Worldmusik: Die Lerchen swingen


Roma-Musik in der Philharmonie? Ja, das geht mit der inzwischen berühmten Fanfare Ciocărlia.

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Bringt Schwung in die Philharmonie: Fanfare Ciocărlia.

Blasmusik der Roma aus Südosteuropa ist eine etablierte Größe in der Musikszene von heute. Aus Serbien kommen Boban & Marko Markovic, serbisch-kroatische Wurzeln hat Goran Bregovic (der im April wieder nach Luxemburg kommt), und der verschwitzte Clubsound von Shantel speist sich aus den bukowinischen Wurzeln dieser Gruppe. Diejenige, die das Feld von Rumänien aus bestellt hat, ist die Fanfare Ciocărlia. 1998 erschien ihr erstes Album „Radio Pascani“, mit 23 zum Teil sehr rauen, noch ungeschliffenen Stücken, die ganz nah an dem sind, was die Gruppe auf den Dorf- und Familienfesten im ländlichen Nordosten Rumäniens zum Besten gab, nämlich Tanzmusik mit Pauke, Trompeten, Klarinetten, Saxophonen und Tuben. Da werden musikalische Energien lebendig, die in Westeuropa durch die wohltemperierte, „schöne“ Musik verdrängt worden sind. Da schräpt und tutet es auch zu ungeraden Rhythmen in zum Teil schwindelerregendem Tempo. Das ist ungebremste Spielfreude, die dem des Punk in Großbritannien Ende der 1970er Jahre sehr ähnlich ist – mit dem Unterschied, dass die Musikanten hier ihre Instrumente beherrschen und es sich um Volksmusik handelt. In kürzester Zeit wird die Lerchenkapelle (Ciocărlia heißt Lerche) damit zu einem der heißesten Acts der noch jungen, gerade aufblühenden Weltmusikszene und hat bis heute beachtliche 150.000 Exemplare ihres Debütalbums verkauft.

Die Blaskapellen auf dem Balkan verdanken ihre Existenz wohl der Militärmusik der Osmanen und der Habsburger, die hier lange Zeit politisch und kulturell den Ton angaben. Allerdings ist die Blaskapelle nicht die einzige Form, in der Roma auf dem Balkan Musik machen. Andere Romabands, wie die ebenfalls rumänische Taraf de Haidouks, bevorzugen Saiteninstrumente und das Akkordeon.

Der Mann, der Fanfare Ciocărlia den Weg nach Westeuropa und in die USA geöffnet hat, ist der Leipziger Tontechniker Henry Ernst, der sie 1996 zufällig in ihrem Dorf Zece Prajini spielen hörte und so fasziniert war, dass er beschloss, vollends in die Musikbranche einzusteigen. Er gründete eine Konzertagentur und das Label Asphalt Tango, mit denen die Gruppe bis heute verbunden ist. Für Ernst steht die Musik im Vordergrund, er hofft aber auch, die in ganz Europa verbreiteten Ressentiments gegenüber Sinti und Roma aufbrechen zu können.

1999 veröffentlichte Fanfare Ciocărlia das ebenfalls traditionelle Album „Baro Biao“, nahm aber später auch nichtrumänische Stücke in ihr Repertoire auf, wie Gershwins „Summertime“ und Steppenwolfs „Born to Be Wild“. Egal, was sie anpackt, es wird immer eine Romahochzeit. Ein besonderer Höhepunkt ist ihre CD „Queens and Kings“ von 2007. Hier spielt sie mit anderen Romamusikern vom Balkan und aus Frankreich, wie der „Queen of Gypsies“ Esma Redzepova aus Mazedonien, und macht aus ihrem Weltmusikhit „Iag Bari“ gemeinsam mit dem Franzosen Kaloome einen rumänischen Flamenco. 
2011 produzierte sie zusammen mit dem serbischen Boban & Marko Markovic Orchestra das Album „Balkan Brass Battle“. In augenzwinkernder Konkurrenz blasen sich beide Gruppen durch ein Repertoire aus eigenen Stücken und Fremdkompositionen. Duke Ellingtons „Caravan“ und das ewige Thema aus den James Bond Filmen sind überraschende Höhepunkte.

2014 schlug sie ganz neue Töne an. Es erschien ihre CD „Devil‘s Tale“, eingespielt mit dem kanadischen Gitarristen und Banjospieler Adrian Raso. Raso spielt „Gypsie-Swing“, also einen Stil, der im weitesten Sinne mit dem Namen Django Reinhardts verbunden ist. Das ist schon eine spezielle Fanfare Ciocărlia-Platte, mit Kompositionen ausschließlich von Raso. Das wilde Balkangeblase ist hier zurückgefahren zugunsten einer geraderen, kooperationsdienlichen Spielweise. In Luxembourg hat Fanfare Ciocărlia schon mehrfach begeisternde Konzerte gegeben. In der Philharmonie tritt sie in nun zusammen mit Adrian Raso auf. Man darf gespannt sein, wie das kanadisch-rumänische Romakollektiv auf der Bühne funktioniert. Wie man hört, will das Orchester auch einige Stücke seines neuen Albums „Onwards to Mars“ zum Besten geben, das zu seinem 20jährigen Jubiläum im April erscheinen soll.

Adrian Raso & Fanfare Ciocărlia, am 
15. März um 20 Uhr im großen Saal der Philharmonie Luxemburg.

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