LUXEMBURG-STADT: Smooth Operation

Das blau-grüne Koalitionsabkommen findet in den eigenen Reihen nur Zustimmung.

Einstimmig haben am Mittwochabend die Mitglieder der Hauptstadt-Grünen dem in den letzten Wochen mit der DP vorbereiteten Koalitionsabkommen zugestimmt. Ebenfalls einstimmig und in geheimer Wahl wurden die Zentrumsabgeordneten Viviane Loschetter und François Bausch für die beiden Schöffenratsposten der Grünen bestimmt.

Auch auf Seiten der Liberalen zeigt man sich sehr zuversichtlich, das gemeinsam ausgehandelte Pensum in den kommenden Jahren ausführen zu können – der Gleichklang ist so stark, dass man die blau-grüne Feindschaft der vergangenen Jahre glatt vergessen könnte. Die „widernatürliche“ Koalition, die der geschasste erste Schöffe der CSV, Laurent Mosar, zu erkennen glaubte, ist in dem Papier nicht aufzufinden.

Hier wächst zusammen, was derzeit in der Stadt Luxemburg zusammengehört – so könnte man die Bilanz von beiden Seiten zusammenfassen. Zu grün sei das Abkommen nicht, kommentiert Schöffin Anne Brasseur den Text. „Beide Partner haben ihre Anliegen gleichermaßen eingebracht“, sagt Anne Brasseur und spricht von einer „formidablen Erfahrung“. Sie habe schon einige Koalitionsverhandlungen mitgemacht, doch noch nie sei der Umgang miteinander so „respektvoll“ gewesen, noch nie seien eigene Interessen derart hinangestellt worden.
Aus Feind wird Freund

Das gelte auch für die Ressortaufteilung, mit der die ehemalige Erziehungsministerin „sehr zufrieden“ ist. Es sei gut, dass die grüne Kollegin Viviane Loschetter den Bereich Schule übernehme. Da traditionell der Bürgermeister Präsident der Schulkommission ist, sei auf diese Art und Weise das politische Gleichgewicht in einem wichtigen Bereich gewährleistet. Den Verdacht, sie habe vor einer Zusammenarbeit mit der Bildungsministerin zurückgeschreckt, weist Brasseur von sich. „Mit der nationalen Politik müssen auch die Grünen zurechtkommen“, so der Kommentar der DP-Abgeordneten.

Das 15-seitige Koalitionsabkommen spannt einen weiten Bogen von der urbanen Entwicklung bis hin zur Gleichstellungspolitik. In manchen Punkten werden konkrete Neuerungen festgeschrieben, allerdings beschränkt man sich häufig auf die Anweisung, gewisse Ideenansätze zu studieren oder ihre Machbarkeit zu prüfen. Die vagen Formulierungen dürften die angekündigte „knallharte“ Opposition der CSV und die kritischen Stimmen innerhalb der LSAP auf den Plan rufen.

Der Tenor des Abkommens ist so gehalten, dass die Fehler der Vergangenheit nicht direkt angesprochen werden. Das ist verständlich, denn der Seniorpartner DP kann sich ja selbst keine schlechte Zensur ausstellen. Etwas komplizierter ist die Sache für die Grünen: So manch harte Kritik der letzten 18 Jahre musste zumindest im Tonfall zurückgeschraubt werden. Erwähnt werden jetzt vor allem die Reformansätze, die das vorliegende Abkommen enthält.

Am weitesten voneinander entfernt waren DP und Grüne zu Wahlkampfzeiten zweifellos in der Frage der Sicherheit. Eine Distanz, die sich auch aus dem Koalitionstext herauslesen lässt, denn das Kapitel Sicherheit zeigt weitaus weniger Kohärenz als der Rest des Abkommens. „Prävention hat Priorität“, sagt François Bausch und betont, dass die Grünen dem Thema Sicherheit nach wie vor keinen besonders hohen Stellenwert einräumen. Dennoch: Die zumindest probeweise installierten Videokameras zur Überwachung bestimmter „Brennpunkte“ mussten Déi Gréng schlucken. Auch, dass die Polizeipräsenz in der Stadt erhöht werden soll. „Diese Maßnahme wird von den Parteimitgliedern insgesamt positiv bewertet“, beschreibt die Gemeinderätin Fabiana Bartolozzi die Diskussionen innerhalb von „Déi Gréng Stad“ vom Donnerstag Abend. „Die Polizisten könnten ja mehr zu Fuß oder auf dem Fahrrad patrouillieren.“

Insgesamt habe man in den Koalitionsverhandlungen nicht über das Thema Sicherheit streiten müssen, erklärt Anne Brasseur. Auch der notwendigen Aufstockung des Polizeipersonals hätten die Grünen problemlos zugestimmt. Das sieht François Bausch anders. „Es wurden keine Zahlen im Abkommen festgehalten“, so der Abgeordnete. Tatsächlich wird dies im Text elegant umschifft: Der Hinweis, die aufgezählten Maßnahmen seien „vraisemblablement pas réalisables sans un accroissement significatif du nombre de policiers à disposition de la Direction Régionale du Centre“, ist im Text in Klammern beigefügt.

Ebenso spannend wie die Frage, was im Koalitionsvertrag steht, ist jene nach den Bereichen, die außen vor gelassen wurde. „Unter anderem die Frage der Nordumgehung der Hauptstadt haben wir im Vorfeld geklärt. Hier wird die Koalition unisono auftreten, sonst hätte es keine grüne Koalitionsbeteiligung gegeben“, erklärt Viviane Loschetter. Die beiden Wermutstropfen Kameraüberwachung und Ausbau des Parkraumes sieht die künftige Umweltschöffin gelassen: „Erst warten wir einmal die diesbezüglichen Studien ab. Und ob der Staat in Sachen Videoüberwachung überhaupt an uns herantritt, ist ebenfalls noch unklar.“

Andersherum sind grüne Wünsche, wie die Schaffung von autofreien „cités“ zwar nur als Pilotprojekt vorgesehen, doch versprechen sich die Grünen davon eine Signalwirkung, die beim Koalitionspartner auf größere Akzeptanz stoßen wird.

Auch die grüne Kritik am Valorlux Müllsammelmodell bleibt zunächst ausgeklammert. „Aus pädagogischen Gründen wäre es zurzeit nicht möglich, die Mülltrennung in Frage zu stellen, außerdem ist die Stadt durch Verträge an Valorlux gebunden“, meint Viviane Loschetter. Ihre Prioritätenliste in Sachen Abfälle setzt in anderen Bereichen an: Seit Jahren herrscht Totenstille hinsichtlich eines überregionalen Konzeptes zur Kompostierung von Bioabfällen. Hier sollen die Verhandlungen mit den Nachbargemeinden endlich vorangetrieben werden, um sich auf einen Standort für die Kompostierung zu einigen.
Keine Berührungsängste

Die Gefahr eines Kompetenzgerangels mit der für die technischen Dienste zuständigen DP-Schöffin Anne Brasseur sieht Viviane Loschetter kaum. Die Arbeitsteilung sei zum Teil auch klarer als vorher, wo die zuständigen Schöffen aus der gleichen Partei kamen und es trotzdem zu Abstimmungsproblemen gekommen sei. „Die Umweltschöffin ist für die Konzeptualisierung zuständig, die, wenn sie denn einmal vom Schöffen- beziehungsweise Gemeinderat abgesegnet wurde, von den Dienststellen ausgeführt wird“, meint Viviane Loschetter. Als Beispiel nennt sie das Vorhaben, eine Reihe von Quellen auf dem Stadtgebiet wieder so zu gestalten, dass sie zur Wassergewinnung genutzt werden können. Das Umweltressort arbeitet hierzu ein Konzept aus. Sind die Voraussetzungen erfüllt, übernimmt das Wasseramt.

Viviane Loschetter wird auch die Verantwortung für zwei neu einzusetzende Delegierte mit horizontaler Kompetenz tragen: Der oder die Umweltdelegierte sowie der oder die Gleichstellungsbeauftragte werden so direkt dem Schöffenrat unterstellt und sind damit von den einzelnen Dienststellen unabhängig. Bislang gab es eine solche Lösung nur im Falle des Sicherheitsbeauftragten der Stadt.

Immerhin kommt beiden Koalitionspartnern zupass, dass es auch innerhalb der DP vor über sechs Jahren zu einem Wechsel der Personen, aber auch der politischen Schwerpunktsetzung gekommen ist. Diese wurde von den Wählerinnen und Wählern im Oktober honoriert. Wenn dann an manchen Stellen im Text von der erfolgreichen Politik der letzten Jahre die Rede ist, kann jeder oder jede für sich bestimmen, ob damit nur die Amtszeit von Bürgermeister Helminger oder aber die 36-jährige DP-CSV-Dominanz als Ganzes gemeint ist. Dies gilt insbesondere für den Bereich Stadtentwicklung, der zwar weiterhin der Verantwortung des Bügermeisters unterliegt, aber ebenfalls einen sichtbaren grünen Anstrich erfährt.

Zum einen wird, wie Paul Helminger selber betont, die Bürgerbeteiligung in diesem Bereich groß geschrieben. Die Idee von Stadteilbeiräten ist so neu, dass es nicht einmal eine luxemburgische, geschweige denn französische Übersetzung dafür gibt. Carlo Back, frisch gewähltes grünes Gemeinderatsmitglied sieht hier eine große Verantwortung für die neue Koalition: Der Informationsfluss von der Stadtverwaltung hin zu BürgerInnen und umgekehrt lässt in vielen Fällen zu wünschen übrig. Und auch der Anspruch auf größere Transparenz, etwa im Bereich der beratenden Kommissionen, fordert gerade den Mehrheits-Conseillers einiges ab.

Das knappste, aber nicht unwichtigste Kapitel im Koalitionsabkommen betrifft die Finanzen. Zwar wird von allen Seiten die Finanzsituation der Stadt, die keine nennenswerte Verschuldung aufweist, als gesund betrachtet. Doch haben die zuständigen Dienststellen vorgerechnet, dass sich in den nächsten fünf Jahren der finanzielle Rahmen für Vorhaben, die über das Tagesgeschäft hinausgehen, auf etwa 220 Millionen Euro beziffert. Für die Koalitionäre steht damit fest, dass nicht alles, was vorgeschlagen wurde, auch realisiert werden kann. Der erste gemeinsame Haushalt wird übrigens erst im Januar in Angriff genommen – auch wenn der neue Schöffenrat, wenn alles klappt, bereits am Vorabend von Sankt-Nikolaus seine politische Grundsatzerklärung abgeben wird.

Die Personalfrage sorgte Grünen-intern kaum für Diskussionsstoff. Nicht nur, dass die beiden Schöffen einstimmig gewählt wurden. „Unter den Gewählten waren wir uns sofort einig, dass die beiden Erstgewählten auch Schöffen werden sollen“, sagt Fabiana Bartolozzi und verweist auf den „Erfahrungsvorsprung“. Innerhalb der grünen Fraktion im Parlament scheint damit die Ämteranhäufung zur Normalität zu werden. „Der Erfolg hat uns quasi dazu gezwungen“, erklärt François Bausch. Den Posten des Fraktionspräsidenten hätte er seinen eigenen Angaben nach gerne abgegeben – doch die KollegInnen, die in Frage kamen, seien selbst in ihren Gemeinden auf einen verantwortungsvollen Posten gewählt worden.

Richard Graf, Danièle Weber


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