VCD-Auto-Umweltliste: Überlistet, ausgelistet!

Gibt es ein Umweltauto nach dem Dieselgate? Nein, meint der VCD und hat in diesem Jahr seine Autoliste durch Analysen und Ratschläge ersetzt.

Kein Siegertreppchen für den Jahrgang 2016. Vorstellung der Auto-Umweltliste in Berlin. (Foto: www.vcd.org)

Kein Siegertreppchen für den Jahrgang 2016. Vorstellung der Auto-Umweltliste in Berlin. (Foto: www.vcd.org)

Wann werden E-Cars endlich gleich behandelt? Diese Frage stellt sich der Autoredakteur der woxx jedes Jahr im August, wenn die neue Umweltliste des alternativen deutschen Verkehrsclubs VCD vorgestellt wird. Doch bisher wurden die Elektroautos immer nur in einer separaten Liste ohne Ranking aufgeführt. Diese Trennung hatte technische Gründe, erschwerte jedoch die Entscheidung zwischen den – größtenteils – umweltschonenden „Elektrischen“ und den „Verbrennern“, für die es eine detaillierte Bewertung mit Top-Ten-Listen gab.

In diesem Jahr ist es endlich so weit, E-Cars und „Verbrenner“ werden gleich behandelt! Allerdings kommt diese Annäherung anders zustande als erwartet: „Mitten im Abgasskandal und der zweifelhaften Datenlage gibt es keine Platzierungen, keine Bewertung umweltbester Pkw“, teilte der Verkehrsclub am 16. August mit. Statt alle Antriebsarten zu bewerten, wird dieses Jahr auf eine Bewertung ganz verzichtet. Nach dem Bekanntwerden des Dieselgate im vergangenen Herbst hatte sich der VCD dafür entschuldigt, dass in seine Liste die gefälschten Emissionsdaten übernommen worden waren. Nun fordert er, dass von öffentlicher Seite endlich realistische Messverfahren eingesetzt werden. Am besten solle das Umweltbundesamt dies übernehmen, da das Kraftfahrt-Bundesamt ja „völlig versagt“ habe. Fürs erste aber hat sich der Verkehrsclub dafür entschieden, statt eines Rankings auf der Basis von unzuverlässigen Daten nur allgemeine Ratschläge für den Autokauf – oder den Verzicht darauf – zu geben.

Gewiss, wer gerade jetzt einen Neukauf ins Auge fasst, wird die VCD-Liste vermissen. Doch welchen Sinn hätte die Auswertung von Verbrauchs- und Emissionswertmessungen, die im besten Falle verzerrt sind, im schlimmsten Falle gefälscht und ohne Bezug zur Wirklichkeit? Der Verkehrsclub empfiehlt, sich im Bedarfsfall die von Nutzern ermittelten Werte auf der Internetplattform www.spritmonitor.de anzusehen. Auch verweist er auf das Projekt der Deutschen Umwelthilfe, die dabei ist, die Emissionswerte der meistverkauften Dieselmodelle nachzumessen – die Ergebnisse sollen im Herbst online publik gemacht werden. Bisher habe sich bestätigt, dass die meisten Wagen die legalen Grenzwerte der Euro-6-Schadstoffnorm bei weitem nicht einhalten. Auch der Verbrauch liege um bis zu 50 Prozent über den Herstellerangaben.

Den Diesel vermiesen

Was folgt hieraus? Soll man auf Elektroautos umsteigen? Nein, denn obwohl die E-Cars nun, da es keine Liste mehr gibt, gleichgestellt sind, bleibt der deutsche Verkehrsclub skeptisch. Ein Grund dafür ist, dass der Umstieg auf diese Antriebsart – wie in Luxemburg – nicht so recht in Gang kommt. Erst wenn genügend Elektroautos auf den Straßen sind, lohnt sich der Betrieb des Netzes von Lade- und Servicestationen, erst die Massenfertigung wird es ermöglichen, die Zuverlässigkeit zu erhöhen und die Kaufpreise zu senken.

W1386Bis dahin empfiehlt der VCD E-Cars für Fahrzeugflotten – vielleicht sollte das Carsharing-Angebot der Stadt Luxemburg endlich von Diesel auf Elektro umsteigen? Und für Privatnutzer, die „mehr als 50 Kilometer am Tag unterwegs sind“. Das mag paradox klingen, werden die Elektroautos doch häufig aufgrund der begrenzten Reichweite für Kurzstreckenpendler empfohlen. Doch laut VCD muss man – weil die Batterieproduktion so aufwendig ist – etwa 20.000 Kilometer mit grünem Strom fahren, um die Umweltbilanz auszugleichen. Sogar vor den vielgepriesenen Plug-in-Hybriden warnt der Verkehrsclub: Wer sie aus Bequemlichkeit mit Sprit betreibt statt sie täglich aufzuladen, verschenkt je nach Modell einen großen Teil ihres Öko-Bonus. Empörend findet der VCD, dass BMW, Daimler und Porsche immer mehr Luxusfahrzeuge als Plug-in-Hybride anbieten, um die Konzern-CO2-Bilanz zu schönen, zugleich aber die Produktion kleiner, effizienter E-Cars wie „VW up!“ und E-Smart einstellen.

Die Erkenntnis, dass Dieselfahrzeuge nicht so sauber sind wie ihr Ruf, war für das woxx-Publikum keine Überraschung. Seit vielen Jahren warnen wir davor, wegen des niedrigeren CO2-Ausstoßes dieser Antriebsart die durch Feinpartikel und Stickoxide verursachte Luftverschmutzung auszublenden. So hatte 2013 der unabhängige Experte Michel Cames auf unseren Diesel-kritischen Beitrag zum Autofestival reagiert und uns zusätzliche Informationen über die politisch gewollte Bevorzugung des Dieselkraftstoffs gegeben.

Dennoch waren auch wir, wie der VCD, überrascht über die kriminelle Energie, mit der die Autohersteller ihre Emissionswerte geschönt haben. Doch die Welle der Empörung scheint sich an den Lobbies und den politischen Institutionen weitgehend zu brechen: Statt die Einhaltung der Grenzwerte durchzusetzen legt die EU einen Vorschlag für eine lange und großzügige Übergangsregelung vor. Kein Wunder, hatten die zuständigen Politiker doch stets beide Augen vor den Hinweisen auf die Betrügereien fest zugedrückt. Und auch bei den Autofahrern lässt das Umdenken auf sich warten – zu unklar sind die Signale aus der Politik, zu billig ist der Dieseltreibstoff.

Oeko-flop-ten

2013 hatte die woxx, nicht zum ersten Mal, die Diesellastigkeit der luxemburgischen Oeko-Topten-Liste beanstandet. Die Verantwortlichen hatten damals Erklärungen dafür geliefert. Doch noch im Januar 2016, also nach dem Dieselgate, taten sie sich schwer, diese Antriebsart kritisch zu betrachten. Immerhin riet der Oekotopten-Ratgeber damals erstmalig, „Benzinmodellen den Vorrang vor Diesel [zu] geben“ – eine Empfehlung, die mittlerweile leider wieder aus dem Text gestrichen worden ist. Bedauerlich ist außerdem, dass die empfohlenen Autos insbesondere in der Kategorien Kleinwagen immer noch zahlreiche Dieselmodelle umfassen.

Vielleicht liegt das daran, dass der Oekotopten-Partner, der schweizerische Verkehrsclub VCS (www.verkehrsclub.ch), seine Umweltliste erst im März erneuert hat und die Oekotopten-Empfehlungen noch von Januar stammen. Der VCS hat sich, anders als der VCD, entschieden, ein Ranking zu veröffentlichen. Dabei wurde der Stickoxidausstoß für die meisten Dieselmodelle mit fünf multipliziert, um eine realistische Bewertung der Luftbelastung zu erreichen. Das blendet die Problematik der falschen Verbrauchsdaten aus und ist ziemlich ungenau, führt jedoch dazu, dass diese Antriebsart kaum mehr unter den empfohlenen Autos auftaucht. Damit schneidet zum Beispiel der Renault Clio Grandtour Energy dCi 90 ziemlich schlecht ab – auf www.oekotopten.lu wird er jedoch weiterhin empfohlen. Höchste Zeit für ein Update!

1386r-Auto-TELEXXDie Erdgasfahrzeuge, die ebenfalls erst vor sieben Monaten ihren Weg in die Oekotopten-Listen gefunden haben, sind zum Glück weiterhin präsent. VW „eco up!“, Seat Mii 1.0 Ecofuel und Skoda Citigo 1.0 G-TEC gehören auch zu den ersten Empfehlungen beim VCD – schade nur, dass es in Luxemburg nie eine konsequente Förderpolitik für diese Antriebsart gegeben hat. Die kleinen Benziner Citroen C1, Peugeot 108 und Toyota Aygo hält der VCD trotz der unklaren Datenlage ebenfalls noch für empfehlenswert. Wer’s größer braucht, sollte sich für Hybride mit oder ohne Stromanschluss entscheiden, sofern sie, wie der Toyota Prius, auch im Mischbetrieb gute CO2-Werte aufweisen. Wie bereits zuvor warnt der VCD vor den besonders effizienten Benzinern mit Direkteinspritzung: Sie erzeugen besonders kleine und gefährliche Feinpartikel. Die gute Nachricht ist, dass künftig bei Daimler, VW, Peugeot und Citroën Partikelfilter eingebaut werden sollen – hier heißt es abwarten.

Ohnehin ist Abwarten das, was der VCD an erster Stelle allen Autokäufern empfiehlt: Wenn möglich den alten Wagen behalten und die Kaufentscheidung erst dann treffen, wenn zuverlässigere Verbrauchs- und Abgaswerte vorliegen. Und am besten sollte man sich fragen, ob man ein Auto überhaupt benötigt: „Wie steht es um die Optionen E-Bike, Lastenrad, CarSharing, ÖPNV?“ Denn, wie Hermann Knoflacher provozierend sagt, „der Mensch wird zum Autofahren gezwungen“. Wer aufgrund der Verwicklungen durch den Abgasskandal am Ende feststellt, dass er weitgehend aufs Auto verzichten kann, für den hat sich der Ärger jedenfalls gelohnt.

Details zur Auto-Umweltliste ohne Sieger: www.vcd.org

-> Update Januar 2017: Alle Beiträge zum Autofestival


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