LSAP: Reden ist Silber

Parteiinterne Kritik? Die LSAP-Führung antwortet mit einer ergebnisoffenen Diskussion. Je nach Rahmen und Prämissen, läuft diese Gefahr ergebnislos zu bleiben.

1329n LSAP FragZ

Screenshot: www.lsap.lu

Drei „Troublemaker“ hatte man eingeladen, doch nur einer erschien – kein gutes Vorzeichen für die LSAP-interne Diskussion. Als Reaktion auf einen kritischen Brief von Parteimitgliedern (woxx 1328) hatte die Parteileitung kurzfristig für vergangenen Dienstag einen Generalrat einberufen. Nico Wennmacher musste allein dem unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden 100-köpfigen Gremium die Anliegen der Kritiker vortragen – Vera Spautz und Mike Hansen, ebenfalls eingeladen, waren verhindert.

Einer gegen 99? „Nicht ganz“, beschwichtigt Wennmacher im Gespräch mit der woxx. Ein paar Unterzeichner des Briefs seien im Saal gewesen. „Auch Nicolas Schmit hat unsere Position zu Griechenland unterstützt“, berichtet Wennmacher. Als Sozialdemokrat, habe der Minister gesagt, könne er die antisozialen Maßnahmen nicht gutheißen. Der ehemalige FNCTTFEL-Präsident fügt hinzu: „Wie kann sich die LSAP mit einem sozialen ‚Triple A‘ brüsten und zugleich den Abbau gewerkschaftlicher Rechte in Griechenland unterstützen?“

Was die Diskussion über die Freihandelsabkommen angeht, ist Wennmacher eher enttäuscht. Die Minister Jean Asselborn und Étienne Schneider sowie der Präsident der außenpolitischen Chamberkommission Marc Angel würden insbesondere TTIP weiterhin verteidigen. „Da ist noch viel Überzeugungsarbeit nötig“ stellt der Gewerkschaftler fest – die Kritik der Zivilgesellschaft an den Abkommen werde offenbar nicht wahrgenommen.

Dass die luxemburgische – wie die europäische – Sozialdemokratie an den umstrittenen Freihandelsabkommen festhält, ist schwer zu verstehen. Längst ist es den NGOs gelungen, anhand von Beispielen wie Chlorhähnchen und Wasserprivatisierung wenn schon nicht Ablehnung, so doch Misstrauen gegenüber TTIP zu erzeugen. Auch die Gewerkschaften fahren einen sehr kritischen Kurs. In Luxemburg lehnen sie im Rahmen der NGO-Plattform das Abkommen in seiner jetzigen Form ab. Berücksichtigt man, dass der grüne Europaabgeordnete Claude Turmes sich ebenfalls radikal gegen TTIP ausgesprochen hat, so dürfte es der LSAP eigentlich nicht schwerfallen, eine Änderung der Regierungsposition durchzusetzen – wenn ihre Führung es denn wirklich wollte.

Kein Wunder, dass die Liste der Unterzeichner des Briefs an die Parteispitze täglich länger wird. Die Initiatoren geben sich selber überrascht – zum Teil handelt es sich um Mitglieder, die spontan anbieten, die Forderungen zu unterstützen. 80 Personen klingt allerdings nach nicht viel – zu bedenken ist, dass sich die Kritiker bisher auf Mails an Bekannte beschränkt haben, statt eine parteiweite Rundmail zu verschicken oder online zu werben. Entwarnung kann die LSAP-Spitze aber nicht geben – dazu sind die Umfrageergebnisse zu katastrophal. „Wenn es so weitergeht, brauchen wir gar nicht mehr über eine Regierungsbeteiligung nach 2018 nachzudenken“, grummelt Wennmacher.

Macht oder Menschen?

Ob der von vielen Mitgliedern gewünschte Linksruck umsetzbar sei, darüber sinnierte Anfang der Woche Lucien Montebrusco im der LSAP nahestehenden Tageblatt. Mitregieren heiße sicherlich, Kröten schlucken zu müssen, aber, so Montebrusco: „Was hätte eine LSAP zu verlieren, ginge sie auf die Vorschläge ihrer internen Kritiker ein?“ Womöglich die Regierungsbeteiligung, glaubt der Journalist. Doch langfristig sei das wohl die bessere Lösung. „Man kann nicht immer nur nachgeben, und sich dadurch immer weiter von den Wünschen der Wählerschaft entfernen“, pflichtet Wennmacher dieser These bei. Was das für die Regierungsbeteiligung bedeutet, will der Kritiker von den anstehenden Reformen abhängig machen. Und: „Wenn die LSAP aufgrund ihrer Prinzipien eine andere Richtung einschlagen will, wird man sehen müssen, wie weit die Koalitionspartner bereit sind, darauf einzugehen.“

Entscheidend dürfte die Frage der Steuerreform werden, die zwar im Brief angesprochen wurde, aber nicht Thema des Generalrats war. Wennmacher befürchtet, dass auf eine auf mehr Gerechtigkeit abzielende große Reform verzichtet wird, und am Ende nur ein paar Steuergeschenke zwecks Besänftigung der Wählerschaft verteilt werden. Unklar bleibt, in welchem Rahmen LSAP-intern über dieses Thema diskutiert wird: auf einem Sonderkongress, wie von den Kritikern gefordert, bei Gelegenheit der Sommerakademie im September, oder in den von der Parteileitung angebotenen Gesprächen mit den Kritikern?


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