Klima-Anlagen-Wandel
: Draußen heiß, drinnen schön kühl


Im Zuge der Erderwärmung heizen sich Wohngebäude stärker auf, der thermische Komfort leidet darunter. Herkömmliche Klimatisierung ist häufig umweltschädlich. Doch es gibt bessere Kühltechniken, die mit Erdsonden arbeiten.

Glasfassade ohne Rafflamellen und mit Klimageräten. (Foto: Wikipedia / David Brazier / CC BY-SA 3.0)

Die Juni-Hitzewelle gibt einen Vorgeschmack auf die heißen Sommer, die uns in Europa bevorstehen, sollte nichts Entscheidendes gegen die Erd-
erwärmung getan werden. Die Zahl der Sommertage über 25 Grad Celsius nimmt zu, besonders in Tieflagen gibt es häufiger Tropennächte. Das heißt, die Temperatur sinkt dann auch nachts nicht unter 20 Grad Celsius.

Auch in den letzten Jahren war das Wetter häufig extrem heiß. Man erinnere sich an den Extremsommer 2003 mit mehreren Zehntausend Hitzetoten in Europa. Und im Sommer 2015 heizten sich die Wohnräume mancherorts bei knapp 40 Grad Außentemperatur so sehr auf, dass Ventilatoren und mobile Kleinkühlanlagen zum Verkaufsschlager wurden. Manche Händler meldeten sogar Engpässe. „Man sieht daran, wie die Behaglichkeitsansprüche der Bevölkerung den Energieverbrauch für die Kühlung stark ansteigen lassen werden“, sagt Gianrico Settembrini vom Institut für Gebäudetechnik und Energie (IGE) an der Hochschule Luzern.

Es fragt sich also, welche Technik in der wärmeren, teils heißen Zukunft für angenehme Innentemperaturen sorgen kann. Herkömmliche Klimatisierung verbraucht viel Strom, die chemischen Kältemittel verursachen Treibhausgasemissionen. So treibt Kühlung die Erderwärmung zusätzlich an – ein paradoxer Zusammenhang. Immerhin: In der ruandischen Hauptstadt Kigali einigten sich im Jahr 2016 Vertreter von mehr als 150 Staaten darauf, schrittweise immer weniger klimaschädliche Fluorkohlenwasserstoffe zu nutzen. FKW, der Ersatz für das ozonschädigende FCKW, kommt unter anderem in Klimaanlagen zum Einsatz.

Free cooling nutzt statt Kältemaschine die Kälte aus der Umgebung – und ist fast kostenlos.

Eine umwelt- und klimafreundlichere Alternative zu herkömmlichen Klimatisierungen gibt es auch schon. Sie heißt „Free cooling“ oder „Geo cooling“. Gemeint ist damit eine Kühlung von Gebäuden, deren Betrieb wenig oder überhaupt keine Energie verbraucht. Statt eine Kältemaschine zu installieren, nutzt man die Kälte aus der Umgebung. Free bedeutet hier also so viel wie kostenlos. Für Settembrini eine clevere technische Lösung. Damit es drinnen bei Hitze auch schön kühl bleibt, ist ein praktikables System erforderlich. Es besteht aus den drei Komponenten Erdwärmesonden, Bodenheizung und Wärmepumpen. Die Bodenheizung holt die Wärme in den Sommermonaten aus den Wohnräumen und gibt sie an den Erdboden ab. Dadurch können die an die Wärmepumpen gekoppelten Erdsonden regenerieren. „Das System führt ohne bedeutenden energetischen Mehraufwand zu einer sanften Kühlung der Wohnräume im Sommer“, erklärt Settembrini. Und im Winter arbeite es umso effizienter beim Wärmen der Innenräume.

In Zürich-Witikon in der Schweiz ist diese Theorie bereits in die Praxis umgesetzt. Dort steht ein Gebäude, in dem man ohne Klimaanlage auch bei 40 Grad Außentemperatur nicht so schnell ins Schwitzen kommt. Die Kühlung der Räume im Sommer läuft über thermisch aktivierte Decken, so genannte TABS, die auf allen Stockwerken in sämtlichen Räumen eingebaut sind. Wie bei einer Bodenheizung sind hier Heizungsschläuche eingegossen, aber nicht in den Unterlagsboden, sondern in den unteren Teil der Betondecke. Die Schläuche lassen sich nicht nur mit warmem, sondern auch mit kaltem Wasser befüllen. Wann das geschieht, entscheidet eine zentrale Steuerungseinheit, die die Anzeige des Außenthermometers, den Wetterbericht und die Austrittstemperatur der Lüftung berücksichtigt. In den Schläuchen wird kaltes Wasser erwärmt – so führt man Wärme aus dem Raum ab. Das erwärmte Wasser dient dann der Regeneration der Erdsonden.

Das Eastgate Centre in Harare mit seinen charakteristischen Schornsteinen. (Foto: Wikipedia / Raysonho @ Open Grid Scheduler / Grid Engine / PD)

Die Mitwirkung der 
Mieter besteht darin, 
die Rafflamellen bei 
direkter Sonnenein-
strahlung tagsüber herunterzulassen.

Schon drei Sommer haben die Bewohner in ihrem Haus erlebt. Welchen Effekt das System bei Hitze auf die Behaglichkeit gehabt hat? Die Kühlung ist laut Eigentümerfamilie zwar systembedingt limitiert, funktioniert in diesem Rahmen aber hervorragend. Die Effektivität hänge letztlich von der Mitwirkung der Mieter ab. Die Fassade hat Vollverglasung, da müssen Rafflamellen bei direkter Sonneneinstrahlung und besonders in den höheren Stockwerken tagsüber heruntergelassen werden, sonst übersteigt die eintretende Sonnenenergie schnell die maximale Kühlwirkung.

Beachtet man diese einfache Regel, werden im Sommer 23 bis 24 Grad konstant gehalten, versichern die Eigentümer. Auch in den Dachgeschosswohnungen stiegen bei längeren Hitzeperioden mit über 30 Grad Außentemperatur die Werte im Haus nie über 26 oder 27 Grad. Das sei ein sehr gutes Ergebnis. Einige Mieter hätten sogar um etwas höhere Innentemperaturen gebeten, da der Kühlungseffekt für ihren Geschmack zu stark war. Grundsätzlich entstehen den Bewohnern keine zusätzlichen Kosten für die Kühlung. Der Wasserdurchfluss durch das TABS-System verbraucht zwar ein wenig Strom für die Pumpe, aber das ist laut Eigentümern zu vernachlässigen. Außerdem produziert die Solaranlage auf dem Dach gerade an sonnigen Sommertagen viel Sonnenstrom – mehr als für die Kühlung verbraucht wird.

Ähnlich wie bei einem Termitenbau zirkuliert kühle Luft in einem System von Luftschächten.

Tausende Kilometer südlich von Zürich, in Simbabwes Hauptstadt Harare, steht auch ein Gebäude, das bei Hitze ohne Klimaanlage auskommt. In diesem Fall ist es ein Bürokomplex. In ihm gibt es, ähnlich wie bei einem Termitenbau, ein System von Luftschächten. Ventilatoren pumpen kühle Luft durch sie hindurch, die dann durch Schlitzöffnungen in den Fußleisten in die Räume gelangt. Im Laufe des Tages kann es dennoch in den Innenräumen wärmer werden. Dann läuft das Ganze andersherum. Die erwärmte Luft wird zu den Luftschächten gesogen, anschließend entweicht sie durch Schornsteine.

„Idealerweise überlässt man das Kühlen aber nicht der technischen Ausstattung, sondern bezieht es schon in den konzeptionellen architektonischen Entwurf mit ein“, betont Settembrini. Erforderlich sind ein effektiver Sonnenschutz und die richtige Dimensionierung und Verteilung der Fenster. Denn die haben einen hohen Wärmedurchgangskoeffizienten, so der Fachbegriff, und sind darum „thermische Schwachstellen“. Auch die Begrünung von Fassaden kann während einer Hitzeperiode etwas Linderung bringen. Je konsequenter die Architektur auf die erwartete Erwärmung eingestellt wird, desto geringer der Energie- und Finanzaufwand für die Gewährleistung angenehmer Raumtemperaturen. Gebäude sollten von Anfang an so geplant sein, dass sie nicht oder nur in geringem Maße von Kühltechnik abhängig sind. Settembrinis Grundsatz: Die effizienteste Kühlanlage ist die nicht notwendige Kühlanlage.


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