Wahljahr 2018: Wachstumsdebatte versachlichen

Die notwendige Debatte über Luxemburgs Zukunftsmodell taugt nicht zur Wahlkampfpolemik.

Ein Bild aus alten Tagen als Claude Wiseler und Étienne Schneider noch an einem Strang zogen: Die Einweihung der Fluglinie Istanbul-Luxemburg im Juni 2013. (Quelle: wikicommons CC 3.0)

Er sieht aus wie Everybody‘s-Darling, und auch rhetorisch steht ihm die Rolle des Brückenbauers besser als die des Einpeitschers, der alle auf eine einzige, politisch vermutlich gewinnbringende Linie zwingt. Trotzdem sind die Wähler*innen Claude Wiseler weniger wohlgesonnen als seiner Partei, der CSV. Und auch der doch recht beachtliche Wahlsieg der CSV bei den kürzlichen Kommunalwahlen scheint dem Spitzenkandidaten und Premier in spe wenig zu nutzen. Zu Junckers Zeiten war es zumeist umgekehrt: Der konnte seine Partei allein durch seinen persönlichen Bonus aus dem Tief holen – „déi mam Juncker“ eben.

Sicher: Es gilt die Beliebtheits- und Kompetenzumfragen, die TNS-Ilres im Auftrag des Luxemburger Wortes durchgeführt hat, mit Vorsicht zu genießen. Die hierbei entstandene „Hitparade“ der am besten bewerteten Luxemburger Politiker*innen liest sich eher wie die Zusammenstellung der politischen Akteure, die am wenigsten anecken. Außenminister und Parlamentspräsident führen unverändert die Liste an – wobei letzterer seine Zugehörigkeit zu ihr erst einfordern musste, war er doch in früheren Politbarometern für sie gar nicht vorgesehen.

Die Minister*innen, die sich die Finger am wenigsten schmutzig machen, schneiden meist auch am besten ab. Ähnliches gilt für Oppositionsvertreter: Der CSV-Spitzenkandidat, der verpflichtet ist, sich zu allem zu äußern, muss sich seiner parteiinternen Dauerkonkurrentin, die sich ihre Themen aussuchen kann, geschlagen geben.

Gibt sich Claude Wiseler dann einmal etwas aggressiver, wie beim Oppositionsbriefing am vergangenen Montag, dann scheint ihm auch das wenig zu nutzen. Wie beim Tennis kann ein scharfer Serviceball schnell zum Erfolg führen, wird er aber geschickt gekontert, kehrt sich die Lage ebenso schnell um.

Der Vorwurf an die Dreier-Koalition, ihre Hauptleute würden mit einer Stimme sprechen und brächten politisch im kommenden Jahr nichts mehr auf die Reihe, verfehlte seinen Effekt, als der Regierungs-Vize Etienne Schneider in einem offenen Brief den Spieß umdrehte. Dabei ist die Analyse von Wiseler, wonach die Aussagen von François Bausch und Etienne Schneider etwa zum Thema Wachstum unvereinbar seien, sicher nicht falsch.

Natürlich gibt es eine Debatte in unserer Gesellschaft über unterschiedliche Wachstumsmodelle. Und es stimmt auch, dass gerade zu diesem Thema die Dreierkoalition eine uneinheitliches Bild abgibt. Aber die Debatte dringt ja bis in die Parteien hinein, und vor allem die CSV als „Volkspartei“ verinnerlicht diesen Zielkonflikt wie kaum eine andere Partei. Übrigens nicht nur in der Wachstumsfrage. Wenn Marcel Oberweis dieser Tage im Parlament zur Ursachen der Flüchtlingskrise redet, dann klingt das auch anders, als wenn Laurent Mosar Auskunft über nicht eingehaltene Rückführabkommen mit Drittländern verlangt.

(Foto: ota_photos CC3.0)

Vor allem die CSV als „Volkspartei“ verinnerlicht diesen Zielkonflikt wie kaum eine andere Partei.

Ob das vor uns liegende Jahr für die politische Arbeit verloren ist, wie Wiseler meint, oder ob es gelingt, trotz der regulären Regierungsgeschäfte und der unverzichtbaren Oppositionsarbeit parallel die Wachstumsdebatte zu führen, ohne sie in reiner Wahlpolemik zu ersäufen, liegt letztendlich an sämtlichen Kontrahent*innen.

Gerade weil die CSV nach ihrem Wahlerfolg sich im nächsten Oktober schon schon wieder fast sicher am Drücker wähnt, sollte sie in der Frage der Wachstumsmodells, das es anzustreben gilt, nicht auf jeden noch so kleinen Widerspruch bei den politischen Gegnern anspringen. Am Ende findet sich womöglich keine Partei mehr die genug Gemeinsamkeiten aufweist um als Koalitionspartnerin bereit zu stehen.


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