Kollaboration: Et geet net duer

Mit dem Artuso-Bericht ist der nationale Mythos von der luxemburgischen Resistenz auch öffentlich gebrochen. Während Kulturschaffende die in Frage gestellte Vergangenheit zu ihrem Thema machen, lässt es die Regierung jedoch an Schlussfolgerungen fehlen und bietet damit Raum für Abwehrmechanismen.

(Foto: Ricardo Vaz Palma)

(Foto: Ricardo Vaz Palma)

„Zuverlässigkeit, Dynamik und Offenheit“ schreibt sich die Luxemburger Regierung bei ihrem Nation Branding auf die Fahnen. Klar, dass die neue Werbebotschaft prompt durch den Kakao gezogen wurde, zu offensichtlich ist die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Verflogen ist die Aufbruchsstimmung nach Antritt der Regierung, positive Botschaften von Geschlossenheit sollen dies nun überdecken. Und die fortgesetzte konfliktträchtige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist nun mal kein Gewinnerthema. Dass die Ergebnisse des Artuso-Berichts nicht nur auf Wohlgefallen stoßen würden, war abzusehen. Wer sich ein wenig mit den Diskussionen im Täterland Deutschland beschäftigt hat, dem kommen die hiesigen Reaktionen ziemlich bekannt vor: der Vorwurf der Einseitigkeit und Voreingenommenheit oder die Diskreditierung via angeblicher wissenschaftlicher Fehler. Acht falsch beschriftete Bilder von weit über hundert waren etwa bei der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ vor fast 20 Jahren der Vorwand, um die Tatsache der systematischen Beteiligung der Wehrmacht am NS-Vernichtungskrieg abzustreiten. Die dritte Variante der Abwehr ist die vorgespielte Erschöpfung: Jetzt haben wir aber genug darüber geredet, es muss auch mal Schluss sein.

Auch in Luxemburg mehren sich nach der lang erwarteten öffentlichen Entschuldigung des Premiers bei der jüdischen Gemeinschaft die Stimmen, die die nationale Fassade nicht beschmutzt sehen wollen. Anlässlich der Premiere des Films „Eng nei Zäit“, der die ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht scheut, kommentierte nun eine landesweit bekannte Kultur-Redakteurin, es handele sich zwar um einen erfolgreichen Film, doch es sei nun an der Zeit, zu anderen Themen überzugehen.

Doch zumindest die Kultur füllt hierzulande eine Nische aus, setzt kritische Impulse. Die Theaterproduktionen von Künstlerkollektiven wie „Richtung 22“ und „ILL“, Lesungen im Kasemattentheater wie auch der Samsa-Film „Eng nei Zäit“ zeugen davon, dass Kunstschaffende mehr begriffen haben als die Politik und so manche(r) Medienschaffende. Nach zahlreichen Unterhaltungsfilmen, in denen Schwarz-Weiß gemalt wurde, geht es in dem Film, in dem die renommiertesten Schauspieler des Landes zur unterhaltsamen Auseinandersetzung mit der Geschichte einladen, nun zumindest darum, „Grautöne“ zu zeigen. Der Mythos einer Nation, die einst einig gegen die Besatzer Widerstand leistete, scheint gebrochen, und das auf wesentlich intelligentere Art als etwa durch Guido Knopps Historytainment.

„Auch in Luxemburg mehren sich die Stimmen, die die nationale Fassade nicht beschmutzt sehen wollen.“

Dass sich nun eine Reihe stolzer Lëtzebuerger regt, die sich wie Charles Barthel die Geschichte nicht madig machen lassen wollen und die altbekannten Vorwürfe aus dem Hut zaubern, wie den, dass der Bericht „schlecht recherchiert“ sei, ohne selbst eine kritische Perspektive auf die Lesart der Vergangenheit zu bieten, passt zu der Wahrnehmung der verstärkten Abwehr. Wahrheitsfindung ist ein fortdauernder Prozess. In Luxemburg hat dieser in den letzten Jahrzehnten dank couragierter Historiker und Medienschaffender eingesetzt, beendet ist er gewiss nicht.

Doch will die Regierung dem Anspruch des Nation Brandings gerecht werden, so muss sie nach der Entschuldigung, die nur zu gut ins öffentliche Bild einer modernen Nation passt, die Verantwortung übernimmt, auch konkrete Taten folgen lassen. Will Luxemburg mehr tun, als nur seine Fassade polieren, so muss es eine Archivkultur entwickeln, die Mittel für ein zeitgeschichtliches Institut zur Verfügung stellen und auch über Entschädigungen für Enteignungen reden. Denn eine öffentliche Demutsgeste ist eindrucksvoll und wichtig, doch haben die Opfer und Hinterbliebenen davon nichts.


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