Wechsel in der Regierung: Nicht die zweite Wahl?

Gelenktes Chaos oder stümperhafter Amateurismus? So oder so – die Regierungsumbildung soll wohl vor allem Xavier Bettel das Leben leichter machen.

1351editoARTIKELEinen Verlierer dürfte es nach der Regierungsumbildung sicher geben: die DP-Fraktion in der Chamber. Denn der „avocat d’affaires“ Guy Arendt war nicht nur der Vorsitzende der „commission du logement“, er fungierte auch regelmäßig als Berichterstatter bei Gesetzesvorhaben, die zwar wenig „sexy“, dafür aber umso wichtiger für den Finanzplatz Luxemburg waren. Er war wohl eine Art „valeur sûre“ wenn es darum ging, in der „juridique“ oder in der Kommission für Budget und Finanzen für Normalsterbliche kaum verständliche Texte aufzuarbeiten.

Insbesondere Fraktionschef Eugène Berger dürfte das Ende des Jahres in einer Art Katerstimmung noch vor den Feiertagen erlebt haben: Nach eigenem Bekunden wusste er bis Mittwoch Vormittag vergangener Woche weder von der Demission von Maggy Nagel, noch vom Verzicht von Lex Delles oder der Ernennung von Guy Arendt. Der erklärte allerdings im Wort-Interview, dass der Premier ihm bereits am Dienstagabend den Posten angeboten habe.

Der Fraktionschef einer Regierungsfraktion fungiert normalerweise auch als eine Art Bindeglied zwischen Parlament und Exekutive. Er muss die eigene Truppe beruhigen, wenn Regierungsentscheidungen nur schwer mit der Parteiideologie vereinbar sind. Und er muss umgekehrt die Gemütslage beim parlamentarischen Fußvolk den Regierungsmitgliedern vermitteln. Die Manövrierfähigkeit des Betreffenden in diesem Fall ist, bei einer parlamentarischen Mehrheit von genau zwei Stimmen, recht eingeschränkt, und ein gutes Finetuning wäre umso wichtiger.

Doch was, wenn das chaotische Szenario, nach dem diese Regierung umgebildet wurde, nicht aus irgendwelchen Zufällen entstand, sondern ein wohl-orchestriertes Stück nach Art moderner Musik war? Mit etwas schiefen Tönen, wechselnden Rhythmen und als großes Ganzes nur wahren KennerInnen zugänglich? Womit wir bei der Kultur angelangt wären, die also ab jetzt von einem ausgewiesenen Finanzplatz-Lobbyisten verwaltet werden soll. Auch wenn dieser nur die Besoldung eines Staatssekretärs erhält, wird er, angesichts der mikroskopischen Dimension des Kulturetats, das teuerste Regierungsmitglied pro verwalteter Steuermillion werden.

Das Intermezzo mit Lex Delles ist wohl der DP-Tradition zu verdanken, dass es im Prinzip keine Regierungsbeteiligung ohne den „liberalen“ Osten geben kann. Formal wurde der Zweitgewählte gefragt, doch wollte der nicht; der Posten stand danach zur Disposition. Bettel hatte damit freie Hand, die Nachfolge von Nagel allein an dem Kriterium der Kompetenz auszurichten. Doch weshalb fiel die Wahl für die Kultur dann auf einen nicht mehr ganz jungen, männlichen Finanzanwalt? Und das gerade nach der mit viel Spektakel inszenierten Verjüngung und Feminisierung der Parteispitze?

Im Regierungskollegium dürfte Arendt also das wirtschaftspolitische Gewicht der DP stärken.

Es ist aber mehr als offensichtlich, dass Bettel jemanden neben sich braucht, der mehr leistet, als bei Vernissagen stellvertretend für ihn das Glas zu erheben. Die „Partei der Wirtschaft“ hatte sich 2013 nicht zufällig den damaligen Direktor der Handelskammer in die Regierung geholt, doch die Erwartung, dass die Arbeitgeberseite das mit Zurückhaltung honorieren werde, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Ihr Verlangen mit großzügigen Steuergeschenken begünstigt zu werden, könnte größer nicht sein.

Im Regierungskollegium dürfte Arendt also das wirtschaftspolitische Gewicht der DP stärken. Sehr zum Unmut der Kulturszene, die sich wohl erhofft hatte, „ihren“ Staatssekretär ganz für sich zu haben.

Der Verdacht, dass das klassische „Knipperchers“-Ministerium in Zukunft zu einem großen Teil von Bettel selbst und weniger von „seinem“ Staatssekretär geleitet werden wird, wird auch durch die Ernennung des bisherigen Bettel-PR-Manns Paul Konsbrück zum „Chef de cabinet“ im Staatsministerium erhärtet: Der wird dann für seinen Boss manche heiße Kastanie aus dem regierungsorganisatorischen Feuer holen und so Bettel mehr Zeit für angenehmere Veranstaltungen herausschinden können.


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