Jugend in Luxemburg
: Keine Chancen
gleichheit


Ein in dieser Woche veröffentlichter nationaler Bericht zur Situation junger Menschen in Luxemburg befasst sich mit dem Übergang vom Jugendlichen- ins Erwachsenenalter – und weist auf erhebliche Ungleichheiten hin.


Hotel Mama for life? Junge Erwachsene ziehen im Schnitt später aus dem Elternhaus aus, als dies noch bei der Generation ihrer Eltern der Fall war. (Foto: Saint Jude/flickr)

Hotel Mama for life? Junge Erwachsene ziehen im Schnitt später aus dem Elternhaus aus, als dies noch bei der Generation ihrer Eltern der Fall war. (Foto: Saint Jude/flickr)

Jugendliche in Luxemburg bewältigen den Übergang ins Erwachsenenleben gut – wenn sie weiblich und ohne Migrationshintergrund sind, einen hohen Schulabschluss vorweisen können und über ein finanziell stabiles Elternhaus verfügen, in dem man ihnen in allen Belangen tatkräftig zur Seite steht. So lässt sich der zweite nationale Bericht zur Situation der Jugend in Luxemburg, der von der Forschungseinheit Inside im Auftrag des Jugend- und Erziehungsministeriums erarbeitet wurde, zusammenfassen.

„Übergänge vom Jugend- ins Erwachsenenalter“ ist der Report, der immerhin 427 Seiten umfasst, übertitelt. „War der erste Jugendbericht (2010, Anm. d. Red.) eher generell ausgelegt, so haben sich die Autoren bei diesem präziser auf einen bestimmten Themenbereich konzentriert“, so Minister Claude Meisch. Drei spezifischere Problembereiche aus dem immer noch recht breit gefächerten Thema der „Transition“ werden behandelt: Übergänge in die Arbeitswelt, private Übergänge, wie eigenständiges Wohnen, Partnerschaft und Familiengründung sowie politische Partizipation als Teil der Übergangsphase.

Vier Arten der Transitionsbewältigung hat das Forschungsteam um den Jugendsoziologen Professor Helmut Willems ausgemacht: Die „geradlinige Transition“, die „alternative Transition“, die „Transition mit Unterstützungsbedarf“ und die „gescheiterte Transition“. Zum Typ „geradlinige Transition“ heißt es: „Unterstützt durch ein Elternhaus mit entsprechendem Interesse am Werdegang der Jugendlichen und bestärkt durch eine positive schulische Laufbahn treffen sie (die Jugendlichen) selbstbestimmte Entscheidungen über ihren beruflichen Weg, den sie zielstrebig verfolgen“. Ein Migrationshintergrund werde von dieser Kategorie Jugendlicher eher als Bereicherung betrachtet. Gute sprachliche Kompetenzen und ein breites soziales Netzwerk seien ausschlaggebend für die als gelungen empfundene Integration.

Vier Arten der Transitionsbewältigung

Ähnlich sieht es bei Jugendlichen aus, die der Kategorie der „alternativen Transition“ zugeordnet werden. Einziger Unterschied: die längere Dauer der Übergangsphase. Es handele sich hierbei um Jugendliche, die „mit der großen Unterstützung ihrer Eltern über verschiedene Umwege und Suchphasen“ schließlich ebenfalls ihren Weg in die Erwachsenenwelt finden, erklärt Willems. Anders stelle sich die Lage für Jugendliche mit „Unterstützungsbedarf“ dar: Geringe bis nicht vorhandene elterliche Unterstützung und mehrheitlich niedrige Schulabschlüsse führten zu einem „wenig selbstbestimmten“ Übergang ins Erwachsenenleben, bei dem oft Alternativlosigkeit den Werdegang bestimmt.

„Das Wort ‘gescheitert’ ist uns nicht leichtgefallen“ erklärt Professor Willems bezüglich der Kategorie „gescheiterte Transition“ fast entschuldigend. Es handele sich bei den Angehörigen dieser Gruppe jedoch um „Jugendliche, die sich größtenteils selber schon aufgegeben haben“. Auffallend sei, dass alle Befragten, die der Gruppe zugerechnet werden, aus zerrütteten Familienverhältnissen und sogenannten „Multi-Problem-Familien“ kamen. Sprach- und Integrationsschwierigkeiten erschwerten Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus dieser Kategorie das Leben zusätzlich.

Portugiese? Pech gehabt!

In jedem der drei analysierten Themenbereiche zeigt der Bericht erhebliche Unterschiede zwischen luxemburgischen Jugendlichen und solchen mit Migrationshintergrund auf. So zum Beispiel im Bereich „Übergang in die Arbeitswelt“: Gelingt jungen Menschen in Luxemburg die Transition in den Arbeitsmarkt in der Regel etwas einfacher als ihren Altersgenossen aus anderen Ländern, so sehen sich Jugendliche mit niedrigem oder nicht vorhandenem Schulabschluss vergleichsweise größeren Schwierigkeiten ausgesetzt. In dieser Gruppe sind wiederum überdurchschnittlich viele junge Männer und junge Erwachsene mit direktem Migrationshintergrund vertreten. „Sie sind häufiger arbeitslos, oft von Beginn ihrer Berufskarriere an mit niedrigeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert, befinden sich öfter in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und sind stärker auf staatliche Unterstützungsmaßnahmen angewiesen“, heißt es im Bericht.

1357stoos„Maßgeblichen Einfluss auf die Bildungschancen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben in Luxemburg der Sprach- sowie Migrationshintergrund und die soziale Herkunft“, stellen die Autoren des nationalen Jugendberichts fest. Schüler mit Migrationshintergrund hätten durchschnittlich niedrigere Bildungsabschlüsse. Anzumerken sei dabei, dass zwar Jugendliche mit portugiesischer- oder einer Nicht-EU-Nationalität gegenüber luxemburgischen Jugendlichen deutlich benachteiligt seien, Jugendliche mit einer deutschen, französischen, belgischen oder einer anderen EU-Nationalität aber bessere Chancen als Luxemburger hätten.

Eine ähnliche Feststellung hatte bereits der „Bildungsbericht 2015“ getroffen: Kinder mit Migrationshintergrund sind mit Ungleichheiten im Bildungssystem konfrontiert, hieß es darin. Allerdings sei ein großer Teil dieser Ungleichheiten auf den sozio-ökonomischen Status des Elternhauses zurückzuführen. Auch für Professor Willems ist der größte Teil der Unterschiede zwischen luxemburgischen Jugendlichen und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf sozio-ökonomische Faktoren und den Bildungshintergrund des Elternhauses zurückzuführen. Allerdings sei dies bisher noch in keiner Studie systematisch untersucht worden.

Beim Blick auf den Untersuchungsbereich „Private Übergänge: Eigenständiges Wohnen, Partnerschaft, Familiengründung“ ergibt sich ein vergleichbares Bild: Lässt sich allgemein eine durch die durchschnittlich längere Dauer des Bildungswegs sowie einen tiefgreifenden Wandel sozialer Normen erklärbare „biografische Verschiebung“ nach hinten feststellen – junge Erwachsene ziehen später aus dem Elternhaus aus, als dies zum Beispiel noch bei der Elterngeneration der Fall war -, so macht auch hier ein eventuell vorhandener Migrationshintergrund einen Unterschied aus. Dies sei freilich „nicht in erster Linie auf kulturelle Differenzen“, sondern auf die unterschiedlichen Bildungswege und -niveaus zurückzuführen.

Ohne Finanzspritze nichts los

Erschwert wird der private Übergang ins Erwachsenenleben nicht zuletzt durch die exorbitanten Wohnkosten in Luxemburg, die zudem in den vergangenen Jahren noch deutlich angestiegen sind – auch darauf weist der Jugendbericht 2016 hin. „Bei denjenigen jungen Menschen, die den Übergang in eine eigenständige Wohnsituation schnell und problemlos bewältigen, handelt es sich überwiegend um Jugendliche und junge Erwachsene mit luxemburgischer Nationalität, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und somit über finanzielle Planungssicherheit verfügen“, heißt es dazu. Die Zahl derer, die den Zugang zu Wohnraum als problematisch wahrnehmen und dessen Bezahlbarkeit als schlecht einschätzen, sei mit 86, beziehungsweise fast 82 Prozent deutlich höher als im europäischen Durchschnitt. Die Realisierung des in Luxemburg auch bei Jugendlichen ausgeprägten Wunschs nach einer Eigentumswohnung setze meistens die finanzielle Unterstützung durch die Herkunftsfamilie voraus.

Nicht nur die Wohnsituation, sondern auch der Grad des gesellschaftlichen und politischen Engagements ist eng mit den Faktoren soziale Herkunft, Bildung und Migrationshintergrund verknüpft. „Engagierte Jugendliche“, so die Autoren des Jugendberichts, „weisen häufiger ein höheres Bildungsniveau auf, verfügen meist über ein höheres Einkommen und sind mehrheitlich zwischen 15 und 24 Jahren alt“. Der überwiegende Teil habe zudem die luxemburgische Nationalität, während besonders Jugendliche mit portugiesischer Nationalität stark unterrepräsentiert seien.

So zeichnet der zweite nationale Bericht zur Situation junger Menschen in Luxemburg ein eher düsteres Bild, was die Chancengleichheit betrifft. Wer Luxemburger ist und wohlhabende Eltern hat, dem stehen alle Türen offen. Wer Portugiese ist und aus einer Bauarbeiterfamilie stammt, muss eine ganze Reihe von Hindernissen überwinden, um den Übergang ins Erwachsenenleben erfolgreich zu bestehen. Erfreulich ist dabei lediglich, dass Claude Meisch nun eine „breite Konsultation aller Akteure“ und einen aus ihr hervorgehenden Aktionsplan „Jugend“ versprochen hat. Und dass Professor Willems versichert: „Was wir bisher an Analysen geliefert haben, ist nicht in irgendwelchen Schubladen verschwunden“.


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