Sean Baker
: Kindheit fernab von 
Disneyworld

Mit „The Florida Project“ gelingt dem US-amerikanischen Filmemacher Sean Baker der Spagat zwischen knallhartem Sozialrealismus und leichter Unterhaltung.

(Fotos : outnow.ch)

Fast von der ersten Sekunde an herrscht in „The Florida Project“ Bewegung. Und genauso geht es in den darauffolgenden 110 Minuten weiter. Im Zentrum stehen die Bewohner*innen des lila angestrichenen Motels „Magic Castle“ in Florida. Vor allem den jungen Gästen gilt das Interesse.

Es sind Sommerferien, doch von Langeweile keine Spur. Der Alltag ist geprägt von Eis essen, dem Ausspionieren der Nachbar*innen und dem Erkunden der Umgebung. Auf diese Weise wird das Motel für die Kinder zum regelrechten Abenteuerspielplatz.

Das Tempo des Films wird denn auch von diesen vorgegeben. Liegen sie faul auf dem Sofa, ist auch die Kamera statisch. Laufen sie jedoch herum, wird dies mit aufwändigen Plansequenzen eingefangen. Auf diese Weise strahlt der Film die Sprunghaftigkeit und unermüdliche Energie von Kindern aus.

Der ungetrübten Lebensfreude steht kontrastierend die harte Realität gegenüber, vor der die Erwachsenen die Kinder mehr oder weniger erfolgreich abzuschotten versuchen. Ausnahmslos stammen die jungen Protagonist*innen nämlich aus schwachen sozioökonomischen Verhältnissen. Nach Vätern sucht man in dem Film vergebens. Und so sehr die Kinder ihre Freiräume auch zu genießen scheinen: Immer schwingen die Vernachlässigung und die damit einhergehenden Gefahren mit.

Die Kinder können sich also glücklich schätzen, dass der Motel-Manager Bobby stets ein wachsames Auge auf sie hat. Der US-amerikanische Schauspieler Willem Dafoe weiß in dieser für ihn eher untypischen Rolle zu überzeugen. Ständig muss er zwischen eiserner Geduld und Empathie, strenger Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen hin- und herpendeln. Besonders Brooklynn Prince, die die 6-jährige Moonee spielt, steht ihm an Können in nichts nach. Neben ihrem naturalistischen Spiel scheint auch immer wieder ein beeindruckendes komödiantisches Talent durch.

Regisseur Sean Baker war bereits 2015 durch seinen ausschließlich mit I-Phones gedrehten Spielfilm „Tangerine“ zu Bekanntheit gelangt. Der vielfach ausgezeichnete Streifen erzählt die Geschichte einer sich prostituierenden Frau, die an Heiligabend nach ihrem ehemaligen Zuhälter sucht. War Baker bei „Tangerine“ auf reine Unterhaltung aus, will er mit „The Florida Project“ für oftmals ausgeblendete Problematiken sensibilisieren. Der Film orientiert sich stark an wahren Begebenheiten. Nicht nur leben an der Grenze zum Freizeitpark-Komplex „Disneyworld“ in Orlando tatsächlich Menschen in Billig-Motels, weil sie sich keine Wohnung leisten können: „The Florida Project“ wurde auch in einem solchen Motel gedreht. So stellt der Film eine Mischung aus fiktionalen und dokumentarischen Elementen dar.

Um die Perspektive der Kinder einzufangen, ist die Kamera oft auf deren Augenhöhe platziert. Doch auch manchen Erwachsenen, vor allem Moonees 22-jähriger Mutter Halley (Bria Vinaite), wird viel Aufmerksamkeit gewidmet. Mit gutem Blick fürs Detail werden ihre verzweifelten Bemühungen gezeigt, die 245 Dollar für die wöchentlich fällige Mietzahlung aufzutreiben. Sie mag nicht die verantwortungsvollste Mutter sein, auch ihre impulsive Art bringt sie immer wieder in Schwierigkeiten. Umso berührender ist die Zärtlichkeit, die sie ihrer Tochter entgegenbringt. Nach und nach entwickelt sich diese anrührende Mutter-Kind-Beziehung zum Herzstück des Films.

Viele der angesprochenen Themen sind hart mit anzusehen. Da Baker den Fokus aber auf die Kinder und die Liebe zwischen Moonee und Halley gelegt hat, gelingt es ihm, dennoch eine gewisse Leichtigkeit und Positivität beizubehalten. Dank der ungewöhnlichen Perspektive, die er einnimmt, urteilt der Film nämlich genauso wenig über die Erwachsenen wie die Kinder selbst es tun.

Im Utopia.
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Bewertung der woxx : XXX


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