Wandskulpturen: Ein Herz aus Harz

Mit „American Graffiti“ feiert die Galerie Zidoun&Bossuyt den jungen Künstler Luca Dellaverson – der sich bereits jetzt auf einen unverkennbaren Stil festgelegt hat.

1321expo

Spieglein, Spieglein an der Wand …

Eindrucksvoll sind sie schon, die neuen Räume der Galerie Zidoun&Bossuyt in der Rue St. Ulric im Stadtgrund. Mehrere Zimmer und einen großräumigen Keller mit seperatem Verlies umfassend, entsprechen sie besser als die alten den Ambitionen dieser Galerie, die bevorzugt junge amerikanische Kunst der Gegenwart zeigt.

So auch die des 1987 in New York geborenen Luca Dellaverson, dessen Wandskulpturen zur Zeit unter dem Titel „American Graffiti“ ausgestellt werden. Nur dass die Bezeichnung an sich irreführend ist, denn Pop Art oder Street Art ist nicht die Spezialität Dellaversons. Ganz im Gegenteil: Die Werke, die erst beim zweiten Hinschauen ihre plastische Realität offenbaren und von weitem betrachtet wie „normale“ Bilder wirken, sind fast erschreckend nüchtern. Entweder in weiß oder schwarz gehalten, haben sie alle ein paar Dinge gemeinsam: Sie sind vielschichtig und dreidimensional. Dellaverson erzielt diesen Effekt, indem er Spiegelfragmente in Harz gießt und so dem Zuschauer sein eigenes Bild zersplittert zurückwirft.

Der Betrachter findet sich in Teilen der Bilder wieder, seine Reflexion jedoch bleibt dabei immer unter der „Kontrolle“ der Werke. Denn diese sind so konzipiert, dass sie die Spiegelsplitter manchmal reflektieren, manchmal nicht. Ebenso beeinflussen der Lichteinfall oder einfach die Beschaffenheit des Harzes das Bild, das dem Auge des Betrachters gegeben und im gleichen Moment wieder entrissen wird. Eine unaufgeregte Art, den Zuschauer einzubinden und zu einer Selbstreflexion zu bringen.

Aber Dellaverson kann auch anders und stellt dies auch gleich zweimal unter Beweis. Hinter einem Bild, das sozusagen aus dem Rahmen der Ausstellung fällt, versteckt sich eine Hommage an den französischen Maler Martin Barré, der seinerzeit die Abstraktion durch Reduktion zu neuen Höhepunkten trieb. Dellaverson reproduziert Fotos von Werken des Künstlers, vergrößert sie aber so sehr, dass die Pixel fast schon greifbar erscheinen. Mit diesem Vorgehen gelingt es ihm, den Wunsch nach purer, reiner Form Barrés zu hinterfragen und gleichzeitig zu übertreiben.

Letztlich sind es aber die von dem Künstler im feuchten Kellerverlies der Galerie hinterlassenen Wandmalereien, die der Ausstellung den Titel „American Graffiti“ verschafft haben. Doch auch hier treibt Dellaverson ein doppeltes Spiel: Die acht Graffiti sind nämlich gar nicht amerikanischen Ursprungs, sondern Reproduktionen von Tätowierungen französischer Gefängnisinsassen aus der Zeit der Jahrhundertwende. Nur durch die Hand des Künstlers, der sie an die Wände der Galerie pinselte, wurden sie amerikanisch.

„American Graffiti“ ist eine eher unaufdringliche Ausstellung, die aber gleichzeitig viel Platz für Verspieltheit bietet – die Reflexion(en) eines zwar noch jungen, aber sehr intelligenten Künstlers, der es versteht das Publikum mit in sein Werk einzubauen.

Bis zum 6. Juni in der 
Galerie Zidoun&Bossuyt.

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