Frontlinie zwischen Rechts und Mitte-links blieb erhalten.
Zur Debatte stand dabei eigentlich nicht, wie die verschiedenen Abgeordneten die anstehenden Fragen zur Herabsetzung des Wahlalters, zum Ausländerwahlrecht und Begrenzung der Minister-Mandatsdauer beantworten würden, sondern vielmehr, ob sie bereit sind, diese den derzeit wahlberechtigten BürgerInnen vorzulegen.
Wohlgemerkt: in einer Befragung mit rein konsultativem Charakter. Wobei das wichtigste Element, die Kampagne die jetzt bis zum 7. Juni läuft, gar nicht erst angesprochen wurde. Die politische Klasse hat sich (und den mitstreitenden Initiativen) offiziell keinen Cent zugestanden, um der Debatte zum Referendum einen angemessenen Rahmen zu sichern.
Obwohl auch in den eigenen Reihen die Stellung zu den Referendumsfragen wie auch zum Prinzip des Referendums alles andere als einheitlich ist, hat die CSV sich doch geschlossen dagegengestellt. Sie fühle sich – so der Fraktionsvorsitzende Claude Wiseler – unter Druck gesetzt.
Tatsächlich sind die beiden Fragen nach einer Ausweitung des Wahlrechts – von Xavier Bettel in einen Schritt zu einem demokratischeren „Einwohnerwahlrecht“ umdeklariert – eine Art Befreiungsschlag einer Chamber-Mehrheit gegenüber der Sperrminorität CSV.
Eine Mehrheit für diese Ausweitung gab es aber auch schon vor der aktuellen Regierung, nur dass diesmal die LSAP von der Verpflichtung frei war, sich dem damaligen Koalitionspartner CSV gegenüber loyal zu verhalten und kein Referendum verlangen konnte. Überhaupt ist das Gesetzesvorhaben 6738 ja von Abgeordneten und nicht von der aktuellen Regierung eingebracht worden.
Wenn die CSV sich von einem möglichen positiven Ausgang des Referendums in einer oder allen Fragen unter Druck gesetzt fühlt, hat sie sich das selber zuzuschreiben: Ein Ja zur Referendums-Prozedur hätte es ihr erlaubt, die mehrheitliche Position der Partei in einer offenen Diskussion mit den nicht immer übereinstimmenden Unterstrukturen, Mitgliedern und Sympathisanten aktiv und transparent zu diskutieren – ohne ständig legitimieren zu müssen, weshalb eine solche Debatte eigentlich unerwünscht sei.
Die Absurdität der Sachlage ist aber nicht den Initiatoren des Referendums anzurechnen, sondern der derzeit geltenden Prozedur.
Einen vergleichbaren Umgang mit Fraktions- und Parteidisziplin hatte es in der Vergangenheit beim Abtreibungs- und dem Sterbehilfe-Dossier gegeben, wobei der Ausgang tatsächlich konträr zur Position der CSV als Gesamtpartei, aber sicherlich konform mit dem Willen der politischen Mehrheit im Lande war.
Sollte sich in der einen oder anderen Frage, eine Mehrheit für ein Ja beim Referendum ergeben, entstünde tatsächlich eine absurde Situation, da die zweite Hürde – das Votum im Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit – eine größeres Hindernis darstellt als die dritte Etappe, das endgültige Referendum zur Verfassung, das ja mit einfacher Mehrheit den von der Chamber zurückbehaltenen Entwurf annimmt beziehungsweise ablehnt.
Die Absurdität der Sachlage ist aber nicht den Initiatoren des Referendums anzurechnen, sondern der derzeit geltenden Prozedur: Die qualifizierte Mehrheit soll ja verhindern, dass das Parlament in wichtigen, vordefinierten Fragen knappe Entscheidungen an der Wählerschaft vorbei trifft. Doch jetzt könnte sie wie ein Filter funktionieren, der verhindert, dass gesellschaftlich wichtige Fragen den WählerInnen überhaupt zur endgültigen Entscheidung vorgelegt werden.