Katalonien: Ein neues Konterfei für die Unabhängigkeit

Am kommenden Montag versucht das katalanische Regionalparlament einen separatistischen Präsidenten zu wählen: diesmal Jordi Sànchez statt Carles Puigdemont.

Jordi Sànchez soll am Montag zum Präsidenten Kataloniens gewählt werden. (Foto: Generalitat de Catalunya)

Es kam einem Ritterschlag gleich: Letzte Woche sicherte der im Exil verweilende Ex-Präsident Carles Puigdemont in einer 13-minütigen Videobotschaft seine volle Unterstützung für Jordi Sànchez als zukünftigen Präsidenten Kataloniens zu. Dieser klare Abschied Puigdemonts von einer mögliche Wiederaufnahme seines Postens, nach wochenlangem juristischen Hin- und Her, kam überraschend. Hatte er doch noch im Januar verkündet, lieber Neuwahlen auszurufen, als einen anderen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen.

Ende Januar war die Präsidentschaftswahl im Chaos um Puigdemonts ausstehenden Haftbefehl in Spanien auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Nun steht der 53-jährige Jordi Sànchez am kommenden Montag, 12. März im Regionalparlament als neuer und einziger Präsidentschaftskandidat zur Wahl.

Jordi Sànchez gab sein parteipolitisches Debüt bei den katalanischen Neuwahlen im Dezember 2017, als Nummer Zwei hinter Puigdemont in der separatistischen Allianz „Junts Per Catalunya“. Der Politologe, der seit über 30 Jahren als Aktivist auf der separatistischen Seite unterwegs ist, war davor das Gesicht der Zivilorganisation „Assemblea Nacional Catalana.“ Die Organisation, deren Hauptziel eine Unabhängigkeit Kataloniens ist, ist bekannt für ihre Kundgebungen und Demonstrationen, etwa zum katalanischen Nationalfeiertag im September. Eine dieser Aktionen wurde Sànchez zum Verhängnis: Er soll eine Menschenmasse gegen die spanische Polizei aufgehetzt haben, als diese versuchte, das Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017 zu unterbinden. Deswegen sitzt Sànchez nun zusammen mit Jordi Cuixart, Präsident der Zivilorganisation „Òmnium“, seit über vier Monaten in Madrid in Untersuchungshaft.

Zusammen mit den früheren Ministern Junqueras und Forn sind sie die von katalanischen Medien bezeichneten „politischen Häftlinge“. Die andauernde Inhaftierung und mehrmalige Ablehnung einer Entlassung zieht verschiedenste Solidaritätsbekundungen mit sich – besonders beliebt bei den Separatist*innen ist eine gelbe Schleife, die an der Kleidung befestigt werden kann. Der bekannte katalanische Fussballcoach Pep Guardiola nahm letzten Monat für das Tragen dieses verbotenen, weil „politischen“ Symbols eine Geldstrafe des englischen Fußballverbandes in Kauf. Kontrovers war eine Kunstausstellung zum Thema „politische Häftlinge“, die Jordi Sànchezs Gesicht zeigte, und von der zeitgenössischen Kunstmesse ARCO Ende Februar in Madrid zensiert wurde.

Politische Gefangene und Solidaritätsbekundungen

Sànchez’ Antrag auf eine Entlassung, um an der Parlamentssitzung teilzunehmen, wird erst am Montag entschieden. Die separatistische Partei Canditura d’Unitat Popular (CUP) will ihre Unterstützung für Sànchez nicht garantieren, da er in den Augen der antikonformistischen Partei keinen klaren Weg zur Republik Kataloniens vorgibt. Sànchez könnte auch ohne die Stimmen der CUP gewählt werden, dazu müssten aber zwei Abgeordnete (darunter Puigdemont) auf ihren Sitz im Parlament verzichten.

Der Präsident der Zentralregierung in Madrid, Mariano Rajoy, wünscht sich einen „sauberen Kandidaten“ ohne juristische Vorbelastung. Amnesty International nannte Sànchez andauernde Inhaftierung „eine exzessive und unverhältnismäßige Einschränkung seines Rechtes der Freiheit der Meinungsäußerung.“

Puigdemont wird sich auch ohne Präsidentenamt nicht von der politischen Bühne zurückziehen. Im September will er in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Olivier Mouton ein Buch zur aktuellen Situation Kataloniens veröffentlichen. Außerdem will er eine Stiftung namens „Rat der Republik” gründen, die als Exilregierung agieren könnte.


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