Steuergerechtigkeit
: Salamitaktik

Erst Fiat, nun McDonalds: Die Serie der Anschuldigungen der EU-Kommission gegen Luxemburg reißt nicht ab. Die Regierung betont zu Recht, dass auch andere EU-Länder Steuertricksereien erlauben, aber ihr guter Wille zur Besserung ist einigermaßen geheuchelt.

Ob er wohl noch mehr Überraschungen parat hat? Finanzminister Pierre Gramegna und Staatssekretärin Francine Closener bei der Vorstellung der Initiative „Suprising Lux“ Ende Oktober. (Foto: SIP)

Ob er wohl noch mehr Überraschungen parat hat? Finanzminister Pierre Gramegna und Staatssekretärin Francine Closener bei der Vorstellung der Initiative „Suprising Lux“ Ende Oktober. (Foto: SIP)

„Das Resultat, dass durch das Kombinieren von nationalen mit internationalen Regeln eine Firma gar keine Steuern mehr bezahlt, mag legal sein, es ist aber ethisch nicht in Ordnung. Dieser Sinneswandel ist klar zu spüren. Darauf stellen wir uns ein, und das geschieht schrittweise“, erklärte der luxemburgische Finanzminister den „Salzburger Nachrichten“ Ende August dieses Jahres. Und mit dem „schrittweise“ mag er durchaus Recht haben, denn die luxemburgischen Autoritäten tun sich effektiv schwer damit, Grundlegendes zu ändern und das nationale Modell so umzugestalten, damit der Finanzplatz am Leben bleiben kann, ohne dass ihm allzuviel Schwefelgeruch anhaftet. Und auch ohne den Eindruck entstehen zu lassen, dass von der Allianz von Politikern und Bankiers immer nur das zugegeben wird, was ohnehin bewiesen ist. Kurzum, dass die Protagonisten aufhören sich zu benehmen wie Kleinkriminelle in einer Vorabendserie des öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehens – die auch immer nur einknicken, wenn die Beweislage eindeutig ist.

Dass Luxemburg weiterhin taktiert und der Imagewandel, das „Nation Branding“, nur vorgeschoben ist, bleibt aber unbestritten. Nur wenn der Druck zu groß wird, geben die Behörden nach, wie erst kürzlich bei den Dokumenten der „Code of Conduct“-Group, die der Spezial-Ausschuss „Taxe“ des EU-Parlaments angefordert hatte. Die luxemburgische Regierung ließ den Parlamentariern aber lediglich eine geschwärzte Version der Gesprächsprotokolle zukommen, worüber sich einige Abgeordnete – allen voran der Grüne Sven Giegold – schwer empörten (woxx 1343 und 1347). Erst nachdem das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ diese Dokumente ungeschwärzt erhalten und ausgewertet hatte, gab die Regierung klein bei. Und das, obwohl die Protokolle wirklich nichts Überraschendes enthielten: Sie gaben bloß preis, dass das Großherzogtum sich mit den anderen Benelux-Ländern vor jeder Versammlung der „Code of Conduct“-Gruppe abgesprochen hat, um nötigenfalls Entscheidungen zu den steuerrechtlichen Vorteilen zu blockieren, die die drei Länder auf unterschiedlichem Niveau den multinationalen Firmen gewähren (In Holland sind es vor allem die Patent Boxes, in Belgien die „intérêts notionnels“, in Luxemburg eben die Tax Rulings). Dass die drei Länder damit auch die Absicht der „Code of Conduct“-Gespräche unterlaufen – nämlich schädliche Steuerkonkurrenz zwischen europäischen Partnern zu verhindern -, scheint eine gewollte oder zumindest in Kauf genommene Konsequenz zu sein. Der Spezialausschuss „Taxe“ wird nun für weitere sechs Monate tagen – das bedeutet auch, dass für viele EU-Abgeordnete die Suppe noch lange nicht ausgelöffelt ist.

Wie Kleinkriminelle in einem ARD-Vorabendkrimi

Auch bei den von der EU-Kommission betriebenen Untersuchungen lässt das Finanzministerium nicht locker. Am 3. Dezember kündigte die EU-Kommission in einer Pressemitteilung an, nun auch das Tax Ruling des US-Fastfood-Giganten McDonalds unter die Lupe nehmen zu wollen, da es europäische Bestimmungen zur staatlichen Subventionierung von Unternehmen verletzt haben könnte. Daran ist zweierlei ironisch. Erstens, weil die EU-Kommission den legalen Umweg über die staatliche Subventionierung nehmen muss, obwohl das Großherzogtum wohl kaum ein substantielles Interesse daran haben dürfte, McDonalds zu subventionieren – das Ganze macht deutlich, wie wenig das europäische Regelwerk darauf eingerichtet ist, exzessive Steuerkonkurrenz zu unterbinden. Und zweitens wegen der Person des Kommissions-Präsidenten, eines gewissen Jean-Claude Juncker, der seit Luxleaks ja auf beiden Seiten der Front steht, da er maßgeblich an den Steuerkonstrukten zugunsten der Multis beteiligt war. Ein gewisses Gschmäckle haftet also auch den Bemühungen der EU-Kommission an.

1349stoosAm darauffolgenden Tag, dem 4. Dezember, ging Luxemburg dann in die Gegenoffensive und verkündete, die am 21. Oktober 2015 von der EU-Kommission gefällte Entscheidung zu den Rulings der „Fiat Finance and Trade“, die zuvor auch einer Prüfung unterzogen worden waren, sei illegal, und man werde sie gerichtlich anfechten. Die Begründung der Regierung hierfür ist durchaus dürftig: Man wolle lediglich Rechtssicherheit und mehr Vorhersagbarkeit für die Zukunft solcher Steuerarrangements erlangen. Nebenbei erinnert sie daran, dass Luxemburg bei weitem nicht das einzige Land EU- und weltweit ist, in dem solche Praktiken legal sind.

Dabei ist das einzige wirklich Vorhersagbare, dass der Kleinkrieg zwischen EU-Kommission und bestimmten Ländern weitergehen wird. Ein Zermürbungskrieg, mit dem am Ende niemandem geholfen ist. Denn das Problem ist kein europäisches, es ist ein globales, und die Zusammenhänge sind bei weitem tiefgreifender, als es auf den ersten Blick scheint. Auch mit der Beps-Offensive (Base Erosion Profit Shifting: in Zukunft werden die Steuern dort gezahlt, wo die Profite gemacht werden) der OEZD ist das Problem nicht mal im Ansatz gelöst. Der große Verlierer im weltweiten Steuerkampf sind und bleiben die Entwicklungs- und Schwellenländer – allein der afrikanische Kontinent verliert jedes Jahr Milliardenbeträge durch internationale Firmen, die zwar die dortige Arbeitskraft ausnutzen, ihre Steuern aber in Europa „optimieren“ (woxx 1322).

Ein globales Problem

Und selbst wenn es wirklich zu Fortschritten bei der Reglementierung von Steuerbescheiden kommen sollte, – die Beraterfirmen „Big Four“ haben bereits vorgesorgt. So hat die Firma Price Waterhouse Coopers – wahrscheinlich auch als Reaktion auf eine Resolution des EU-Parlaments zum gleichen Thema – ihren Kunden diese Woche ein „Vade-Mecum über die Transferpreise 2015-2016“ zukommen lassen. Transferpreise sind die Steuern, die anfallen, wenn größere Geldsummen zwischen firmeneigenen Filialen hin-und-hergeschoben werden – eben um Steuern zu sparen oder sie ganz zu vermeiden. Auch wenn diese Reaktion zeigt, dass die Diskussionen auf EU-Niveau erste Folgen bei den Multinationalen haben und diese sich auf stärkere Kontrollen und schärfere Gesetze einstellen, so lautet die Message der Berater an ihre Kundschaft doch weiterhin: Wir werden schon einen Weg finden, die neuen Gesetzeslagen zu umschiffen. Angesichts der vielfältigen Verquickungen zwischen der luxemburgischen Politik – die massenhaft Audits bei genau denselben Beraterklitschen bestellt – den Multis und den Banken ist die Hoffnung klein, dass sich wirklich Revolutionäres tun wird. Die Fehler sitzen nun mal fest im System.

Dass dies nicht nur das Großherzogtum betrifft, bewies übrigens am letzten Montag der „Senior Analyst“ der NGO „Tax Justice Network“, Markus Meinzer. Sein Vortrag unter dem Titel „Steueroase Deutschland – Warum bei uns viele Reiche keine Steuern zahlen“ befasste sich mit dem Fakt dass auch die Bundesrepublik vielen Steuerflüchtlingen Asyl bietet und dass auch ihr vorgeblicher Kampf gegen kleine Steuerparadiese, den vor allem SPD-Politiker mit Blick auf Luxemburg betreiben, eigentlich nur Makulatur ist. In anderen Worten: Es gibt viele Haustüren vor denen man kehren muss, um das Problem der Steuergerechtigkeit zu lösen.


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