Deutsche Flüchtlingspolitik: Verordnete Krise


Lange hatte die deutsche Bundesregierung eine EU-weit schärfere Asylpolitik gebremst – auch aufgrund menschenrechtlicher Bedenken der Grünen. Nun jedoch erfolgte eine als „Kompromiss“ verkaufte Kehrtwende. Damit rückt auch die Umsetzung eines ganzen Maßnahmenpakets näher, das die EU-Kommission noch vor den Wahlen zum Europaparlament im kommenden Jahr durchdrücken will.

Beim Thema Asylrecht gibt es für deutsche Politiker nur noch eine Richtung: hin zu mehr Verschärfungen. Den jüngsten diesbezüglichen Gesetzesentwurf hat die Bundesregierung Mitte Oktober vorgelegt. Unter anderem sollen Ausweisungen wegen des bloßen Verdachts, Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein, ermöglicht werden. Bisher war eine Verurteilung nötig. Abgelehnte Asylsuchende sollen schneller in Abschiebehaft genommen werden können – zum Beispiel, wenn ihnen „Verletzung von Mitwirkungspflichten“ in ihrem Asylverfahren vorgeworfen wird. mehr lesen / lire plus

EU-Sondertagung zur Migration: Gipfel der Drohgebärden

Beim Sondergipfel des Europäischen Rats Ende vergangener Woche in Brüssel wurde in Migrationsfragen vor allem rhetorisch aufgerüstet. Doch man möchte den Worten möglichst auch Taten folgen lassen. Kooperationsunwilligen Drittstaaten wird ganz unverhohlen gedroht.

Rund 2.000 Kilometer Sperrzaun und befestigte Grenzanlagen wurden entlang der EU-Außengrenzen bislang aufgerichtet. Doch wenn es nach dem Wunsch der Scharfmacher in der EU geht, gibt es bald noch viel mehr davon. Es war unter anderem Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer, der bei der außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates am 9. Februar in Brüssel dafür warb, neue Zäune hochzuziehen, etwa zwischen Bulgarien und der Türkei, direkt finanziert aus Mitteln der EU. mehr lesen / lire plus

Abschiebung hat ihren Preis

Wenn die EU Geld in die Hand nimmt, dann macht sie immer gerne Werbung damit. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex bildet da keine Ausnahme: 100 Millionen Euro will man im laufenden Jahr investieren, um nicht anerkannte Flüchtlinge und Migrant*innen loszuwerden. Eine „deutliche Zunahme“ erfolgreicher Abschiebungen erhoffe man sich davon, so der stellvertretende Direktor der Agentur, Uku Särekanno, am vergangenen Montag. Seiner Behörde kommt im von der EU-Kommission 2020 vorgeschlagenen neuen „Migrations- und Asylpaket“ eine Schlüsselrolle für „effektivere Rückführungen“ zu (siehe den Artikel „Pakt der Abschiebung“ in woxx 1599). Bei einer außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates in der kommenden Woche wird das Thema zu den Prioritäten zählen. mehr lesen / lire plus

Flüchtlinge aus Afghanistan: „Nur der Pull-Faktor zählt“

In der kommenden Woche wird auf einer internationalen Konferenz über die Aufnahme von Schutzsuchenden aus Afghanistan debattiert. Die Machtübernahme der Taliban liefert alle Gründe für eine Flucht, wie aktuelle Berichte zeigen. Doch die Mehrheit der EU-Staaten setze auf Abriegelung, so Außenminister Jean Asselborn.

Abwehr der Flüchtlinge insbesondere auch aus Afghanistan: Türkische Militärfahrzeuge patrouillieren entlang des 63 Kilometer langen, bereits fertiggestellten Teils einer neuen Wehranlage an der türkisch-iranischen Grenze. Bis Ende des Jahres soll die Grenze auf ihrer gesamten Länge von 560 Kilometern fortifiziert werden. (Foto: EPA-EFE/Sedat Suna)

Eindeutiger hätte das Urteil über die neuen Machthaber in Afghanistan nicht ausfallen können: „Die Taliban sind dabei, die Errungenschaften der vergangenen zwanzig Jahre im Bereich der Menschenrechte zu demontieren.“ mehr lesen / lire plus

Protestaktion gegen EU-Abschottungspolitik

Am 10. Dezember ist der internationale Tag der Menschenrechte. In Schengen wird am selben Tag Solidarität mit den Asylsuchenden ausgedrückt, die zurzeit an den EU-Außengrenzen ausharren müssen.

Foto: Friddens- a Solidaritéitsplattform Lëtzebuerg

„Wenn nicht jetzt etwas geschieht, werden viele Menschen den nächsten Winter und die Corona-Pandemie in den griechischen Flüchtlingslagern nicht überleben.“ Am kommenden Donnerstag, dem internationalen Tag der Menschenrechte, ruft das grenzüberschreitende Friedens- und Solidaritätsnetzwerk QuattroPax um 16 Uhr zur Mahnwache an der Brücke Schengen/Perl auf. Protestiert wird gegen die Abschottungspolitik der EU.

Im Presseschreiben gehen die Aktivist*innen auf die Missstände ein, auf die sie durch ihre Aktion verstärkte Aufmerksamkeit lenken wollen: Die in ihren Augen inhumane EU-Flüchtlingspolitik, die menschenunwürdigen Bedingungen in Camps auf Samos, Chios, Kos, Leros und Lesbos, sowie die sich durch Covid-19 noch weiter zuspitzende Lage. mehr lesen / lire plus

Camp Moria und die Folgen: „So radikal wie möglich aufarbeiten“

Thomas von der Osten-Sacken ist Geschäftsführer des Verbands für Krisenhilfe „Wadi e.V.“ und hält sich seit Monaten auf Lesbos auf. Die Situation der Flüchtlinge dort sei kein humanitäres, sondern ein politisches Problem, da ihnen Rechte systematisch vorenthalten werden, sagt er im Interview und kritisiert auch einige NGOs vor Ort.

Hat man aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre gelernt? Das neue Flüchtlingscamp nahe Kara Tepe auf Lesbos. (Foto: EPA-EFE/Vangelis Papantonis)

woxx: Wie ist die Situation auf Lesbos, nachdem ein neues Lager aufgebaut worden ist?


Thomas von der Osten-Sacken: Die Situation auf der Insel hat sich beruhigt. Am Montag sind die ersten 700 als besonders vulnerabel geltenden Flüchtlinge aufs Festland transferiert worden. mehr lesen / lire plus

EU-Migration: Pakt der Abschiebung

Als Kompromiss werden die Vorschläge der EU-Kommission für eine gemeinsame Migrationspolitik verkauft. Sie offenbaren jedoch vor allem, dass man an ein einheitliches und EU-weit durchgesetztes Recht auf Asyl nicht mehr glaubt.

Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager Moria auf Lesbos: Ihr Elend ist nicht etwa das Resultat einer humanitären Krise, sondern der katastrophalen Asylpolitik der Europäischen Union, die sich mit dem EU-Migrationspakt allenfalls verschärfen wird. (Foto: EPA-EFE/Orestis Panagiotou)

Sie hatte es schon vor zwei Wochen prophezeit. In einem Kommentar hatte Catherine Woollard geschrieben, dass von dem geplanten Migrationspakt der EU-Kommission nicht viel zu erwarten sei. Am Mittwoch erhielt die Direktorin des Europäischen Rats für Flüchtlinge und Exilierte (ECRE) die Bestätigung: Interessant sei an den neuen Vorschlägen allenfalls, „dass als neue Herangehensweise präsentiert wird, was im Wesentlichen die Linie der vergangenen Jahre fortsetzt, nämlich die Ankunft von Flüchtlingen in Europa zu verhindern, anstatt Europas Asylsystem zu verbessern“, so Woollard gegenüber der woxx. mehr lesen / lire plus

EU-Migrapakt: Kein Schiff wird kommen

Ein erweitertes Engagement der EU bei der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeerraum ist nicht vorgesehen. Das bestätigte während der Vorstellung des Entwurfs für einen EU-Migrationspakt Ylva Johansson. Die für Migration zuständige EU-Kommissarin ergriff auch diese Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass die Vorschläge der EU-Kommission nicht zuletzt auf Abschreckung basieren (siehe den Themen-Artikel in dieser Ausgabe). „Die meisten Leute, die übers Meer kommen, haben ohnehin keinen Anspruch auf Asyl“, so Johansson. Sie gehe davon aus, dass die nun geplanten grenznahen Asylverfahren, auf die im Falle einer Ablehnung unmittelbar die Abschiebung erfolge, das Risiko einer Überfahrt ohnehin bald unattraktiv erscheinen lassen. Daher wolle man sich nicht mit eigenen Such- und Rettungsschiffen beteiligen. mehr lesen / lire plus

Serien-Empfehlung: Immigration Nation

Für ihre sechstteilige Doku sind Macher*innen Christina Clusiau and Shaul Schwarz tief in die Welt der US-amerikanischen Abschiebepolitik eingetaucht. Beispielloses Filmmaterial und Interviewauszüge machen die Produktion zu einem wichtigen, zeithistorischen Dokument.

In „Immigration Nation“ werden Ice-Beamt*innen gezeigt, die sich mitten in der Nacht unrechtmäßig Zugang zu Wohnungen verschaffen um illegal eingewanderte Menschen abzuführen. (© Netflix)

„I don’t remove anybody. The judge does. I’m just, for all intents and purposes, the taxi driver that takes them from point A to point B.“ Wenn in der sechsteiligen Netflix-Doku „Immigration Nation“ Sätze wie diese geäußert werden, kommt man nicht umhin an die „Banalität des Bösen“ zu denken. mehr lesen / lire plus

Plakativ angeprangert

Mit einer spektakulären Plakataktion haben AktivistInnen in der Nacht zum Dienstag die Migrationspolitik der belgischen Regierung kritisiert.

Oui à la pub: Plakataktion gegen die restriktive belgische Asylpolitik. (Bildquelle: Twitter)

 

Es ist ein PR-Coup, der KritikerInnen der belgischen Asyl- und Migrationspolitik in der vergangenen Nacht gelungen ist: An Hauswänden, Bushaltestellen, in der Metro und auf Werbetafeln haben sie insgesamt 2.100 Plakate verklebt, um die Politik der Regierung an den Pranger zu stellen. « En votre nom, la Belgique prive 1% de sa population de droits fondamentaux. Vous trouvez ça normal ? », hieß es etwa auf einem der Motive, die in neun belgischen Großstädten angeschlagen worden sind. mehr lesen / lire plus

WAHLKAMPF-KONGRESS: Grün ist die Richtung

Gestritten wird auf grünen Kongressen nur noch selten, schon gar nicht wenn, wie diesmal, ein Wahlerfolg abzusehen ist. Darüber reden, was nach diesem kommt, mochte kaum jemand – doch die Eventualität einer schwarz-grünen Koalition lässt die Köpfe schwirren.

„Das Centre de rétention ist nichts Fortschrittliches, dabei ist Fortschritt das, wofür ich mich bei Déi Jonk Gréng engagiere.“ (Paul Matzet und Meris Sehovic)

Was erwartet der Journalist einer alternativen Wochenzeitung, der sich auf einen grünen Parteikongress begibt? Wird sich bestätigen, dass aus der einst linksradikalen politischen Strömung eine Öko-DP geworden ist? Oder sind Déi Gréng unter dem Eindruck der Krise des Wirtschaftssystems wieder stärker nach links gerückt? mehr lesen / lire plus

ABSCHIEBUNGEN: Wenn’s bei Frieden einmal klingelt

Die Regierung macht ernst: Sie schiebt reihenweise abgelehnte AsylbewerberInnen nach Montenegro ab und liefert dabei ein Meisterstück an mangelnder Kommunikationsbereitschaft.

Am Mittwochmorgen war es wieder soweit: Erneut wurde eine Flüchtlingsfamilie nach Montenegro abgeschoben. Bereits eine Woche zuvor hatte ein Flugzeug 23 abgelehnte AsylbewerberInnen in die jugoslawische Teilrepublik zurückgebracht und Justizminister Luc Frieden erklärt, dies sei nun der Beginn einer Serie von Rückführungen, wie die Abschiebungen von Regierungsseite euphemistisch genannt werden.

Seit Juli hatte man die Flüchtlinge – die meisten von ihnen waren während des Kosovo-Krieges nach Luxemburg gekommen – über ihr näheres Schicksal im Unklaren gelassen. Die einzige Gewissheit: Irgendwann würde einmal die Polizei vor der Tür stehen und sie wegbringen, wenn sie nicht freiwillig in ihre wirtschaftlich ausgeblutete Heimat zurückkehren. mehr lesen / lire plus