INSTALLATION: Das Schaf in der Sackgasse

Was hat ein ausgestopftes Schaf auf Rollen und mit einer goldenen Krone auf dem Kopf in einer Ausstellung von Kunstobjekten verloren? Sein Leben hat es verloren. Und seine übergeordnete Stellung als Leitschaf ist auf die Person übergegangen, die es in seinen jetzigen leblosen Zustand versetzt hat. Ein Versuch unsere Gesellschaft darzulegen, die aus hierarchischen Strukturen, Machtgewinn und Machtverlust besteht.

So etwa erklärt der Berliner Künstler Martin Werthmann die Objekte seiner Kunstausstellung „Scenery“, die derzeit in der Galerie Lucien Schweitzer zu sehen ist. 1982 in Gießen geboren, absolvierte Werthmann eine Ausbildung zum Industriemechaniker, bevor er sich dem Studium der freien Kunst an der Akademie für bildende Künste in Hamburg zuwandte. Während seiner Studienzeit stellte er in verschiedenen europäischen Ländern aus und machte sich insbesondere mit seiner Ausstellung „obwohl ich schlief, als er warf“ aus dem Jahr 2009 einen Namen. „Scenery“ ist seine erste Ausstellung in Luxemburg. Zwar bedeutet der Begriff im eigentlichen Sinne Bühnenbild oder Landschaft, doch Werthmann will damit auf die Tatsache verweisen, dass Menschen zur Gestaltung der Welt beitragen, gleichzeitig aber auch von ihr geformt werden.

Im ersten Raum der Galerie wird der Besucher mit bunten, wandgroßen Gemälden konfrontiert, die weiße Plastikstühle und Taucher mit überproportional großen Helmen zeigen. Und schon stellen sich die ersten Fragen: Ließ sich der Künstler von Gartenstühlen aus weißem Plastik inspirieren? Ist er passionierter Hobbytaucher? Die Frageliste wird im zweiten Ausstellungsraum länger. Fühlte sich der Künstler während der Fußballweltmeisterschaft durch den Jubel der Fans in seiner Arbeit gestört und hat er vielleicht deshalb aus Protest die Innenseite eines Fußballs nach außen gedreht? Spätestens beim Anblick des Chemiebaukastens und des gekrönten Schafes im dritten Raum steht dem Besucher ein großes Fragezeichen ins Gesicht geschrieben.

Auf den ersten Blick erscheint vieles nichtssagend und erklärungsbedürftig. Denn wer weiß auf Anhieb, dass der Fußball das Universum symbolisieren soll oder das kleine schwarze Stück Kohle das Endprodukt der chemischen Redoxreaktionen im Baukasten ist. Aber darin liegt eben die Kunst, Fragen hervorzurufen und Raum für Interpretationen zu schaffen. Und das ist Werthmann hier zweifellos gelungen. Sein Weltbild ist von Ausweglosigkeit und Dilemmas geprägt. Dennoch können die Besucher über Umwege einen Ausweg aus der Sackgasse finden. Wie die genaue Route aussehen soll, muss nur jeder für sich selbst herausfinden.

„Scenery“, noch bis zum 4. September in der Galerie Lucien Schweitzer.


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