Dürre: Luxemburgischer Dustbowl

Die Trockenheit der letzten Wochen 
bringt große Probleme für Landwirtschaft und Wald. Ein Ausblick auf die künftige Normalität?

Langanhaltende Trockenheit schwächt nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch den Wald. Dadurch wird er anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. (Foto: piqsels)

Der letzte Monat war außergewöhnlich. Nicht nur, weil die Covid-19-Pandemie den Planeten fest im Griff hatte, sondern auch aus meteorologischen Gründen. Es war ungewöhnlich trocken. So trocken, dass die Landwirtschaft bereits um ihre Ernte zittert und mit Problemen in den Wäldern zu rechnen ist. Weltweit sind Warnungen vor nahenden Hungersnöten zu hören. Der Verdacht, dass die Trockenheit mit der Klimakrise in Verbindung steht, liegt nahe.

Die Zeit des „Social Distancing“ im Garten zu verbringen, war für jene Glücklichen, die über einen verfügten, in den letzten Wochen uneingeschränkt möglich – strahlender Sonnenschein und angenehme Temperaturen dominierten den Wetterbericht. Was ideal für Gartenarbeiten, Grillabende und ornithologische Beobachtungen ist, stellt für Pflanzen ein Problem dar. Und während man sich im heimischen Garten mit einer Regentonne aushelfen kann, ist die Sache in der Landwirtschaft ganz anders.

Seit Monaten Wetterextreme

„Wir hatten über einen Monat lang quasi keinen Niederschlag. Im Februar gab es noch Rekordniederschläge, aber seit Mitte März ist es trocken. Zwei Faktoren haben zusätzlich dazu beigetragen, dass die Böden jetzt sehr trocken sind: Einerseits die niedrige Luftfeuchtigkeit, die teilweise unter 15 Prozent lag und andererseits die hohen Windgeschwindigkeiten. Beides hat dem Boden die Feuchtigkeit entzogen“, erklärte Andrew Ferrone vom meteorologischen Dienst der Administration des services techniques de l‘agriculture (Asta) der woxx.

Das Wetter der letzten Monate war extrem: Der Winter sehr nass, im Februar fiel sogar doppelt so viel Regen wie im langjährigen Durchschnitt, der April hingegen sehr trocken. Wer nun meint, das eine Phänomen gleiche das andere aus, liegt falsch: Die Probleme für Landwirt*innen werden eher verschärft. „Dadurch, dass es bis Mitte März so nass war, ist in den landwirtschaftlichen Kulturen nichts gewachsen, außerdem war es nicht möglich, die Böden zu bearbeiten“, so Ferrone weiter, „danach gab es eine Periode, in der die Kulturen zwei Wochen lang normal wachsen konnten, ehe die Trockenheit einsetzte. Der ausgebrachte organische Dünger wirkt nicht, da dieser Wasser braucht, um aktiv zu werden.“

In Deutschland wird bereits vor einer neuerlichen Dürre gewarnt, immerhin waren die Sommer 2018 und 2019 sehr heiß und brachten Hitzewellen mit sich, die Mensch und Umwelt zu schaffen machten. Die Wasserreserven sind also knapp. Müssen Landwirt*innen in Luxemburg nun auch um ihre Ernte 2020 fürchten? Laut Ferrone ist es noch zu früh, um eine treffsichere Aussage zu machen: „Es ist noch nicht abzusehen, wie sich der trockene April auf die Ernte auswirken wird, das hängt auch von den Kulturen ab. Wenn es jetzt zwei bis drei Wochen genügend regnet, wird noch ein Teil zu retten sein.“

Muss die Landwirtschaft auf eine schonendere oder gar fehlende Bodenbearbeitung umstellen? Es gibt Hinweise darauf, dass das den Wasserhaushalt landwirtschaftlicher Böden verbessert. Im Gartenbereich als „no-dig“, in der Landwirtschaft als „no-till“ bekannt, kann diese Methode dafür sorgen, dass der Boden weniger erodiert und mehr Wasser zurückbehalten wird. Kritiker*innen halten der „No-till“-Methode entgegen, dass sie in der konventionellen Landwirtschaft den Nachteil hat, dass mehr Herbizide und Düngemittel ausgebracht werden müssten.

Steve Schwarz, der die Saatgutinitiative Kraizschouschteschgaart in Leudelange unterhält, ist auf jeden Fall überzeugt von der neuen Anbaumethode: Auf Facebook veröffentlichte er ein Foto seiner sprießenden Pflanzen und gibt an, durch „no-dig“ trotz der anhaltenden Trockenheit feuchte Böden zu haben. Wenn die Klimakatastrophe höhere Temperaturen und langanhaltende Trockenperioden mit sich bringt, müssen luxemburgische Landwirt*innen ihre traditionellen Anbaumethoden eventuell überdenken.

Trockenheit stresst den Wald

Was in der Landwirtschaft möglich ist, ist in der Forstwirtschaft undenkbar: Bäume wachsen über Jahrzehnte oder Jahrhunderte und können nicht so einfach ausgetauscht werden. Die Trockenheit der letzten Wochen macht sich in luxemburgischen Wäldern nicht so deutlich bemerkbar, wie Martine Neuberg, Chef de service im Service des forêts der Natur- und Forstverwaltung, der woxx erklärte: „Die Trockenheit im März-April hat sicherlich den Laubbäumen auch zugesetzt. Zu dieser Zeit bereiten sich die Laubbäume auf den bevorstehenden Laubaustrieb vor. Es kommt dann nach und nach zu einem vermehrten Assimilatfluss innerhalb der Bäume, die Bäume pumpen Nährstoffe von den Wurzeln in die Äste, damit sich Blätter entfalten können. Bei diesem physiologischen Prozess spielt die Wasserverfügbarkeit im Boden eine Rolle. Da Laubbäume zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keine Blätter haben, verlieren sie nur sehr wenig Wasser durch Transpiration. Anders sieht es bei den Nadelbäumen aus, die ihre Nadeln im Winter nicht abwerfen. Diese können auch im Winter bei höheren Temperaturen transpirieren. Wenn dann kein Wasser im Boden zur Verfügbarkeit steht, kommt es zu einem Wasserstress bei den Bäumen. Besonders verhängnisvoll ist das bei Baumarten die ihr Wurzelwerk nahe an der Bodenoberfläche entwickeln, wie zum Beispiel Fichten, aber auch bei jungen Bäumen, deren Wurzelwerk noch nicht so ausgeprägt ist und nicht so tief ins Erdreich reicht. Wenn Fichten unter Wassermangel leiden, führt das zu einem Trockenstress. Durch diesen Stress werden die Bäume geschwächt und können Borkenkäfer nicht mehr so gut abwehren. Dass der Winter so nass war, hilft schon, aber wie viel, hängt sehr von verschiedenen Faktoren wie Baumart, Standort und Bodenbeschaffenheit ab.“

Das heißt jedoch nicht, dass die Trockenheit überhaupt keine Probleme darstellt. In den vergangenen Jahren gab es wegen Trockenheit, Stürmen und Borkenkäferbefall immer wieder Ausfälle, die Waldbesitzer*innen mit Neupflanzungen ausgleichen wollten. Hier gibt es laut Neuberg große Probleme: „Neue Bäume werden entweder im April oder im Herbst gepflanzt. Wurde das jetzt getan, haben diese Jungpflanzen überhaupt keine Chancen, sie vertrocknen regelrecht Da stellt uns der Klimawandel vor ein generelles Problem, da es aufgrund der unvorhersehbaren Wetterlage immer riskanter wird, im Frühling Bäume zu pflanzen.“

Im Gegensatz zu Pflanzen in der Landwirtschaft wachsen Bäume sehr langsam. Während eine Dürreperiode ihnen vielleicht nicht so viel ausmacht, sind mehrere Jahre, in denen der Regen ausbleibt, bedrohlich für die Gesundheit der Wälder und bedeuten auch, dass weniger Holz wächst. Neuberg beschrieb das Phänomen im Gespräch mit der woxx: „Trockenheit stresst Bäume, ihr Metabolismus wird enorm beansprucht. Unter diesem Stress produzieren sie im Folgejahr sehr viele Früchte, was sie zusätzlich schwächt. Die Folgen des Trockenstresses sieht man auch an den Jahresringen, die der letzten Jahre sind sehr schmal. Das ist auch ein wirtschaftlicher Schaden für die Holzproduktion.“

Im März 2019 veröffentlichte die Natur- und Forstverwaltung Zahlen zur Waldgesundheit, die ziemlich erschreckend waren: Nur ein Drittel des luxemburgischen Waldes ist gesund. Die Klimakrise und Dürreperioden werden diesen Zustand eher nicht verbessern, denn durch Trockenheit geschwächte Bäume sind anfälliger für Schädlinge wie Pilze oder Käfer. „Es ist schwierig vorauszusehen, wie der Klimawandel sich auf die Wälder auswirken wird. Die meisten bei uns vorkommenden Baumarten werden unter dem Klimawandel leiden. Manche riskieren sogar ganz zu verschwinden. Besonders verheerend ist es für die meisten unserer Baum-
arten, wenn sie im Sommer nicht genügend Wasser zur Verfügung haben. Wir wissen, dass unsere heimischen Baumarten sehr schlecht mit Temperaturen über 40 Grad umgehen können. Manche Wissenschaftler sagen, es würde zu einer Wanderung der Arten von Süden nach Norden kommen. Für mediterrane Baumarten wären unsere Winter jedoch zu kalt“, erklärt Neuberg. Um die großen Unsicherheiten zu umschiffen, wird der Baumbestand in Luxemburg diversifiziert: „Unsere Anpassungsstrategie ist aktuell, viele verschiedene einheimische Baumarten aus verschiedenen Herkunftsregionen anzupflanzen, so dass wir auf einen großen Genpool zurückgreifen können und sich so die Baumarten und Herkünfte durchsetzen können, die am besten an die Standorte angepasst sind. Mit einem Projekt, das wir gemeinsam mit belgischen Unis entwickeln, wollen wir genauere Daten generieren, welche Baumarten bei uns auf welchen Böden unter den Bedingungen des Klimawandels optimale Bedingungen finden“, so Neuberg.

Tödliche Dürre

Lässt sich die Dürre der letzten Wochen überhaupt mit der Klimakrise in Verbindung bringen? Immerhin ist auch ein kalter und schneereicher Winter kein Beweis dafür, dass keine klimatischen Veränderungen stattfinden. Der Meteorologe Ferrone ist noch unsicher: „Man ist lange davon ausgegangen, dass man einzelne Wetterereignisse nicht mit dem Klimawandel in Verbindung setzen kann. Mittlerweile ist die Wissenschaft jedoch weiter, die Hitzewellen im Sommer 2019 zum Beispiel wären ohne den Klimawandel nicht so zustande gekommen. Um sagen zu können, ob das auch auf die Dürreepisode in diesem Frühling zutrifft, ist es jedoch noch zu früh.“

Was sicher ist: Extreme Wetterereignisse werden mit der Klimakrise weiter zunehmen und der primäre Wirtschaftssektor – Land- und Forstwirtschaft – wird sich an die veränderten Bedingungen anpassen müssen. In Luxemburg ist das noch möglich, in anderen Breiten und vor allem im globalen Süden ist es möglicherweise schon zu spät. Internationale Organisationen warnen vor einer weltweiten Hungersnot, die durch die Exportbeschränkungen, die wegen der Covid-19-Pandemie eingeführt wurden, noch verstärkt wird.

Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen könnten dieses Jahr 265 Millionen Menschen von akutem Hunger bedroht sein. In Westafrika und der Sahelzone hätten Dürren und eine Heuschreckenplage bereits vor Ausbruch der Pandemie die Nahrungsmittelsicherheit in Gefahr gebracht, nun sieht die Situation noch düsterer aus, wie Coumba Sow, Resilienzkoordinatorin für Westafrika der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), auf dem Blog der FAO erklärte.

In Luxemburg regnete es zumindest diese Woche leicht, möglicherweise wird der Mai doch noch nasser als erwartet. Ob die Niederschläge ausreichen werden, um die Ernten 2020 noch zu retten, ist ebenso unvorhersehbar wie das Wetter selbst. Die traurige Gewissheit, die bleibt: Die Klimakrise wird uns noch lange nach der Covid-19-Pandemie beschäftigen und ihre Auswirkungen können mindestens genauso tödlich sein.


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