Wider Gentechnik und Agrokonzerne: Die Natur als Partnerin

Die industrielle Landwirtschaft macht die Bauern abhängig von den Agrokonzernen. David Everard, Betreiber des Projekts Wëlle Gaart, plädiert für eine Rückbesinnung auf naturnahes Wirtschaften, das auf Manipulationen wie Gentechnologie verzichten kann.

Permakultur im Wëlle Gaart (www.wellegaart.lu).

In seiner Analyse der Reaktionen auf das jüngste Gentech-EuGH-Urteil geht David Everard auf Zeitungsartikel ein, die das „verschenkte Potenzial“ bedauern (Online-woxx: woxx.eu/crispr). Was die zahlreichen Schwierigkeiten der Landwirtschaft angeht, sind in seinen Augen Konzerne wie Monsanto nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Hier der zweite Teil seines Beitrags, der sich mit den Alternativen zur industriellen Landwirtschaft befasst:

Die Hungersnöte in den Entwicklungsländern haben wir zu verantworten. Die Probleme unserer Bauern bei diesen neuen, anhaltenden Dürren sind auch hausgemacht: riesige Monokulturen, standardisierte Fruchtfolgen und „Greening“.

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit der Problematik der Monokulturen und mit den sich zuspitzenden Problemen, die daraus folgen. Der Weltagrarbericht stellt fest, dass mehr als 24 Milliarden Tonnen Boden weltweit jedes Jahr durch Erosion verloren gehen – das sind jährlich mehr als 3 Tonnen Boden je Erdbewohner. Etwa 970 Millionen Tonnen fruchtbarer Boden gehen in der Europäischen Union jedes Jahr durch Wassererosion verloren – genug Erde, um die gesamte Stadt Berlin einen Meter anzuheben. Dies geschieht, weil wir Äcker pflügen und „nackt“ liegen lassen, sie abschließend mit einer Frucht besäen oder bepflanzen und dann peinlichst darauf achten, dass bloß keine andere Pflanze dazwischen wächst. In der Zwischenzeit sind durch Züchtung und genetische Veränderung 94 % der Gemüsearten für immer verschwunden.

Bauern in der Falle

Wie konnte es soweit kommen? Wir haben aus unseren Bauern Landwirte gemacht. Menschen, die sich gezwungen sehen, in einer immer weiter gehenden Preissenkungsspirale immer mehr zu produzieren. Wie sollen sie das anstellen? Nun, ganz einfach mit einer rationalen Herangehensweise. Mit einer industriellen Sicht auf unsere Natur, auf die uns ernährende Erde. Dies brachte eine Mechanisierung der Agrikultur mit sich und so wurde aus einem Bauern ein Produktproduzent. Unsere Bauern stehen unter einem enormen Druck immer mehr zu leisten, sitzen aber in der industriellen Falle fest. Das Saatgut und die Mittel, damit das Saatgut überhaupt funktioniert, kommen aus einer Hand. Experimente oder die Zeit einen Schritt zurück zu machen sind kaum möglich, zu prekär ist die Situation der Landwirte.

Auch die Politik wagt sich nicht an die Problematik heran: teils aus Angst, teils weil sie natürlich Teil der Lobbyarbeit dieser milliardenschweren Unternehmen ist. Und die Bauern fühlen sich nun auch noch durch die Menschen bedroht, die sich, wie sie, eine Besserung herbeiwünschen: ökologisch denkende Menschen. Dabei wäre eine Zusammenarbeit, ein Zuhören, ein Verständnis die grundlegende Voraussetzung für eine Verbesserung der Situation.

Natur schützen statt manipulieren

In unserem experimentellen Garten im Norden Luxemburgs forschen wir empirisch an anderen Herangehensweisen: Muss man jäten, um Ertrag zu erhalten? Wachsen Gemüse, Obst und Kräuter inmitten von „Unkraut“? Was ist eigentlich Unkraut? Wieso werten wir die essbaren Wildpflanzen nicht wieder kulinarisch auf, sodass wir sie nicht mehr bekämpfen müssen? Wie wäre eine andere Landwirtschaft möglich, bei der zwischen den Kulturpflanzen Bodendecker den Boden schützen und feucht halten, Wildkräuter unseren Insekten Nahrung und Lebensräume bieten und passende Nachbarpflanzen den Kulturpflanzen den natürlichen Schutz und notwendige Nährstoffe liefern, um auf Pestizide, Herbizide und Fungizide zu verzichten?

Klingt dies für Sie utopisch? Oder erkennen Sie das Potenzial, das in der Natur steckt? Eine Natur, die Milliarden Jahre und ohne Hilfe des Menschen wie ein Räderwerk funktionierte und gedieh. Erst unsere „Hilfe“ bringt sie ins Stocken. Wir müssen die Natur wiederentdecken und uns ihre Mechanismen zunutze machen, ohne wieder zu sehr eine einzige Richtung einzuschlagen. Geben wir den Bauern wieder die Freiheit Wissen anzusammeln. Geben wir ihnen die Möglichkeit wieder die Natur, die sie lieben, als Partner und nicht als zu beherrschende Wildnis zu erkennen. Lassen wir Ihnen die Wahl großen Industrien die Stirn zu bieten, indem wir Subsidien an Mut und an Naturschutz und nicht an die Größe der bewirtschafteten Fläche vergeben. Naturschutz und Produktion können Hand in Hand gehen. Das zeigen unsere Resultate in unserem Gartenprojekt deutlich.

Insofern können wir das Urteil des EuGH nur begrüßen. Das Potenzial, das in der Manipulation der Natur liegt, hat bis heute nicht viel Gutes bewirkt. Der Kunde muss die Wahl haben, sich gegen dieses Vorgehen zu entscheiden. Aber wir dürfen die weitere Entwicklung in der Landwirtschaft nicht den Lebensmittel- und Chemiegiganten überlassen. Jeder von uns, der die Möglichkeit dazu hat, sollte sich in Permakultur- und alternativen Landwirtschaftsprojekten einbringen. Informieren Sie sich über die Realität auf dem Feld. Sprechen Sie mit Landwirten. Weichen Sie nicht von der Linie des Naturschutzes ab. Keine Argumentation, die sich für Produktion aber gegen Naturschutz einsetzt, hat eine Zukunft. Ohne Natur, keine Produktion.

David Everard
Autor und wilder Gärtner
De Wëlle Gaart

Zwischentitel und Habillage: woxx
Der erste Teil dieses Beitrags ist den Reaktionen von deutschen Zeitungen auf das EuGH-Urteil gewidmet. Er wurde in der Online-Ausgabe der woxx veröffentlicht (woxx.eu/crispr).

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