Naturschutz: Was kostet die Eiche?

Die Zerstörung von Ökosystemen soll vereinfacht, aber auch besser kompensiert werden, so das Highlight des neuen Naturschutzgesetzes.

Natur ist eine Ware, oder? (Foto: Tom Oates, Rhodos 2008 / CC-BY-SA 3.0)

Natur ist eine Ware, oder? (Foto: Tom Oates, Rhodos 2008 / CC-BY-SA 3.0)

„Wusstest du, dass jeder menschliche Eingriff in die Natur, wie zum Beispiel das Fällen eines Baums, beträchtliche Folgen für andere Organismen hat? Am Ende des Tages wirst du verstehen, wie wichtig es ist, alle Tiere und alle Pflanzen unseres Ökosystems zu schützen.“ So steht es in der Beschreibung von „Der Abenteuerwald“, einer pädagogischen Aktivität der Stadt Luxemburg. Das ist die ganzheitliche Sicht auf den Naturschutz. Die technokratische könnte so klingen: „Eine Buche ist 15 Ökopunkte wert, eine Eiche 25. Hinzu kommt der Einfluss aufs Ökosystem. Insgesamt müssen Sie, lieber Bauherr, 1.535 Punkte kompensieren, das macht soundsoviel Euro. Und damit wäre Ihr Projekt auch genehmigt.“

Die Schaffung eines staatlichen Pools von Kompensationsmaßnahmen und eines Punktesystems für ökologische Schäden bei Bauvorhaben ist das Highlight des Entwurfs für ein neues Naturschutzgesetz, den Camille Gira am vergangenen Dienstag vorstellte. Der Umweltstaatssekretär unterstrich, dies bringe eine große Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation: Derzeit sind die Bauherren bei jedem Projekt selber für Kompensationsmaßnahmen zuständig. „Es darf keine solchen ‚never-ending stories‘ wie bei den Ausgleichsmaßnahmen für die Nordstraße mehr geben“, so Gira. Dabei solle grundsätzlich versucht werden, Umweltschäden zu vermeiden oder gegebenenfalls zu minimieren. Die Kompensation auf Basis des Punktesystems sei nur das letzte Mittel.

Auf Nachfrage der woxx präzisierte Gira, dass das Punktesystem keine beliebigen Äquivalenzen zulasse. Je nach betroffenen Arten und je nach geographischer Lage solle die Kompensation durch den gleichen Typ von Ökosystem erfolgen. „Es kann nicht sein, dass wir um die Hauptstadt herum alles zerstören und dafür im Ösling kompensieren“, so der Staatssekretär. Allerdings würde diese Äquivalenz-Regel während einer Übergangszeit von acht Jahren noch flexibel gehandhabt.

Bauherren-Anreiz

Dass das Punktesystem im Detail durchaus gut durchdacht erscheint, ändert nichts daran, dass es die Natur gewissermaßen zur Ware macht. Camille Gira, der sicherlich zu den Fundis innerhalb von Déi Gréng gehört, wenn es um Umweltschutz und Nachhaltigkeit geht, hängt in Wirtschaftsfragen einer blinden Marktgläubigkeit an. Seinerzeit war er überzeugt, die Erhöhung des Wasserpreises werde alle Probleme des Grundwasser- und Gewässerschutzes lösen – nichts davon ist eingetreten. Dennoch gibt er sich auch jetzt zuversichtlich: „Diese Monetisierung wird einen Anreiz für die Bauherren schaffen, möglichst wenig zu zerstören.“

Doch wie das Punktesystem in der Praxis angewendet wird, darüber entscheiden Giras Amtsnachfolger. Hinzu kommt: Die andauernde katastrophale Situation auf dem Wohnungsmarkt dürfte in der Forderung münden, Anreize für Bauherren zu schaffen, einfach nur möglichst viel Wohnraum zu schaffen – ohne Rücksicht auf die Naturzerstörung.


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