Vermummungsverbot
: Instrumenta
lisierte 
Debatte


Es spricht vieles dafür, dass ein Verschleierungsverbot die Gesellschaft eher spaltet als eint. 
Zu einem bevormundenden Umgang mit Frauen gesellt sich hier nämlich eine herablassende, verbietende Haltung gegenüber dem muslimischen Glauben.

Wird das Vermummungsgesetz in Luxemburg auch Niqab und Burka betreffen? (Foto: Wikimedia Commons)

Islam, Unterdrückung, Flüchtlingswelle, Terrorgefahr – die Vorstellung einer vollverschleierten Frau erhitzt die Gemüter schon alleine deshalb, weil mit ihr derart viele, schon für sich genommen kontroverse Themen in einen Zusammenhang gebracht werden. Doch gerade durch die Vermischung oder vielmehr Gleichsetzung dieser Aspekte entfaltet sich die destruktive Sprengkraft der aktuellen Debatte.

Diese flammte in den letzten Jahren in diversen Ländern vor allem im Zusammenhang mit Diskussionen über ein gesetzliches Vermummungsverbot auf. Laut diesem dürfen Personen in der Öffentlichkeit ihr Gesicht nicht so verdecken, dass es nicht identifiziert werden kann. In Ländern wie Deutschland ist das Vermummungsverbot im Versammlungsgesetz geregelt und tritt nur dann in Kraft, wenn die betreffende Person TeilnehmerIn einer öffentlichen Veranstaltung ist. Typischerweise trifft es Demonstrierende, die, um ihre Anonymität zu wahren, Masken oder Sturmhauben tragen. Das Verbot soll es ermöglichen, Straftaten zu verfolgen, indem TäterInnen anhand von Foto- oder Videomaterial identifiziert werden können. In Ländern wie Frankreich, Spanien, Belgien oder den Niederlanden gilt das Vermummungsverbot darüber hinaus auch für die Vollverschleierung mittels Burka oder Niqab. Neben der Möglichkeit zur Identifizierung werden hier zusätzlich Argumente wie Geschlechtergerechtigkeit und Ähnliches angeführt. Genau wie bei Masken handelt es sich bei Burka und Niqab zwar auch um gesichtsverhüllende Kleidungsstücke, doch in ihrem Fall ist die Verschleierung religiös begründet, weshalb argumentiert werden kann, dass sie durch den Grundsatz der Religionsfreiheit legitimiert wird. Diese setzt freilich nicht nur ein gleichwertiges Nebeneinander der Religionen voraus, sondern auch die Neutralität des Staates in religiösen Belangen.

Pseudofeminimus

Beim Einsatz um mehr Geschlechtergerechtigkeit wird vielfach das Argument vorgebracht, die feministische Grundhaltung habe keine andere Wahl gelassen, als sich für diese armen Musliminnen einzusetzen. Dabei kann wohl kaum davon ausgegangen werden, dass ein Verbot der Verschleierung den betroffenen Frauen bereits zu einer uneingeschränkten und selbstbestimmten Fortbewegung im öffentlichen Raum verhilft. Falls eine Person tatsächlich zum Tragen einer Burka gezwungen wird, ist mit dessen Verbot zwar vielleicht das offensichtlichste Anzeichen ihrer Unterdrückung beseitigt, an der Unterdrückung selbst ändert sich jedoch nichts. Die Burka ist das Symptom, nicht die Ursache des Problems. Im Jahr 2015 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass das „Burkaverbot“ unter der Voraussetzung legitim sei, dass der Staat mit der Maßnahme das Zusammenleben in der Gesellschaft zu fördern versucht. Von welchem Zusammenleben kann hier jedoch die Rede sein, wenn ein Verbot gegebenenfalls dazu führt, dass diese Frauen fortan nicht mehr das Haus verlassen können? Und was sagt es aus, wenn unter „Begünstigung des Zusammenlebens“ verstanden wird, dass alle so aussehen müssen wie „wir“?

Dass ein Verschleierungsverbot nichts mit Feminismus zu tun hat, wird besonders deutlich, wenn man zum Vergleich ähnliche Diskussionen über Frauenkörper heranzieht. In der einen Kultur kommt es darauf, möglichst viel von ihm zu zeigen, in der anderen, ihn möglichst vollständig zu verstecken. Doch in beiden Fällen geht es darum, den Erwartungen von Männern gerecht zu werden. Natürlich ist es leichter, den Sexismus anderer Länder und Kulturen zu kritisieren, als den eigenen zu hinterfragen – ein tatsächlicher Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit wird auf diese Weise allerdings nicht erfolgen. Nicht die religiöse Verschleierung ist eine Bedrohung für demokratische Grundwerte, struktureller Sexismus und Rassismus sind es.

Verschleierter Rassismus

Und damit wären wir beim zweiten Motiv, das sich hinter dem Einsatz für die unterdrückten, muslimischen Frauen verbirgt, der Xenophobie. Die Verteidigung der „eigenen“ Werte nämlich geht allzu oft mit einer Ablehnung fremder Kulturen einher. Vollverschleierte Frauen sind so gesehen nur Austragungsort einer sehr viel weitreichenderen Debatte.

Während der Pseudofeminismus mancher Diskussionsparteien noch als unreflektierter Fehltritt abgetan werden kann, ist nicht zu übersehen, dass der Rechtsruck in den westlichen Demokratien ein eminentes Gefahrenpotenzial der Instrumentalisierung zum Zweck der Ausgrenzung birgt. Viel zu oft ist die Debatte nämlich Ausdruck einer real empfundenen Bedrohung. Mit Blick auf kommende Wahlen reagieren PolitikerInnen eigenen Aussagen nach auf bestehende, gesellschaftliche Ängste, die sie durch ihre Entscheidungen jedoch nur unnötig befeuern und legitimieren. Das Verschleierungsverbot befördert den Verdacht, dass unter Burka und Niqab unauffällig – und gegen Kontrollen immun – Handgranaten oder Sprengstoffwesten verborgen werden. Aber erstere lassen sich auch einfach in einer Jackentasche verstauen und letztere unter gewöhnlichen Pullovern verstecken. Schon alleine aufgrund der Tatsache, dass in Europa keine Angriffe oder Anschläge durch vollverschleierte Personen verübt worden sind, müsste eher das Tragen von Rucksäcken oder langen Mänteln verboten werden. Hinzu kommt, dass vielen nicht die Unterschiede zwischen einzelnen islamischen (oder etwa auch hinduistischen) Kopfbedeckungen bekannt sind, sodass ein Verschleierungsverbot schlimmstenfalls zu einer Stigmatisierung nicht nur von Burka- und Niqab-, sondern auch beispielweise Tschador- oder Hijabträgerinnen führen könnte. Bei diesen Personen handelt es sich zudem meist um Migrantinnen oder Geflüchtete, in jedem Falle Frauen of color – sie sind daher schon mehr als genug von struktureller Diskriminierung betroffen.

(Foto: @Max Pixel)

Statt die Probleme auf die Frage der Kleidungsstücke zu reduzieren, wäre es produktiver, sich um ein weniger stigmatisiertes Bild dieser Frauen zu bemühen. Die zentrale Frage ist nicht, ob die Vollverschleierung für Unterdrückung steht, sondern, weshalb Männer überhaupt ein Mitspracherecht haben sollen, wenn es um die äußere Erscheinung von Frauen geht – in muslimischen Kulturkreisen und außerhalb. Man kann sich auch fragen, weshalb bei den ganzen Diskussionen so selten vollverschleierte Frauen selbst zu Wort kommen oder nach ihren Beweggründen und Vorlieben befragt werden. Im Zentrum steht die Wahrnehmung dieser Frauen als Bedrohung, als ebenbürtige Mitglieder unserer Gesellschaft werden sie nicht anerkannt.

Sollte die luxemburgische Regierung wirklich entschlossen sein, das Vermummungsverbot auf nationaler Ebene einzuführen, bleibt nur die Hoffnung, dass sie sich zumindest eher am deutschen als am französischen Modell orientiert. Während in Frankreich rund 200 Frauen entweder Niqab oder Burka tragen, sind es in Luxemburg rund zehnmal weniger. In Anbetracht dessen wäre eine Ausweitung des Vermummungsverbots auf Verschleierung nicht viel mehr als ein Akt von Symbolpolitik. Sie wäre ein Zeichen dafür, dass die Regierung Misogynie statt Feminismus, Stigmatisierung statt Integration und Aufklärung fördert. Aber auf sexistische und xenophobe Ressentiments in der Bevölkerung mit sexistischen und xenophoben Gesetzen zu reagieren, kann nicht der richtige Weg sein.


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