Öffentlicher Transport
: Schlau 
im Stau


Die zweite Phase der Umstellung der RGTR-Buslinien auf „Echtzeit“ beginnt in etwas mehr als zwei Wochen.

Seit dieser Woche bereichert der Nordstadbus das RGTR-Angebot. Der neue innerstädtische Busdienst wird ebenfalls ab dem 19. Mai in Echtzeit betrieben – hoffentlich ohne Kinderkrankheiten. (Foto: MDDI)

Wenn am 19. Juni die Fahrpläne von 84 weiteren Buslinien, die im Netz des Régime général des transports routiers (RGTR) fahren, auf „Echtzeit“ umgestellt werden, bedeutet das eine für Luxemburger Verhältnisse echte Revolution. Quasi über Nacht wird dann ein großer Teil der Überlandbusse im Westen und im Umfeld der Hauptstadt wesentlich pünktlicher zirkulieren, als dies bisher der Fall sein konnte. Dies ist allerdings nicht irgendeiner modernen Technologie zu verdanken, sondern der simplen Tatsache, dass mit dem 19. Juni auch neue Fahrpläne in Kraft treten. Sie werden der (traurigen) Realität der Fahrzeiten besser Rechnung tragen, weil ab dann zwischen Zeiten mit schwachen Verkehrsaufkommen und Spitzenstunden unterschieden wird.

Schon vor Jahren war das Gros der Luxemburger Buslinien auf sogenannte Taktzeiten umgestellt worden. Ziel war es, den NutzerInnen den Vorteil zu bieten, dass ihre Busse stündlich oder halbstündlich zur gleichen Minute an den einzelnen Haltestellen ankamen. StammkundInnen sollten damit sozusagen ohne Blick auf den Fahrplan oder kompliziertes Auswendiglernen wissen, wann sie mit einem Bus zu rechnen hatten.

Die Theorie klang gut, aber die Praxis war eine andere: Gerade in den Spitzenstunden brauchten die Busse einer bestimmten Linie einfach viel länger für ihre Strecke; infolgedessen waren gerade dann, wenn die meisten Fahrgäste unterwegs waren, massive Verspätungen die Regel. Umgekehrt mussten außerhalb der Spitzenstunden Kunstpausen eingelegt werden, damit ein Bus nicht zu früh an wichtigen Haltestellen wieder wegfuhr. Die Fahrzeiten im Fahrplan basierten in der Regel auf einem Mittelwert, der keinem der beiden Extremszenarien gerecht wurde.

Die Umstellung auf Echtzeit bedeutet also Abschied nehmen von einprägsamen Abfahrtszeiten. Dies soll allerdings durch mehr Information ausgeglichen werden: Für die betroffenen Linien werden die tatsächlichen Abfahrtszeiten der Busse jetzt an wichtigen Haltestellen durch Anzeigetafeln minutengenau angegeben.

Wer ein Smartphone mit einem Datenabo besitzt, kann sich diese Informationen auch jederzeit auf sein Display holen und ist damit vom Grad der Ausstattung „seiner“ Bushaltestelle unabhängig. Zu Hause lassen sich die Fahrzeiten der Busse unter mobiliteit.lu leicht überprüfen. In den Bussen zeigen Anzeigetafeln an, mit welcher Ankunftszeit an welcher Bushaltestelle zu rechnen ist. Auch kann den Fahrgästen akustisch der bestehende (oder eventuell verpasste) Anschluss zu einer anderen Linie mitgeteilt werden, bevor der entsprechende Halt angefahren wird.

Verspätungen vorhersehen

Das System gestattet außerdem den Betreibern eine bessere Auswertung des gesamten Liniennetzwerkes. Wenn bestimmte Verspätungen sich regelmäßig wiederholen, kann dies zum Beispiel durch eine Fahrplananpassung oder durch gezielte Maßnahmen auf der Strecke, etwa die Anlage zusätzlicher Busspuren, ausgeglichen werden.

Nach einen ersten Ausbaustufe, die am 27. Februar dieses Jahres stattgefunden hat, werden ab dem 19. Juni 165 der insgesamt 303 RGTR-Linien auf Echtzeit umgestellt sein. Eine letzte Stufe, die dann alle Busse umfassen soll, wird im Dezember folgen – zu dem Zeitpunkt also, wo die erste Tramlinie in der Hauptstadt in Betrieb gehen und es besonders auf Kirchberg zu umfassenden Umstellungen bei den Bussen kommen wird.

Auch wenn ab dem 19. Juni die Fahrpläne etwas realistischer eingerichtet sind, ist natürlich nicht damit zu rechnen, dass es zu keinen Verspätungen mehr kommen wird. Allerdings dürften sie weniger drastisch ausfallen.

Die berüchtigte Linie 215 zum Beispiel, die Bascharage mit dem Kirchberg verband, wies regelmäßig Verspätungen auf, die 50 Prozent und mehr ihrer Gesamtlaufzeit ausmachen konnten. Deshalb hat man sie schon im Februar an die Realität angepasst. Allerdings tat man dabei wohl etwas zu viel des Guten: Wegen der Tram-Baustelle auf der Grand-Duchesse-Charlotte-Brücke wurde die Linie verkürzt und führt seitdem nur noch bis zur Charlys-Gare im Stadtpark. BusnutzerInnen, die zum Kirchberg wollen, müssen seither mit einem der Eurobusse ab dem Halt Royal-Hamilius weiterfahren. Sie kommen zwar „pünktlicher“ ans Ziel, insgesamt nimmt ihre Fahrzeit aber gegenüber dem alten Linienverlauf – Verspätung eingerechnet – zu.

Alex Kies, der im Ministerium für Nachhaltigkeit für das RGTR-System verantwortlich ist, spricht zwar insgesamt von positiven Rückmeldungen seit der ersten Umstellungsphase. Aber es gibt bei manchen KundInnen auch das Gefühl zwar pünktlicher, aber bisweilen etwas „gemütlicher“ unterwegs zu sein.

Anders als im Februar werden diesmal keine Linien von einem Tag auf den anderen gekappt. Das Angebot wird sogar „angepasst“, um einige der negativen Folgen aus der ersten Phase zu kompensieren. So hatten sich zum Beispiel Anwohner aus Merl beschwert, weil sie nicht mehr direkt mit dem Kirchberg verbunden waren.

Das Ministerium verspricht diesmal eine „noch bessere“ Kommunikation mit den Fahrgästen. Man fragt sich allerdings, ob die für die Übergangszeit zugesagte Postierung einiger „Hostessen“ mit Faltblättern an den wichtigen Haltestellen dafür ausreicht.

Verwirrung vermeiden

In der Hauptstadt, wo es ein solches Busleitsystem schon seit mehreren Jahren gibt, sind die Erfahrungen eher gemischt: Anfangs hatte man es mit dem Problem zu tun, dass zu wenige Busse mit dem auf GPS-Signalen basierenden System ausgestattet waren und auf den Anzeigetafeln ein Wirrwarr von „Echtzeit“-Abfahrten und den theoretisch-fahrplanmäßigen herrschte.

Da konnte es schon mal passieren, dass der gewünschte Bus vom Display als „abgefahren“ verschwand, obwohl er noch gar nicht an der Haltestelle angekommen war. Oder es wurde die Ankunft von Bussen ausgewiesen, obwohl diese in dem Moment, wo man sich noch hoffnungsvoll auf die Haltestelle zubewegte, schon abgefahren waren. Nach dem Motto „wer dreimal lügt, dem glaubt man nicht“, hatten nicht wenige NutzerInnen es bald aufgegeben, sich mit dem System anzufreunden.

Auch als es später hieß, das Busleitsystem werde auf das ganze Land ausgeweitet, wurde die Sache nicht unbedingt besser. Die Planungen dazu hatten schon unter der Vorgängerregierung begonnen. Zwar sollte auf jeden Fall eine Kompatibilität mit dem System in Luxemburg Stadt sichergestellt werden, doch wegen des Umfangs der RGTR-Netzwerks mit rund 1.400 Bussen musste der Auftrag europaweit ausgeschrieben werden. Den Zuschlag erhielt 2012 die Karlsruher Gesellschaft Init, die weltweit etwa 400 Projekte betreut.

Als sich die Stadt Luxemburg – schon im Jahre 2006 – für ein Busleitsystem entschied, fiel die Wahl auf die Schweizer Firma Trapeze, die nun auch das Leitsystem von Luxtram liefert. Kompatibilitätsprobleme sollten hierbei eigentlich nicht zu befürchten sein, denn solche Systeme sind darauf eingestellt, über genormte Schnittstellen miteinander harmonisch zusammenzuwirken.

Doch wie so oft liegt die Tücke im Detail. Die Praxistests haben ergeben, dass es zwischen RGTR und AVL unterschiedliche Gepflogenheiten etwa bei der Bezeichnung der Haltestellen gibt, was u. a. daher rührt, dass die dafür vorgesehenen Datenfelder unterschiedliche Zeichenformate und -längen vorsehen.

Hier ist einige Handarbeit vonnöten, denn diese Angaben müssen quasi Station für Station und Linie pro Linie angepasst werden. Alex Kies ist zuversichtlich, dass das bis zur dritten Phase geschafft sein wird. Wie so oft in Luxemburg ergibt sich das Paradox, dass Systeme, die andernorts bereits problemlos funktionieren und hier erst spät zum Einsatz kommen, unerwartet lange Anpassungszeiten erfordern. Die Ursache dürfte im bestehenden krassen Personalmangel zu suchen sein. Die zusätzlichen Stellen für die umständliche Programmierung wurden erst in diesem Jahr eingerichtet.

Dieses Problem kumuliert mit dem ohnehin enormen Druck, der auf den Luxemburger ÖPNV ausgeübt wird. Die Kapazitäten sind zu Spitzenzeiten am Limit, und jedes Jahr kommen Tausende Pendler, aber auch EinwohnerInnen dazu. Das Problem der Staus auf den Straßen und damit auch der Verspätungen für die Busse wird so schnell also nicht verschwinden.

„Wir müssen 15 Jahre Stillstand aufarbeiten“, meint dazu Nachhaltigkeitsminister François Bausch (Déi Gréng), der optimistisch auf die Inbetriebnahme der ersten Teilstrecke der Tramlinie im Dezember dieses Jahres hinweist. Dann soll zumindest auf Kirchberg etwas mehr Ruhe eintreten.

Die erste richtige Verbesserung dürfte aber wohl erst erfolgen, wenn die Tramlinie 2018 bis zur Place de l’Etoile verlängert wird. Der dort vorgesehene „pôle d’échange“ wird es erlauben, die Busse aus dem Westen anzubinden und die Fahrgäste, die zum Kirchberg wollen, aufzufangen. Dann wird auch das Spießrutenlaufen der NutzerInnen der Linie 215 ein Ende haben, die dann wieder bequemer, aber vor allem auch schneller, zu ihrem Ziel auf Kirchberg gelangen.


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