Robert Zemeckis: Tanz zwischen den Twin Towers

In „The Walk“ lässt Regisseur Zemeckis den American Dream noch einmal (auf)leben. Aufwendig in 3-D gedreht, zeigt der Film den berühmten Drahtseilakt zwischen den Twin Towers. Spannungsreich und doch (etwas zu) pathetisch.

1342_Kinorez_The_Walk_1Philippe Petit steht neben der Freiheitsstatue und erzählt verschmitzt, mit französischem Dialekt, von der Erfüllung seines Traums. Dann zoomt die Kamera abrupt zurück in die Vergangenheit, und man sieht den kleinen Akrobaten im schwarzen Rolli und mit Zylinder überall in Frankreich über gespannte Drähte balancieren. Wie von einer kitschigen Postkarte des Quartier Latin abgepaust, wirkt seine Begegnung mit Annie (Charlotte Le Bon), einer zierlichen Frau, die auf einer Mauer sitzend sinnlich ein Lied von Leonhard Cohen singt. Ein bisschen haben die Impressionen etwas von dem Zauber von Amelie Poulain, wäre da nicht das amerikanische Englisch, das Philippe beharrlich praktiziert. Und doch vermisst man in „The Walk“ die verspielte Atmosphäre der Filmwelt eines Jean-Pierre Jeunet.

Nachdem der Seiltänzer in einer Zahnarztpraxis beim Durchblättern der Zeitschriften auf eine Aufnahme des gerade entstehenden World Trade Centers gestoßen ist, ist sein Plan gefasst und im Nu auch Annie als Komplizin für den Streich gewonnen. Freilich bedarf es für diesen einer minutiösen Planung, und die gestaltet sich komplizierter und chaotischer als gedacht.

„The Walk: Rêver plus haut“ von Forrest-Gump-Regisseur Robert Zemeckis, rekonstruiert die wahre Geschichte von Philippe Petit und seinem Drahtseilakt zwischen den Twin Towers am 7. August 1974. Zu recht darf man skeptisch sein, ist der Film doch eine Neuauflage des 2009 Oscar-prämierten Dokumentarfilms „Man on wire“.

Doch unterhaltsam und spannungsreich ist er allemal. Der junge Joseph Gordon-Levitt spielt die Rolle des Seiltänzers mit Hingabe. Ben Kingsley, der in Hollywood zunehmend für Rollen alter Onkel gebucht wird, gibt den alten mürrisch-gütigen Zirkus-Artisten „Papa Rudy“, bei dem Petit die Finten und Tricks erlernt, die ein guter Akrobat braucht. Charlotte Le Bon als Annie, Petits Komplizin der ersten Stunde, agiert zwar in der ihr zugedachten klassischen Frauenrolle ziemlich passiv, ist aber keine allzu schlechte Besetzung. Alle anderen Filmfiguren – zumal die Truppe seltsamer Hippies, die die beiden als ihre Komplizen um sich versammeln – bleiben jedoch blass.

Wie bei einem guten Thriller droht der Plan immer wieder zu kippen, und am Ende jubeln dem Helden dann doch alle zu – selbst die Polizisten, die zunächst den Tänzer bei seiner Aktion mit so unbeholfenen Sprüchen wie: „Sie verstoßen gegen 100 Regeln des Staats New York“ vom Seil herunterzuholen versuchen.

Und doch wird man am Ende von der Spannung angesteckt. Was bleibt ist die Schlussfolgerung, dass alles möglich ist und selbst die aberwitzigsten Träume wahr werden können, wenn man nur an sie glaubt. Der Film lässt so wieder einmal den guten alten „american dream“ aufleben und erinnert in seinem Pathos tatsächlich stark an Forrest Gump. In den USA wird der Film, der natürlich auch noch den Opfern des Anschlags auf das World Trade Center vom 9. September 2011 gewidmet ist, damit gut funktionieren, West-Europäern dürfte die amerikanisch verkitschte Sicht auf Frankreich dagegen wenig(er) zusagen. Aber immerhin: Wer sich nicht allzu viel von dem Film versprochen hat, wird zwar nicht in Begeisterung ausbrechen, aber doch positiv überrascht sein. Auch wenn diese Inszenierung von Petits Seiltanz zwischen den Türmen letztlich vor allem eine pathetische Hommage an das World Trade Center ist, das 28 Jahre lang das Wahrzeichen New Yorks war.

Im Utopolis Kirchberg

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