Kryptowährungen
: Finanzsektor im digitalen Goldrausch

Seit dem rapiden Kursanstieg von Bitcoin sind Kryptowährungen in aller Munde. Der Hype macht auch vor Luxemburg nicht halt.

Finanzminister Pierre Gramegna mit Yuzo Kano, dem CEO 
von Bitflyer – einer weiteren 
Bitcoin-Börse, die es nach Luxemburg zieht. (Foto: MFIN)

„Wir sind glücklich, dass eines der erfolgreichsten japanischen Start-ups Luxemburg als seinen Europastandort ausgewählt hat. Das bestätigt, wie attraktiv unser Land für die Entwicklung von Fintech-Unternehmen ist“, freute sich Finanzminister Pierre Gramegna am vergangenen Dienstag. Auf seiner Japanreise hatte der Minister den CEO von Bitflyer getroffen – ein günstiger Moment, um die Zulassung durch die Finanzaufsichtsbehörde CSSF bekanntzugeben. Bitflyer ist eine virtuelle Börse, an der Kryptowährungen wie Bitcoin gehandelt werden. Die Firma richtet sich dezidiert an Professionelle, die mit den digitalen Währungen spekulieren wollen, und nicht etwa an ihre üblichen Nutzer*innen, die sie nur für den Kauf von Drogen im sogenannten „Darknet“ verwenden.

Personen, die tatsächlich mit Bitcoin bezahlen wollen, haben es seit dem Hype, der die Bitcoin-Welt seit einigen Monaten erfasst hat, ohnehin schwer. Die Spieleplattform Steam lässt zum Beispiel keine Zahlungen mehr zu, weil der Kurs zu volatil ist und die Transaktionskosten zu hoch geworden sind. Eigentlich ist es wenig überraschend, dass Bitcoin zum Spekulationsobjekt geworden ist – immerhin fußt die Technologie auf den marktradikalen Annahmen ihres „anarcho“-kapitalistischen Erfinders Satoshi Nakamoto, dem ein dezentrales Geldsystem ohne regulierende Zentralbanken ideal erschien. Ob die libertäre Utopie sich in Bitcoin realisiert, ist allerdings fraglich – immerhin gibt es rund 1.000 sogenannte „Whales“, die schätzungsweise 40 Prozent des gesamten Bitcoin-Volumens besitzen. Da es sich bei Bitcoin nicht um Aktien oder andere Wertpapiere handelt, sind Absprachen zwischen diesen Walen nicht einmal illegal – sie könnten die Kurse also beliebig manipulieren.

Der rasante Kursanstieg im vergangenen Dezember sorgte dafür, dass einige die in der Anfangszeit der Kryptowährung mit Bitcoin herumgespielt hatten, sich heute ärgern, das virtuelle Geld verschenkt (oder für Drogen ausgegeben) zu haben, statt es zu horten. Andere wiederum wären gerne in der Frühzeit dabei gewesen, als es noch möglich war, Bitcoins mit dem eigenen Computer zu „minen“, statt teure Spezialhardware einkaufen zu müssen. Das erklärt den aktuellen Hype um andere Kryptowährungen, und besonders um „ICO“. Hinter dem Kürzel versteckt sich die Bezeichnung „Initial Coin Offering“, und diese wird analog zum „Initial Public Offering“, also der Erstausgabe einer Aktie, verwendet. Dabei können Investor*innen vorab „Coins“ (manchmal auch „Token“ genannt) der neuen Währung kaufen, bevor diese auf den Markt kommen. Das implizite Versprechen: Wer früh zugreift, kann später enorme Profite einsacken, ohne viel dafür zu tun.

Fotos, Bananen, Cannabis …

So kündigte jüngst der Fotogigant Kodak den Kodakcoin an, der natürlich von einer eigenen Blockchain und einem ICO begleitet werden soll. Die Kryptowährung soll zur Bezahlung von Bildlizenzen genutzt werden. Kodak will mit seiner neuen Plattform auch Fotograf*innen bei der Wahrung ihrer Urheberrechte zur Seite stehen. Die Kodak-Aktie ist nach der Ankündigung um 130 Prozent in die Höhe geschnellt. Während die Pläne des Fotopioniers durchaus nach einer sinnvollen Anwendung klingen, gibt es viele Trittbrettfahrer*innen, die aus dem Hype Geld schlagen wollen, ohne dass sich recht erkennen lässt, was eigentlich das Produkt ist.

Digitales Bergwerk: Ein Bitcoin-Mining-Computer in Russland. (Foto: rebcenter-moscow/pixabay)

„DateCoin“ will beispielsweise eine russische Datingplattform mit einer neuen Kryptowährung verbinden und verspricht „the best girls all over the world“. Mit den Datecoins sollen Spezialfunktionen der Kennenlernplattform (die sich offenbar ausschließlich an heterosexuelle Männer wendet) freigeschaltet werden können. Der Bananacoin hingegen ist an den Kurs von Bio-Bananen aus Laos gekoppelt. Die Vorzüge der Blockchain – der Technologie hinter Kryptowährungen – nutzt das Start-up allerdings nicht. Die Technologie, ein kryptografisch gesichertes öffentliches Verzeichnis, ließe sich zum Beispiel dafür einsetzen, die Herkunft einer jeden Banane zu dokumentieren, was im Bio-Bereich eigentlich naheliegend wäre. Trotzdem will Bananacoin lediglich die finanziellen Transaktionen festhalten.

Coinfunding statt Crowdfunding

Der Messenger-Dienst Telegram will sogar den „größten ICO der Geschichte“ veranstalten und insgesamt 500 Millionen US-Dollar einsammeln. Die ausgegebenen Token sollen eine verschlüsselte Bezahlfunktion des Messengers ermöglichen. Ironischerweise bietet Telegram für seine Chat-Funktion bisher keine standardmäßige Verschlüsselung an. Auch die „Deutsche Cannabis AG“ will einen eigenen ICO starten und damit die Produktion von Cannabis in Kalifornien finanzieren. Im Bereich der Kryptowährungen scheint es also keine Idee zu geben, die absurd genug ist, um Menschen davon abzuhalten, in sie zu investieren.

Zahlreiche Start-ups verwenden ein ICO zu ihrer Selbstfinanzierung und setzen dabei auf eine Mischung von Crowdfunding und Kryptowährung-Hype. Es ist jedoch nicht immer leicht, seriöse Modelle von kriminellen Machenschaften zu unterscheiden. Das musste auch der Banker Pitt Arens feststellen, der kurzzeitig CEO von „OneCoin“ war – die vermeintliche Kryptowährung stellte sich als Pyramidensystem heraus, vor dem die CSSF in einer Stellungnahme gewarnt hatte. In Luxemburg ist das Interesse an dem Thema groß, wie zum Beispiel auch ein Whitepaper des Luxembourg House of Financial Technology, einer staatlich geförderten Einrichtung, die übrigens auch Sitz von Bitflyer werden wird, zeigt. In dem Papier werden die verschiedenen Arten von ICOs vorgestellt und ihre Vor- und Nachteile erklärt. Die grundsätzlichere Frage, warum jedes Start-up unbedingt eine eigene Kryptowährung braucht, um sich zu finanzieren, wird nicht erörtert. Wohl aber der Unterschied zwischen Tokens, die als Gutscheine für das spätere Produkt fungieren, und anderen, die Anteilsscheine darstellen. Die Broschüre stellt allerdings klar, dass die CSSF noch keine Stellungnahme zu ICOs oder Fonds, die auf virtuellen Währungen basieren, abgegeben hat. Außerdem müssten Firmen, die Kryptowährungen benutzen oder ausgeben, dafür eine Genehmigung von der Finanzaufsichtsbehörde einholen. In einigen Ländern, zum Beispiel den USA, Kanada, Singapur und Südkorea, gibt es bereits Regulierungen für ICOs.

(Foto: EPA-EFE/Jérôme Favre)

Verschlüsselt und verschlossen

Von dem Hype um Kryptowährungen und Blockchain profitiert in Luxemburg jedoch längst nicht nur Bitflyer. Schon länger im Großherzogtum tätig ist „Blockchain SA“, die hauptsächlich die Webseite Blockchain.info unterhält – und damit ein problemlos zugängliches Verzeichnis aller je getätigten Bitcoin-Transaktionen bereitstellt. Die Firma hat ihren Sitz offiziell in Luxemburg – über ein Büro scheint sie hier jedoch nicht zu verfügen. Jobs werden lediglich in New York, Japan und Indien angeboten. Auf unsere Anfrage vom letzten Freitag, dem 19. Januar, ob wir uns mit einem Mitglied der luxemburgischen Belegschaft unterhalten könnten, erhielten wir lediglich eine automatische Benachrichtigung, dass man über die Weihnachtsfeiertage nicht zu erreichen sei. Ebenfalls nicht sehr gesprächig war die Plattform Bitstamp, die genau wie Bitflyer ein Marktplatz für Kryptowährungen ist – wir erhielten keinerlei Antwort auf unsere Anfrage für ein Gespräch. Wieder könnte der Grund darin liegen, dass in Luxemburg einfach niemand für Bitstamp arbeitet – dass die Geschäftsadresse in einem anderen Zusammenhang in den „Offshore Leaks“ aufgetaucht ist, ist dafür zwar kein Beweis, allerdings auch kein sehr gutes Omen. Noch mysteriöser sind jene Firmen, die ganz klar im Bereich der Kryptowährungen arbeiten, aber betonen, keinerlei Tätigkeiten zu betreiben, die Genehmigungen der Finanzaufsichtsbehörde benötigen – was den Angaben des oben erwähnten Whitepapers widerspricht. So zum Beispiel die „First Coin Mining S.à.r.l.“, in deren Satzung als Gesellschaftszweck das „Zurverfügungstellen von Rechenleistung für digitale Anwendungen“ angegeben ist. Fest steht: Auch First Coin ist eine Kryptowährung, und der Name der Firma legt nahe, dass sie Rechenleistung zur Verfügung stellt, um Transaktionen zu beglaubigen und somit weitere First Coins zu erhalten. Die „Alantor Blockchain Investments S.A.“ gibt ebenfalls an, nicht unter die Autorität der CSSF zu fallen. Was sie genau macht, wollte man uns jedoch nicht verraten: „Wir stehen nicht für Kommentare zur Verfügung“, ließ uns Max Wolter, der Managing Director der jungen Firma, wissen.

Wieviel Substanz Bitflyer nach Luxemburg bringen wird, ist ungewiss. Weder in der Pressemitteilung der Regierung, noch in jener der Firma werden Arbeitsplätze oder Investitionssummen erwähnt. Die Frage, wieviele Bitcoin-Börsen der Finanzplatz braucht und wie innovativ solche Start-ups wirklich sind, bleibt vorerst unbeantwortet. Fest steht: Wer sein Geld in einer Kryptowährung oder gar einem ICO anlegen will, sollte sich gründlich informieren – oder vielleicht besser die Finger davon lassen, denn so schnell die Kurse steigen, so abrupt können sie auch wieder fallen.


Bitcoin, Blockchain und Co – die woxx geht in den kommenden Wochen dem Phänomen der Kryptowährungen weiter auf den Grund. In zwei Wochen werden wir uns genauer mit der Blockchain-Technologie beschäftigen und uns ansehen, welche Hoffnungen die Fondsindustrie auf sie setzt und was ihre schlimmsten Befürchtungen sind.


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