Europaschule: Heimspiel in Blau

Eine Schule für Differdingen – das ist die Vision des Bildungsministers, der auf einer öffentlichen Veranstaltung der DP-Sektion Differdingen, über die Köpfe des Schöffenrats hinweg? ’sein Projekt‘ promotete.

In eigener Sache …

Die Präsentation der neuen Europaschule in Differdingen am vergangenen Dienstag im Alten Stadthaus entpuppte sich dank des auf sein altes Feld zurückgekehrten Bildungsministers Claude Meisch, ehemaliger Bürgermeister der Südgemeinde, als eine Werbeveranstaltung der DP. „Wir brauchen ein Lyzeum, das für die Differdinger gut ist“ pries er unverhohlen das Projekt einer staatlich agreierten Europaschule gegenüber den Mitgliedern der lokalen DP-Fraktion an. Neun solcher Schulen gebe es bereits im Ausland. „Die Schule müsse näher bei den Leuten sein“, die neuen Pläne brächten auch „ein Stück Dezentralisierung vom schulischen Angebot“ mit sich, so der Minister. Unklar ist, wann und wie der Plan entstand, das ursprüngliche – noch von Delvaux-Stehres geplante Lyzeum – zu einer internationalen Schule auszubauen. Als er in das Ministerium hineinspazierte, habe er das Konzept bereits vorgefunden, erklärte Meisch. Bedarf scheint es vor Ort in jedem Fall zugeben, die Schülerzahlen sprechen für sich: 350 verlassen jährlich die Grundschule, doch nur gut zehn Prozent von ihnen erhalten eine Empfehlung fürs „lycée classique“.

„Ein einzigartiges Angebot in der Südregion“ (Claude Meisch)

Die neue Europaschule stellt nach Aussagen des Ministers „ein einzigartiges Angebot in der Südregion“ dar, rund 14.000 Schüler sollen hier einen Platz finden. Im Gegensatz zur bereits bestehenden Europaschule auf Kirchberg trage das breite Sprachenangebot der multikulturellen Realität der Stadt Rechnung, so Meisch. Lusophone Schüler könnten hier auch ihre Muttersprache als Drittsprache wählen. Der Schwerpunkt sollte jedoch auf Englisch und Französisch liegen, sodass als Abschluss der Baccalaureat Européen stehe. Wichtig ist Meisch aber auch, dass die Schüler hier Lëtzebuergesch lernen. Es soll als Pflichtfach im unteren Sekundarzyklus bestehen bleiben. Schließlich sprächen nicht mehr als 40 Prozent im Land überhaupt noch Luxemburgisch – in Differdingen sei die Zahl sicherlich noch niedriger. Rund 3.000 Schüler verließen bereits das Land, um das Angebot in der – vor allem belgischen Grenzregion in Anspruch zu nehmen. Doch gehe es keineswegs darum, den lokalen Strukturen Konkurrenz zu machen, so Meisch.

Der Bau einer solchen Schule bringt also, glaubt man dem Minister, nur Vorteile mit sich. „Ich denke, dass wir als Regierung auch da einen öffentlichen Auftrag haben,“ betonte Meisch. Doch spricht hier der Bildungsminister oder der ehemalige Bürgermeister? „Ist das die offizielle Regierungspolitik, Pläne über die Köpfe des Schöffenrats hinweg zu kommunizieren?“, fragte denn auch, ziemlich aufgebracht, der grüne Gemeinderat Fränz Schwachtgen. Weil die DP die Europaschule quasi als ihr Projekt präsentiere, habe er im Gemeinderat eine entsprechende Frage gestellt, zumal der Schöffenrat nicht besonders gut informiert sei. Da herrsche definitiv ein Mangel an Information, „Et fängt lo un, droleg ze ginn“, so der sichtlich erzürnte Fraktionsprecher der Differdinger Grünen, Schwachtgen, gegenüber der woxx. Aus seiner Sicht ist es politischer Vorwahlkampf, ein Projekt öffentlich zu präsentieren, das dem Gemeinderat und dem Schöffenrat noch nicht einmal vorgelegt wurde.“ Claude Meisch wisse genau, dass die Gemeinde die Schule im Grunde will. „Das ist eine heikle Angelegenheit, aber das Spiel ist durchschaut: Ganz klar, der Minister macht mit der DP eine Veranstaltung für die Bevölkerung und erklärt ihnen, wo sie dran sind, aber wir wissen nicht, wo wir dran sind“, empört sich Schwachtgen. Dass das Tageblatt eine Sonderausgabe zur Promotion der Europaschule in Differdingen herausgibt, wundert ihn nicht weiter. Doch sieht er es als Affront an, dass im Tageblatt* der Eindruck erweckt wird, dass das Projekt allein von Claude Meisch und der DP betrieben werde. „Ich jedenfalls weiß, von wem die Ideen für das Projekt seit über dreizehn Jahren ausgehen.“ Die DP brauche nicht so zu tun, als sei sie der alleinselig machende Polit-Faktor, der die Gemeinde Differdingen vorangebracht habe.

Die Gemeinde stelle sich auch zahlreiche Fragen, denn das Konzept der Europaschule sei noch reichlich vage. So sei unklar, welches Lehrpersonal dort eingesetzt werden könnte und ob am neuen Standort wirklich 50 Prozent Differdinger Schüler eingeschult werden oder am Ende nicht doch nur Kinder von Unternehmern angezogen werden sollen, um die vielbeschworene soziale Mixität zu erreichen. Auf ein Schreiben vom 9. Dezember des Schöffenrats ans Bildungsministerium, in dem unter anderem nach dieser 50-Prozent-Einschulung von Differdingern gefragt worden sei, habe man bis heute keine Antwort erhalten. Ferner scheinen auch die Besitzverhältnisse noch immer nicht geklärt, so Bürgermeister Traversini in der Gemeinderatssitzung vom 22. April. Die Gemeinde hat das von Arcelor-Mittal im Juni für rund 5,5 Millionen Euro verkaufte Bauland auf dem Plateau Funiculaire zur Verfügung gestellt bekommen. Sie hat die Grundstücke für 15.000 EUR pro Ar erworben, bekommt jedoch nur 10.000 EUR vom Staat erstattet. Da aber der Staat nun der Kommune das Terrain abkauft, um den Bau der Europaschule als staatliche Schule zu realisieren, dürfte die Kommune ein Verlustgeschäft von rund einer Million Euro machen. Doch müsste nicht, da die Kommune der Besitzer des Terrains ist, der Gemeinderat darüber entscheiden, was mit diesem geschieht? Wieso bewirbt die DP-Differdingen ein Projekt, dessen Kosten auf den Schultern der Gemeinde ruhen, als ihres?

Ist die Zukunft Differdingens blau?

Der Bildungsminister sieht sich zweifellos als Motor in der Sache. „Es wäre schade, bis 2020 zu warten“, daher gehe das Gesetzesprojekt noch im Sommer in die Chamber. Rund 71 Millionen Euro soll die Regierung dafür locker machen. Ihren Betrieb soll die Schule schon 2016 aufnehmen. Im Zweifelsfall in Containern, die bis 2020 auf das Terrain gesetzt werden. „Wir haben etwas Neues geschaffen: die Realität der Diversität der Schüler anzupassen“, so das Fazit seines Vortrags.

Meisch selbst hat durch seinen Wahlkampf-Auftritt in der Süd-Gemeinde jedenfalls bewiesen, wie er seine Realität als Minister kommunal opportun auf seine Gemeinde anpasst. Geht sein Plan auf, dann hat er mit der „innovativen“ Europaschule nicht nur sich selbst ein Denkmal gesetzt, sondern mit dem „sozialen Projekt“ zugleich die Weichen dafür gestellt, dass die Kommune bald wieder blau regiert wird.

*Schwachtgen bezieht sich auf den Mitte April im Tageblatt erschienenen Werbeartikel „Lycée de Differdange = Ecole internationale à Differdange – Innovant Concept adapté aux besoins des jeunes Differdangeois“.


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