Einen Monat vor dem Klimagipfel
: Wird Paris ein Erfolg?


Ab dem 30. November wird an der Seine über ein neues Weltklimaabkommen verhandelt. Die großen CO2-Emittenten Russland, Indien, China, Brasilien, USA haben ihre nationalen Klimaziele veröffentlicht. Susanne Dröge, Klimapolitik-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, über die Chancen für einen erfolgreichen Gipfel.

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Die Klima-Expertin Susanne Dröge kann bei den großen CO2-Emittenten keine richtige Begeisterung für den Klimaschutz erkennen. Dennoch ist sie optimistisch, was die Erfolgsaussichten für die Pariser Konferenz angeht.

woxx: Indien hat Anfang Oktober als einer der letzten Groß-Emittenten seine nationalen Klimaziele veröffentlicht. Das Land will Treibhausgase bis 2030 um 33 bis 35 Prozent, gemessen an 2005, reduzieren. Ist das ein Politikwechsel? Bisher hat sich Indien klimapolitisch immer sehr zurückgehalten.


Susanne Dröge: Da muss man genau hinschauen. Indien hat keine absolute Verringerung zugesagt, sondern als Referenz die Emissionsintensität pro Einheit Bruttoinlandsprodukt angegeben. Das heißt, die absoluten Emissionen können sich bis 2030 durchaus erhöhen. Diese Art von Zielsetzung ist nicht neu, sondern wurde bereits 2009 vor Kopenhagen zugesagt. Damals waren es 20 bis 25 Prozent bis 2020. In dieser Hinsicht ist es also kein Politikwechsel. Aber anders als früher kooperiert die indische Regierung im Vorfeld der Verhandlungen. Da macht sich der Einsatz der USA bemerkbar, die Premierminister Narendra Modi umwerben.

Wie kommt das Land klimapolitisch voran? 


Noch fehlt es an einer klaren nationalen Klima- und Energieagenda. Internationale Vorgaben helfen da nicht. Die sehen die Inder nach wie vor als Einmischung in innere Angelegenheiten. Modi will die ökonomische Entwicklung beschleunigen, die erneuerbaren Energiekapazitäten sollen ausgebaut werden. Hier bieten sich Chancen für klimafreundliche bilaterale Initiativen oder Abkommen im Bereich erneuerbare Energien. Die Bereitschaft dazu sollten die Verhandlungsparteien in Paris betonen.

„Mit dem INDC ist keine Reduktion der russischen Emissionen verbunden, doch die Regierung wird ein Abkommen in Paris kaum blockieren.“

Russland besitzt mit seinen Wäldern und Mooren riesige Kohlenstoffspeicher, was ihm große Bedeutung im internationalen Klimaschutz verleiht. Es will laut Intended Nationally Determined Contributions (INDC) seinen Treibhausgasausstoß um 25 bis 30 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Damals, als die Sowjetunion sich auflöste, waren die Emissionen allerdings höher als heute. Wie tritt Russland in Paris auf? 


Russlands Verhalten wird sich erst kurzfristig ergeben. Die Regierung hat andere Sorgen als das Klimaabkommen. Bisher verhielt sie sich aber kooperativ, indem sie zum Beispiel die Klimaschutzzusagen schon im Frühjahr öffentlich machte, also viel früher als viele andere. Allerdings ist mit dem INDC keine Reduktion der russischen Emissionen verbunden. Dass die Regierung ein Abkommen auf der Weltbühne in Paris blockieren wird, halte ich für unwahrscheinlich.

China und die USA haben immer darauf gewartet, dass der jeweils andere im Klimaschutz vorangeht. Ende letzten Jahres legten sie sich dann gemeinsam auf nationale Reduktionsziele fest, was als Durchbruch in der Klimadiplomatie gefeiert wurde. Die chinesische Regierung steht wegen der starken Luftverschmutzung und der großen Umweltschäden im Land unter Druck. Könnte China allein aus diesen Gründen zum klimapolitischen Vorreiter werden, obwohl es der größte CO2-Emittent überhaupt ist? Eine CO2-Senkung von 60 bis 65 Prozent bis 2030 ist anvisiert. Oder gibt es immer noch Kräfte im Land, die das verhindern wollen und auch können? 


In China gibt es schon seit längerem die Absicht, Klimaschutz zu betreiben. Dies zeigen die früheren und die aktuellen Fünfjahrespläne. Zuletzt haben die lokalen Luftprobleme natürlich den Druck zum Handeln erhöht. Per definitionem gibt es in China keine Verhinderungskräfte, es gibt nur Probleme bei der Umsetzung der Klimaschutzagenda. Die Provinzen und die Staatsunternehmen sind meist nicht bereit, sich zu engagieren, weil es dafür keine Belohnung gibt, beziehungsweise keine Sanktionen, wenn sie nichts tun. Eine internationale Vorreiterschaft ist für China keine Kategorie. Vielmehr ist es wichtig, dass die für Paris angekündigten Ziele auch erreicht werden. Sonst droht ein Verlust der Glaubwürdigkeit als internationaler Akteur.

„Brasiliens Selbstver-
ständnis als regionale Führungsmacht hat bisher immer auch Klimaschutzambitionen hervorgebracht.“

Die USA wollen ihre Emissionen bis 2025 um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zu 2005 reduzieren. Auch Brasilien zeigt sich bereit, mehr zu tun. Es will den fürs Erdklima wichtigen Amazonas-Regenwald besser schützen. Die illegale Abholzung soll gestoppt werden. Was kann man von den beiden erwarten?


Sowohl in den USA als auch in Brasilien ist die politische Konstellation für dauerhaften Klimaschutz eher wackelig. In den USA hängt es davon ab, ob die Obama-Regierung es schafft, noch möglichst viele Gesetze zu verabschieden, bevor 2016 der Wahlkampf beginnt. Auch die Marktsituation für Gas und Erneuerbare wird entscheidend für den Klimaschutz in den USA sein. In Brasilien ist der Waldschutz das wichtigste Werkzeug, bei dem es aber immer wieder Rückschläge gab, weil die Durchsetzung enorm schwierig ist. Vor allem angesichts der Ungleichheiten zwischen Arm und Reich. Dilma Rousseffs innenpolitische Position ist schwach. Aber Brasiliens Selbstverständnis als regionale Führungsmacht hat bisher immer auch Klimaschutzambitionen hervorgebracht.

Nimmt man die politische Situation in all den Ländern: Ist von dem Treffen in Paris mehr zu erwarten als von den vorangegangenen? Wie stehen die Chancen für einen Durchbruch beim Klimaschutz? 


Die Beteiligung der großen Schwellenländer, die ganz oben auf der Liste der Klimasünder stehen, ist ein echter Fortschritt, auch wenn die INDC-Zahlen erst einmal enttäuschen. Die Voraussetzungen für mehr Klimaschutz waren selten besser als jetzt, vor dem Gipfeltreffen in Paris. Die USA und der Rivale China kooperieren, wetteifern sogar, anstatt sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. Indien lässt sich mitziehen und entdeckt Aspekte der internationalen Kooperation, die zu seinen Gunsten sind. Die EU ist verlässlich in der Ausrichtung auf mehr Klimaschutz und als Partner der ärmeren Staaten. Um die sich aber auch China und Indien als traditionelle Fürsprecher bemühen. Je mehr große Staaten oder Staatsoberhäupter sich mit einem Erfolg in Paris schmücken können, desto besser.


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