Auto-Abgase: Böse Überraschungen

Mit Fahrverboten, die auch Neuwagen betreffen, ist zu rechnen. Denn wie der VCD bei der Vorstellung seiner Positivliste erklärte, verkauft die Autoindustrie weiterhin Modelle, die in den neuen Messverfahren durchfallen.

Hauptkriterien bei der Auto-Umweltliste 2018.
(Foto: VCD)

„Mein Auto hat niedrige Emissionswerte und ich muss kein Fahrverbot fürchten.“ Dieser Eindruck, den viele Autokäufer*innen aufgrund der Informationen von Autoindustrie und -handel haben, ist trügerisch. Weder in Luxemburg noch in Deutschland sind die neuen Werte nach dem WLTP-Messverfahren (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) allgemein zugänglich. Der alternative deutsche Verkehrsclub VCD hat vor kurzem seine Auto-Umweltliste 2018 veröffentlicht, mit Abgaswerten, die „bislang weder in den Verkaufsprospekten der Autohersteller noch im Internet zu finden [sind]“.

Zur Erinnerung: Ende 2015 wurde öffentlich, dass VW und andere Konzerne bei den Abgasmessungen Trickschaltungen benutzt haben, um bessere Werte vorzutäuschen, als ihre Autos wirklich erreichten. Über das neue Messverfahren wurde damals schon verhandelt, es wurde dann relativ kurzfristig eingeführt, dafür wurden aber die Grenzwerte nach oben „angepasst“. Damit herrscht Transparenz: Die mit dem WLTP-Verfahren ermittelten Werte sollen um höchstens zehn Prozent von den realen Emissionswerten abweichen – bei dem bisher benutzten Messverfahren waren es im Mittel mehr als 40 Prozent. Weil der Verkehrsclub den Konzernen misstraut, greift er zusätzlich auf RDE-Messungen (Real Drive Emissions) zurück (Mehr zu den Messverfahren auf der Website des VCD).

Endlich WLTP- und RDE-Messungen

Der VCD war davon ausgegangen, dieses Jahr erstmalig wieder eine umfassende Liste aller angebotenen PKWs vorlegen zu können, nachdem diese 2016 und 2017 wegen der gefälschten Messwerte nicht erscheinen konnte. Doch am Ende lieferten viele Automarken keine oder nur fragmentarische Daten zu ihren Modellen. Immerhin wird die deutsche Autosteuer seit dem 1. September anhand der WLTP-Werte berechnet. In Luxemburg tritt eine entsprechende Maßnahme erst am 1. Januar 2020 in Kraft – ein kleines Wahlgeschenk des Nachhaltigkeitsministers François Bausch.

Aufgrund der Datenlage konnte der Verkehrsclub nur eine Positivliste von 61 relativ sauberen PKWs erstellen (mehr zur diesjährigen Liste in einem anderen Online-Beitrag). Der verkehrspolitische Sprecher des VCD, Gerd Lottsiepen, seit über 20 Jahren verantwortlich für die Auto-Umweltliste, schreibt, dass sie 2018 so kurz ausfalle, zeige „das Versagen der Autoindustrie im Klimaschutz und in der Verbraucherinformation“. Er hofft, „dass der VCD im nächsten Jahr eine vollständigere Fahrzeugliste mit einem Ranking und mit Umweltsiegern in verschiedenen Kategorien veröffentlichen kann“.

Diesel mit Stickoxiden, Benziner mit Feinpartikeln

Die Autos, die auf der VCD-Positivliste stehen, sind nicht nur im Hinblick auf künftige Fahrverbote – also anhand der Stickoxid- und Feinpartikelemissionen – ausgewählt worden, sondern sind auch aus Klimasicht vertretbar – haben also niedrige Verbrauchs- und CO2-Werte. Der VCD-Bundesvorsitzende Wasilis von Rauch hält fest, dass die Diskussion über Öko-Autos vom Abgasskandal dominiert ist. Aber: „Das weltweit größte Umweltproblem ist die Klimakrise, die durch den weiterhin viel zu hohen Ausstoß von Treibhausgasen voranschreitet. Deswegen müssen neue Autos nicht nur wenig Schadstoffe ausstoßen, sondern auch wenig Kraftstoff verbrauchen und wenig CO2 produzieren.“ Daher fordert der VCD die deutsche Regierung auf, bei den Verhandlungen über europäische CO2-Grenzwerte „Motor statt Bremser“ zu sein (siehe unseren Beitrag „L’UE et ses voitures contre le climat“).

Doch auch in Sachen Luftqualität sieht der VCD politischen Handlungsbedarf. Hier hätten „die Autohersteller bis heute massiv betrogen, Politiker in Bund, Ländern und Kommunen bei der Luftreinhaltung jahrelang versagt“. Die von Gerichten verhängten Fahrverbote seien ein „bitterer, aber notwendiger“ Schritt. Damit diese Verbote durchgesetzt werden können, verlangt der Club, eine Rechtsgrundlage für die Blaue Plakette zu schaffen. Auch derzeit verkaufte PKWs, wie die Diesel nach Euro 6c-Norm, könnten künftig von Fahrverboten betroffen sein – nur mit der  Euro 6d-TEMP-Abgasnorm sei man auf der sicheren Seite. Das Gleiche gelte für  die Benziner mit Direkteinspritzung, die nur mit Partikelfilter relativ sauber sind.

Der VDC warnt vor den Umtausch-Angeboten der Konzerne: „Die Autokäufer müssen hier genau hinsehen und dürfen sich nicht Autos aus der Mottenkiste andrehen lassen.“ Außerdem würden die umgetauschten „Drecksschleudern“ ja nicht verschrottet, sondern würden ohne Nachrüstung in ländlichen Gegenden oder sonst wo in der Welt fahren – „ein zynisches Spiel mit der Gesundheit der Menschen“. Insofern Minister Bausch versichert hat, er wolle keine Fahrverbote verhängen, dürfte Luxemburg einen interessanten Absatzmarkt für die „Drecksschleudern“ darstellen. Der VCD empfiehlt statt Umtausch eine Nachrüstung, für die seiner Ansicht nach die Autokonzerne aufkommen müssen.

Die VCD-Seite zur Auto-Umweltliste.
Alle woxx-Beiträge zur diesjährigen Auto-Umweltliste.

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