Tram-Design
: Multiplicity auf Schienen

Luxemburg wird eine baskische Trambahn mit ganz eigener Gestaltung bekommen. Am Mittwoch wurde das große Geheimnis gelüftet.

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(Illustrations : Luxtrams)

„Wir sind ganz gut in der Zeit“ – Infrastrukturminister François Bausch ist voller Zuversicht, dass wie geplant im zweiten Semester 2017 die erste Trambahn der neuen Generation in Luxemburg ihren Dienst aufnehmen wird. Und auch Stadtbürgermeisterin Lydie Polfer zeigte Vorfreude und fast schon Ungeduld, als am Mittwoch das Design der neuen Trambahn im „Héichhaus“ der Presse vorgestellt wurde. „Wir freuen uns drauf“, meinte die einstige Tramgegnerin, die vor 15 Jahren den Busdienst der Stadt Luxemburg veranlasst hatte, mehrere Gelenkbusse aneinander zu koppeln, um zu demonstrieren, dass es technisch unmöglich sei, sicher mit einem Gefährt von der Länge der Trambahn durch die engen und winkligen Gassen der Hauptstadt zu kurven.

Das „Bus-Tram-Bunn“-Projekt (BTB) überlebte die 1999 zustanden gekommene CSV-DP-Regierung nicht. Eigentlich schon 2002 hätte Luxemburg ein modernes, schienengebundenes innerstädtisches Transportmittel bekommen sollen. Doch mit dem Slogan „Keen Zuch duerch d’Stad“ wurde das Vorhaben erfolgreich abgewürgt. Eine Koalition und fünf Jahre später änderte sich dann die Sprachregelung, und „de liichten Tram“ wurde zum Projekt aller Parteien – bis auf die ADR, die sich für eine unterirdische Lösung stark machte.

Doch trotz breitem politischen Konsens geriet die Trambahn ein weiteres Mal ins Schlingern, als die Finanzkrise des Jahres 2008 das Vorhaben auf der Prioritätenliste des Budgetministers um einige Stufen nach unten beförderte. 2013 jedoch konnte auch die neue politische Krise dem Tramprojekt nichts mehr anhaben: Claude Wiseler (CSV) deponierte, als nur noch geschäftsführender Minister, das Tramgesetz, das sein grüner Nachfolger dann in der Folge ausführen durfte.

Drei Angebote

Im Herbst 2014 wurde die Luxtram S.A. gegründet, die mit dem Bau der Trambahn beauftragt ist, anschließend aber auch ihren Betrieb übernehmen soll. Bei der Gründung wurden auch die technischen Leitlinien für die Bahn festgelegt, die es erlaubten, im Frühjahr 2015 europaweit einen Auftrag für die Lieferung von zunächst 21 Tramzügen auszuschreiben.

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Neun sogenannte „pôles d‘échange“ sind auf der Luxtram-Strecke vorgesehen, die den Übergang zu anderen Verkehrssystemen erleichtern sollen.

Ein wichtiger Aspekt dieser Ausschreibung: Um das Stadtbild nicht zu beeinträchtigen, soll die Luxemburger Tram im Stadtzentrum und auf dem Plateau Bourbon ohne Oberleitung fahren. Die technischen Lösungen hierfür sind neuartig und wohl auch noch nicht frei von Kinderkrankheiten. Wieso also das Vorhaben aufwändiger und womöglich teurer machen? Tram-Puristen rümpften ob solcher Beeinträchtigungen zunächst die Nase – eine Tram ist nun einmal ein mit Strom betriebenes Schienenfahrzeug; weshalb sollte das dem Publikum verborgen werden?

Sieben Unternehmen forderten die Unterlagen der Ausschreibung an, aber nur drei reichten auch tatsächlich ein Angebot ein: Alsthom (Frankreich), Stadeler (Schweiz) und CAF (Spanien). Den Zuschlag erhielt dann die im Baskenland angesiedelte Firma „Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles“, aufgrund des „technisch und finanziell besten Angebotes“, wie François Bausch erklärte. Die CAF hat schon in verschiedenen Städten mit der sogenannten „Biberonnage“-Technik Erfahrung gesammelt: Extra schnell ladende Batterien in den Tramwagen werden hier bei jedem Halt von unten in wenigen Sekunden aufgeladen, was es erlaubt, auch ohne ständige Stromzufuhr über die Oberleitung bis zur nächsten Station zu gelangen.

CAF hat unter anderem die Trambahnen von Stockholm, Birmingham, Nantes und Saragossa gebaut und beliefert Städte auf allen Kontinenten mit ihrem „Urbos“-Modell. Die jüngst hinzugekommenen – Sydney (Australien) und Boston (USA) – belegen, so François Bausch, dass die Tram „weltweit eine Renaissance erfährt“.

Die Luxemburger Tramwagen sollen bis zu 450 Fahrgäste fassen können. Es besteht die Option, die zunächst 45 Meter langen Fahrzeuge zu einem späteren Zeitpunkt auf 55 Meter zu verlängern und die Kapazität auf 550 zu erhöhen. Aber, rechnet Luxtram-Präsident René Biwer vor, schon in der Grundausstattung wird die angestrebte Kapazität von 10.000 Personen pro Stunde und pro Richtung in den Spitzenstunden erreicht, wenn alle sechs bzw. drei Minuten eine Bahn auf die Strecke geht.

Künstler am Werk

83 Millionen Euro soll die Lieferung der ersten 21 Tramzüge kosten – mit dieser Summe ist auch das speziell für Luxemburg erstellte Design abgedeckt, das laut Lydie Polfer sowohl das Traditionelle – etwa die Rundbögen des Pont Adolphe – als auch das Moderne – wie auf Kirchberg – darstellen soll. Der Designer Eric Rhinn zeichnet für die besondere „Nase“ des Luxemburger Urbos-Variante verantwortlich. Sämtliche technischen Aggregate, die auf dem Dach der Tramwagen untergebracht sind, werden beim Luxemburger Modell zudem durch hohe seitliche Blenden abgedeckt, was die immerhin 2,65 Meter breiten Wagen sehr schlank aussehen lässt.

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Nach Möglichkeit werden die Tramzüge auf einem Graasbeet – wie hier auf Kirchberg verkehren.

Michel Léonardi und Isabelle Corten wurden als Künstler zu Rat gezogen. Ein besonderer Schwerpunkt wurde auf die Beleuchtung im, aber auch am Fahrzeug gelegt. So werden die Seitentüren in fünf verschiedenen Farben erstrahlen, was besonders nachts an die „Multiplicity“-Farbpalette der städtischen „Corporate Identity“ erinnern soll. Auch das bei derselben Gelegenheit präsentierte neue Luxtram-Logo greift dieses Farbthema auf.

Die Möglichkeit einer künstlerischen Ausgestaltung war Bestandteil der Ausschreibung, die aber auch etwas handfestere Vorgaben machte. So werden die Wagenböden durchgehend ebenerdig sein. Das stufenlose Ein- und Aussteigen wird sowohl für Rollstühle als auch für Kinderwagen oder Rollgepäck zusätzlich durch achtbreite Doppeltüren auf jeder Seite erleichtert. An den Haltstellen wird es zwischen den Wagen und der Bordkannte nur einen minimalen Abstand geben, weil alles genau aufeinander abgestimmt werden kann.

Die Innenraumgestaltung der voll klimatisierten Wagen stellt einen Kompromiss zwischen hoher Fahrgastkapazität in Spitzenstunden und ausreichendem Sitzplatzangebot dar. Die Luxemburger Tramlinie, die im Endausbau zwischen Cloche d’Or und Findel verkehren wird, fährt neun Umsteighaltepunkte an, die als Endstationen der Buslinien aus den verschiedenen Regionen dienen. Auch hier sind die breiten Türen sinnvoll, weil schnelles Zusteigen auch unmittelbar die Reisegeschwindigkeit der Züge anhebt. In Spitzenstunden werden natürlich viele Fahrgäste im Stehen transportiert, aber durch die hohen Taktfrequenzen können sie besser auf mehrere Züge verteilt werden. Und die Gesamtreisezeit verkürzt sich im Vergleich zu den derzeit verkehrenden Bussen merklich. Das Gefühl „wéi Hierken an der Tonn“ herumgefahren zu werden, gehört dann, so wird versprochen, der Vergangenheit an.

Komplettes System 2021

Bislang bewegt sich die Luxemburger Variante des Urbos-Trambahn allerdings nur in einem Trickfilm (den jeder sich online im neuen Luxtram-Internetauftritt anschauen kann: www.luxtram.lu/fr/presentations-des-rames-de-tramway-de-luxembourg). Eine erste echte Tramfahrt als Testfahrt wird es wohl erst Anfang 2017 geben. Nicht nur der Minister, sondern auch Luxtram-Direktor André von der Marck ist zuversichtlich, dass die erste Teilstrecke zwischen dem bereits in Bau befindlichen „Centre de remisage“ nahe der Luxexpo und der Roten Brücke planmäßig in Betrieb genommen werden kann. Da auch die Bauarbeiten der neuen CFL-Haltestelle „Kirchberg-Pfaffenthal“ zügig vorankommen, könnten ab Herbst 2017 die ersten Reisenden von der neuen Infrastruktur profitieren. Die Fahrten aus den verschiedenen Regionen in Richtung Kirchberg werden sich drastisch verkürzen, weil der Umstieg im Hauptbahnhof entfällt.

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Der „Tramsschapp“ nahe der Luxexpo auf Kirchberg wird als erstes fertiggetsellt.

Als Fertigstellungsdatum des Gesamtsystems – also von der Cloche d’Or bis zum Findel – wird von den Verantwortlichen immer wieder das Jahr 2021 genannt, wobei auf noch ausstehende Genehmigungsverfahren verwiesen wird. Etwas weniger eindeutig sind die Aussagen zu dem Teil des Systems, der durch die Oberstadt und das Bahnhofsviertel führt. Neben den noch andauernden Sanierungsarbeiten am „Pont Adolphe“ muss auch die Modernisierung und vor allem Verbreiterung des „Pont Rouge“ abgewartet werden. Allerdings scheinen hier die diversen Verfahren ebenfalls im Zeitplan zu liegen.

Schon 2010 hatte es einen Architekten-Wettbewerb zur Ausgestaltung der Haltestellen in der Innenstadt gegeben. Allerdings waren die damals zurückbehaltenen und prämiierten Entwürfe wohl doch ungeeignet. Sowohl Bausch als auch Polfer gaben am Mittwoch an, dass diese Projekte sich bei einer späteren Begutachtung als zu schwerfällig und auch als zu teuer erwiesen hätten. Die jetzt gewählte Konzeption der Tramwagen habe aber schon zu weiterführenden Studien geführt die „sehr gut gefallen hätten“. Mehr wird wohl erst auf einer der nächsten Pressekonferenzen verraten.


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