Verzogen – vertrieben – verschleppt

Marianne Bühler forscht bereits seit vielen Jahren zur Geschichte des Trierer Raums. Am Mittwoch zeigte sie in der Ettelbrücker Synagoge die Verbindungen zwischen den jüdischen Familien Luxemburgs, der Eifel und des Hunsrück auf. Dabei thematisierte sie auch die Zeit von Flucht und Exil nach Luxemburg in den Vorkriegsjahren.

Die Theologin Marianne Bühler forscht zu den Familienverbindungen in der Region Luxemburg-Mosel-Eifel-Hunsrück. (Fotos: woxx)

In der Region von Mosel, Eifel und Hunsrück gab es bereits sehr früh kleine jüdische Ansiedlungen, manche Spuren gehen bis ins Mittelalter zurück. Nach Luxemburg verstärkten sich die Kontakte, als es hier nach der Französischen Revolution und der damit einhergehenden jüdischen Emanzipation zu einer Wiederansiedlung kam. mehr lesen / lire plus

Jüdische Emanzipation (6/6): „Es ist ein Abfall vom Christentum, wenn der Arier den Semiten verabscheut“

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts traten auch in Luxemburg neue ideologische Strömungen auf, zu denen sich der Katholizismus positionieren musste. Am Nationalsozialismus störte zunächst weniger dessen Rassenantisemitismus als seine Abwendung vom Christentum.

Franz Schrönghamer-Heimdal, antisemitischer Autor im „Völkischen Beobachter“ und späteres NSDAP-Mitglied, veröffentlichte im Luxemburger Wort christliche Erbauungsliteratur.

1905, Beginn der russischen Revolution. Im „Luxemburger Wort“ stellte man klar, man „verabscheue und verdamme“ die Revolution, die mit „terroristischen Gewaltmitteln“ vorgehe. Die russischen Revolutionäre seien zudem, so wurde am 21.9.1906 präzisiert, „in der Mehrheit Juden, die zu Revolver, Dolch und Bombe greifen, weil sie eine Lage ‚unerträglich` finden, die noch weit besser ist, als es die der polnischen Katholiken vor der Revolution war.“ mehr lesen / lire plus

JÜDISCHE EMANZIPATION (5/6): „Der Krammarkt wird von zu vielen polnischen Juden befahren“

Seit der Wende zum 20. Jahrhundert richtete sich der Abwehrkampf des Luxemburger Einzelhandels gegen die unliebsame Konkurrenz der neuen Warenhäuser, aber auch die der Krammärkte. Hinter den meist xenophoben Argumenten versteckten sich auch antisemitische Tendenzen.(1)

Jüdische Geschäftsarchitektur präsentierte sich oft schon früh in modernem Gewand. Hier das 1932 errichtete Gebäude Grünstein. Ecke Großgasse und Grabenstraße, mit dem Pelzgeschäft „Fourrures Jenny“. „A la Bourse“ wurde kurz danach neugebaut. (Foto: Bernard Kutter, um 1936, Quelle: Photothèque de la ville de Luxembourg)

„Monsieur le Gouverneur, […] J’ai remarqué […] avec quelle facilité de petits marchands étrangers surtout italiens ou juifs, parviennent à se procurer sur notre territoire un domicile fictif dans quelque cabaret de village, afin de se soustraire à la patente de 24 florins imposée au colporteur étranger. mehr lesen / lire plus

JÜDISCHE EMANZIPATION (4/6): Ein jüdischer Abgeordneter

Mit dem Linksliberalen Marcel Cahen zog 1922 erstmals ein jüdischer Politiker ins Luxemburger Parlament ein. Sein Erfolg demonstrierte die Öffnung der Luxemburger Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg.

Ein engagierter Redner in der „Chamber“: Profil von Marcel Cahen während der Parlamentsdebatten, dargestellt von einem „Tageblatt“-Zeichner, 1931.

1919. Der Krieg war vorbei, am 18. Mai hatte die Abgeordnetenkammer, im Rahmen einer groß angelegten Verfassungsreform, die Einführung des allgemeinen Wahlrechts beschlossen. Dieses sollte nicht mehr nur Männern mit Besitz , sondern allen erwachsenen Frauen und Männern zustehen. Der Begriff „allgemein“ war dabei relativ: Wie selbstverständlich blieben all jene von politischen Rechten ausgeschlossen, die nicht die Luxemburger Nationalität besaßen. mehr lesen / lire plus

JÜDISCHE EMANZIPATION (3/6): „Hyänen“ und „Parasiten“

Antisemitische Äußerungen waren im Ersten Weltkrieg nicht mehr nur der katholischen Presse vorbehalten, sondern wurden auch in linken Zeitungen formuliert: Die Figur des galizischen Wucherers fügte sich in der Zeit von Hunger und Mangel ein in den antikapitalistischen Diskurs.

„Butterpolonaise“ in Esch während des 1. Weltkriegs.

Am 19. Februar 1907 meldete das „Luxemburger Wort“, „galizische Arbeiter“ seien durch einen Agenten nach Luxemburg gebracht worden, um in verschiedenen Fabriken zu arbeiten. Wenngleich damit nun erstmals von leibhaftigen „Galiziern“ in Luxemburg berichtet wurde, war hierzulande bereits seit dem 19. Jahrhundert von galizischen Juden die Rede. Vor allem in Berichten des „Luxemburger Wort“ zur „Judenfrage“ und zu den Judenpogromen in Österreich-Ungarn und Russland fanden sie reichlich Erwähnung: als Profiteure und arbeitsscheue Gesellen, die sich auch dem Militärdienst entzögen, als Wucherer, die Handwerk und Ackerbau verschmähten, oder als gefährliche Revolutionäre. mehr lesen / lire plus

JÜDISCHE EMANZIPATION (2/6): „Man kann aber Antisemit und doch ein guter Katholik sein“

Der „Fall Dreyfus“ in Frankreich, ein Spionage-Prozess um einen jüdischen Armee-Hauptmann, bewegte um die Jahrhundertwende ganz Europa. Auch in Luxemburg verhandelte die Presse an diesem Beispiel den gesellschaftlichen Status von Juden und Jüdinnen.

Robert Brasseur, Berichterstatter der „Luxemburger Zeitung“ zum Dreyfus-Prozess in Rennes, mit anderen Journalisten (mittlere Reihe, dritter von links). (Quelle: Biographie nationale, vol. 10, fasc. 19, S. 104.)

Der Prozess um den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus war eines der ersten Exempel moderner Medienberichterstattung, eine Presse-Affäre, die nicht nur Frankreich, sondern Europa und die gesamte sogenannte zivilisierte Welt in Atem hielt. Luxemburg machte keine Ausnahme. „Wir haben uns während des Dreyfusprozesses bemüht, allen billigen Forderungen, die in dieser Hinsicht an ein gut unterrichtetes Blatt gestellt werden können, nach Kräften gerecht zu werden,“ warb die „Luxemburger Zeitung“ 1899 um Leserschaft. mehr lesen / lire plus

JÜDISCHE EMANZIPATION IN LUXEMBURG (1/6): „Man gibt eine ganze Classe ehrbarer Bürger dem Hasse preis“

Die Französische Revolution brachte vielen, die zuvor aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren, die Gleichberechtigung. Dazu gehörte auch die jüdische Minderheit. Doch noch ein Jahrhundert später kämpften katholische Priester gegen dieses Prinzip.

Vikar Jean-Nicolas Breisdorff und Generalvikar Jean-Baptiste Fallize, beide auch Abgeordnete, führten die Redaktion des „Luxemburger Wort von 1855 bis 1885 bzw. von 1885 bis 1887. In dieser Zeit nahmen dort die antisemitischen Anwürfe stark zu.

„Das ?Luxemburger Wort für Wahrheit und Recht` bringt seit einiger Zeit die heftigsten Artikel gegen Juden und Judenemanzipation. Man fragt sich vergebens nach dem Zwecke dieser Artikel“, wunderte sich der Luxemburger Großrabbiner Samuel Hirsch 1850 im „Courrier du Grand-Duché“. mehr lesen / lire plus