Schon gestreamt? The Leftovers

Sich „The Leftovers“ anzuschauen ist ein emotional aufwühlendes Abenteuer, auf das man sich vollkommen einlassen muss, um es richtig schätzen zu können.

© independent.co.uk

An einem 14. Oktober verschwinden mitten am Tag von einer Sekunde zur nächsten 140 Millionen Menschen. Frauen, Männer, Menschen aller möglichen Nationalitäten, Religionen und Hautfarben, Menschen mit und ohne Behinderung, Straffällige und Unschuldige, ältere Menschen, ja sogar Säuglinge – ein Muster ist nicht erkennbar. Diese Leute sind nicht gar durchgebrannt oder wurden entführt. Sie haben sich einfach in Luft aufgelöst.

Das ist die Ausgangssituation der Serie „The Leftovers“, die 2014 auf HBO startete. Das Verschwinden all dieser Menschen, in der Serie als „sudden departure“ bezeichnet, wird gleich in der ersten Sequenz der ersten Folge gezeigt. Danach springt die Handlung zwei Jahre in die Zukunft und im weiteren Verlauf der Serie geht es um den Zustand der Welt nach diesem postapokalyptischen Ereignis. Im Vordergrund stehen, wie es der Titel sagt, the Leftovers, die Übriggebliebenen.

Bei der Bezeichnung „postapokalyptische Serie“ denken viele wohl eher an solche wie „The Walking Dead“, „Battlestar Galactica“ oder „The 100“, also an ein Massenpublikum gerichtete Action- beziehungsweise Horrorserien. Davon ist „The Leftovers“ weit entfernt. Die erste Staffel zeigt größtenteils das Alltagsleben der Einwohner*innen der amerikanischen Kleinstadt Mapleton. Im Zentrum steht die Familie Garvey. Vorweg soll aber gesagt sein, dass die Bezeichnung „Familie“ nicht ganz zutreffend ist. Nachdem Laurie Garvey der neugegründeten Sekte „The Guilty Remnant“ beigetreten ist, leben ihr Ehemann Kevin und ihre Tochter Jill zwar noch im gleichen Haus, Kommunikation und Interaktion sind aber auf ein Minimum beschränkt. Kevin kommt nicht mit der Trennung von Laurie zurecht und ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um Anteil am Leben seiner Tochter nehmen zu können. Diese hat sich nach dem Weggang ihrer Mutter immer mehr zurückgezogen und steckt darüber hinaus mitten in der Pubertät, was seine ganz eigenen Probleme mit sich bringt. Zu den Garveys zählt aber auch der Mittzwanziger Tommy, Lauries leiblicher und Kevins Stiefsohn, der schon lange nicht mehr zuhause war und nur selten von sich hören lässt.

Der Macher der Serie, Damon Lindelof, wurde vor mehr als einem Jahrzehnt durch seine Serie „Lost“ bekannt. Auch wenn es deutliche Unterschiede zwischen beiden Serien gibt, so lassen sich auch einige Gemeinsamkeiten finden. Wie schon bei „Lost“ steht bei „The Leftovers“ ein mysteriöser Vorfall am Anfang der Geschichte und metaphysische Erklärungen können nie ganz ausgeschlossen werden. Das eröffnet einen riesigen Spielraum, von welchem Lindelof und sein Schreibteam meisterhaft Gebrauch zu machen wissen. Basierte die erste Staffel noch auf der Buchvorlage des Autors Tom Perotta, der auch am Drehbuch zur Serie mitarbeitete, so wurden die Handlungsstränge der zweiten und dritten Staffel erst für die Serie entwickelt.

Obwohl „The Leftovers“ in erster Linie vom individuellen und kollektiven Umgang mit Trauer, Ungewissheit und Verlust handelt, gibt es auch immer wieder leichtere Momente, wenn auch nur selten. Es dominiert, eine düstere Atmosphäre, die von Max Richters melancholischem Soundtrack verstärkt wird. Die Drehbuchautor*innen sind ein großes Risiko eingegangen; besonders der Einstieg in die erste Staffel dürfte nicht wenige Zuschauer*innen durch seinen tristen Ton abschrecken. Erst die zweite Staffel ist narrativ gesehen konventioneller und inhaltlich wesentlich weniger deprimierend. Nach „Lost“ hat Lindelof dieses Mal nicht den Fehler gemacht, anzudeuten, dass im Laufe der Serie all Mysterien gelüftet werden würden. Bei „The Leftovers“ gibt es genauso wenige zufriedenstellende Erklärungen für tragische Ereignisse, wie in der Realität auch manchmal.

Bleibt nur noch der phänomenale Cast zu erwähnen. Von Justin Theroux über Christoper Eccleston bis hin zu Amy Brenneman erbringen alle beeindruckende Leistungen. Zwei Schauspielerinnen müssen aber besonders hervorgehoben werden. Zunächst Liv Tyler. Den meisten wahrscheinlich aus Blockbustern wie „Armageddon“ und „The Lord of the Rings“ bekannt, darf Tyler hier zur Abwechslung die Antagonistin spielen und sie meistert diesen Anspruch mit einer fast beunruhigenden Intensität. Und dann wäre da noch Carrie Coon, die man als nichts weniger als eine Offenbarung bezeichnen kann.

Zum Abschluss noch ein Zitat des Fernsehkritikers Alan Sepinwall: „Even in a television landscape that includes ‘The Walking Dead’, ‘Hannibal’ and HBO’s own ‘Game of Thrones’ — dramas so committed to a violent, despairing worldview that they all but dare you to keep watching — ‘The Leftovers’ is a show that will make some of its viewers want to slit their wrists. Many will hate it. But there will be viewers in whom it strikes a chord so deeply that they will feel themselves overwhelmed by it in the best possible way: not like they’re drowning in the misery, but like it’s teaching them a new way to breathe.”

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