Sprachendebatte: Ausgeklammert

Die Sprachendebatte nimmt kein Ende und dient weiter als Vehikel für identitäre Bestrebungen. Die Perspektive der Nicht-LuxemburgerInnen wird wie immer ausgeblendet.

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(Bild: „Nee2015/Wee2050“)

Fast 15.000 Personen haben die Petition „Luxemburgisch als Amtssprache“ unterschrieben. Ein Rekordwert unter den Online-Unterschriftensammlungen auf der Chamber-Homepage. Eine Gegen-Petition unter dem Motto „Nein zur luxemburgischen Landessprache als erste Amtssprache“, die noch bis zum 6. Dezember unterschrieben werden kann, bringt es bisher auf knapp über 2.000 Unterschriften. Gut möglich, dass das Verhältnis am Ende ein ähnliches ist wie beim Referendum von 2015.

Die Sprachendebatte, die seit Wochen vor sich hin brodelt, steht auch sonst in der Kontinuität des Referendums, bestätigt die Bruchstellen und Konfliktlinien, die spätestens im Juni letzten Jahres klar sichtbar wurden: die zwischen einem sich selbst als Mehrheit begreifenden „einfachen Volk“, das sich die Verteidigung „seiner“ Identität auf die Fahnen geschrieben hat, und einer oft als „abgehoben“ dargestellten „frankophilen“ Elite.

Es spricht für sich, dass sich „Nee 2015“, die treibende Kraft hinter der massiven Ablehnung eines „Ausländerwahlrechts“, mittlerweile entschlossen bei den Verteidigern der luxemburgischen Sprache eingereiht hat. Der auf den sozialen Netzwerken entstandene Zusammenschluss, der sich mittlerweile „Wee 2050“ nennt und sich als „Think-Thank“ versteht, macht mobil gegen den „Ausverkauf“ des Luxemburgischen und der dazugehörigen Identität – und surft damit auf einer Welle, die europaweit Konjunktur hat. Dass Fred Keup, Sprecher von „Wee 2050“, mittlerweile Vorstandsmitglied der „Actioun Lëtzebuergesch“ ist, unterstreicht den Stellenwert der Sprachendebatte für identitäre Politik in Luxemburg.

Wer sich selber als Vertreter der „politischen Mitte“ sieht – wie „Wee 2050“ es tut -, kann sich nicht erlauben, offen gegen AusländerInnen zu hetzen, will er weiterhin in der öffentlichen Debatte ernstgenommen werden. Daher ist die Sprachendiskussion in einem Land wie Luxemburg, in dem fast die Hälfte der EinwohnerInnen keine StaatsbürgerInnen sind, letztendlich das einzige politisch tolerable Vehikel für identitäre Tendenzen.

Es geht um Abgrenzung

Dass die eigentliche Forderung der Petition zum Luxemburgischen als Amtssprache für einen beträchtlichen Teil der Unterzeichnenden letzten Endes irrelevant ist – viele von ihnen geben offen zu, dass sie zumindest im aktuellen Kontext unrealistisch sei -, spricht Bände. Es geht nicht um die Förderung des Luxemburgischen, es geht auch nicht darum, möglichst vielen EinwohnerInnen Luxemburgs die luxemburgische Sprache näherzubringen, es geht um Abgrenzung und die Wahrung von Privilegien.

1396newssprache_telexx_lux_faendelErstaunlicherweise sind nämlich die Menschen und Organisationen, die am härtesten von den „Verteidigern der Sprache“ angegangen werden, gerade diejenigen, die sich in der Vergangenheit am stärksten für die Vermittlung des Luxemburgischen eingesetzt haben. So zum Beispiel die Asti, die zwar seit eh und je Luxemburgischkurse für AusländerInnen anbietet, trotzdem aber zu den Lieblingsfeindbildern der „80-Prozenter“ gehört. Oder auch, anderes Beispiel, der Sprachwissenschaftler Fernand Fehlen.

Letzterer hat sich übrigens in einem Interview in der „Wort“-Beilage „Warte“ auf längere Sicht für eine Alphabetisierung auf Luxemburgisch und eine Herabstufung des Stellenwerts der deutschen Sprache eingesetzt. Eine Änderung, die wahrscheinlich sowohl Kindern mit als auch solchen ohne Migrationshintergrund den Zugang zur luxemburgischen Mehrsprachigkeit erleichtern würde. À propos Migrationshintergrund: wie bei der Debatte um das Ausländerwahlrecht wird auch in der Sprachendebatte – und zwar auf beiden Seiten – die Perspektive der Nicht-LuxemburgerInnen auf die Thematik völlig ausgeklammert. Aber bei diesen handelt es sich ja auch bloß um fast die Hälfte der Bevölkerung.


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