Indie Pop: Der Untergrund lebt


Belle and Sebastian sind eine der am längsten bestehenden Indie-Pop-Gruppen der Welt – und vermögen immer noch zu begeistern und zu überraschen.

Immer noch gut: Die Folkrocker von Belle and Sebastian.

Belle and Sebastian ist schon ein kleines Wunder. Seit nunmehr zweiundzwanzig Jahren geistert die schottische Band in der Indie-Musikszene herum und beglückt ihre Fans zuverlässig im Zwei- bis Dreijahresrhythmus mit einem neuen Album. Zweiundzwanzig Jahre. In der schnelllebigen Musikwelt der letzten Jahrzehnte ist diese Statistik allein schon sehr beeindruckend. Elf Studioalben und drei Live-Alben kann die Band verbuchen. Bei ihrem neuesten Werk greift sie dabei auf ein altbewährtes Mittel zurück: Vor Monaten kündigte sie an, dass sie anstelle eines Albums im klassischen Format eine EP Trilogie veröffentlichen werde. Wie bereits in ihren Anfangsjahren macht es Belle and Sebastian einfach keinen Spaß, so zu sein wie die anderen Bands, weshalb sie stets auf der Suche nach einer Möglichkeit ist, sich ein bisschen abzugrenzen.

Belle and Sebastian ist auf eine sympathische Art besonders. Die beiden Gründungsmitglieder lernten sich während eines Sozialprogramms für Arbeitslose im Beatboxkurs kennen. Der Sänger Stuart Murdoch bezeichnet die Band daher als Produkt des verkorksten kapitalistischen Systems. Die Biographie der Band liest sich fast wie eine kleine Kurzgeschichte, weil auch die restlichen sechs Musiker im Laufe der jungen Bandgeschichte wie zufällig dazu stießen.

Zu Beginn ihrer Karriere war Belle and Sebastian pressescheu, wollte sich lieber auf ihre Musik konzentrieren als über sie zu reden. Mittlerweile hat sich das geändert, und die Musiker berichten nun bereitwilliger über das Geschehen auf und hinter der Bühne und die Arbeit im Studio. Murdoch erläuterte kürzlich in einem Interview, er habe zunehmend das Gefühl gehabt, dass Alben immer bedeutungsloser würden. Deshalb habe sich Belle and Sebastian für eine andere Form der Veröffentlichung entschieden.

Belle and Sebastian versetzt die Fans zurück in ihre Underground-Vergangenheit in den 1990er-Jahren. Die Form ist immer noch die gleiche – aber der Inhalt? Die Musiker sind nicht mehr die jungen Wilden von damals. Stuart Murdoch singt immer noch Songs über verwirrte Jugendliche, aber die sind nun seine Kinder. Die Themen sind ähnlich, doch die Perspektive hat sich geändert. Es geht nicht mehr so oft um die eigenen Probleme, sondern um das große Ganze. Daher vielleicht auch die ambitionierte Frage „How to Solve Our Human Problems“, was doch nach einer wesentlich anderen Ausgangslage klingt als der, in der das zweite Album „If You’re Feeling Sinister“ entstand.

Auch im Sound ist eine Veränderung spürbar. In vielerlei Hinsicht klingt das neueste Werk positiv und leicht. Die Lockerheit einer älter gewordenen Band schwingt durch. Öfter als auf den Platten der Anfangsjahre muss man beim Hören gelegentlich schmunzeln, weil die Musik so ausgelassen ist. Der Sound der neuen EPs, von denen bisher zwei veröffentlicht wurden, ist allerdings keine große Überraschung. Die letzten Alben sind stetig poppiger geworden, die raue Ästhetik musste einem weicheren, glatteren Sound weichen. Eine Entwicklung, die man bedauern kann, da die Ehrlichkeit der Anfänge für viele der Grund war, diese Band ins Herz zu schließen. Aber die Band wollte sich dieser Veränderung nicht verschließen, und man fühlt, dass sie nicht aufgezwungen, sondern bewusst selbst gewählt ist. Den neuen Belle and Sebastian Sound kann man kritisieren oder mögen, doch wirkt er nicht aufgesetzt. Mit den neuen Perspektiven scheint sich auch die Vorstellung der Musik verändert zu haben. Durchaus positiv an dieser Veränderung ist, wie abwechslungsreich sich die neuen Belle and Sebastian-Platten darstellen. Folksongs, instrumentale Lieder und der elektronischere Poptrack wechseln sich ab und ergeben eine nette Mischung. Und obwohl die sehr eingängigen Melodien einiger früheren Werke fehlen, ergibt sich doch ein schlüssiges Gesamtbild.

Am Sonntag treten Belle and Sebastian in der Rockhal auf und werden dort vermutlich auch den letzten Teil der EP-Trilogie live präsentieren. Einige Überraschungen sind also garantiert. Und nebenbei Aufschluss über die Frage, ob auch der Schlagzeuger der Band mit von der Partie sein wird. Den hatte sie nämlich vor ein paar Monaten auf der Fahrt zu einem Konzert an einer Raststätte in North Dakota vergessen. Hoffen wir also, dass sie es schaffen, vollzählig in Luxemburg anzukommen. Fingers crossed!

Am 11. Februar in der Rockhal.

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