Energie- und Klimaplan: Planlos trotz Plan

200 Seiten ist der Energie- und Klimaplan lang. Wer sie durchackert, liest zwar viel Eigenlob der Regierung, ist danach aber nicht unbedingt schlauer.

Am 27. September 2019 demonstrierte die Zivilgesellschaft unter dem Motto „United for Climate Justice“ für eine ambitionierte und sozial gerechte Klimapolitik. Der Klimaplan der Regierung erfüllt diese Erwartungen nicht. (Foto: woxx/ja)

„Schau mal, ob der Eco-Sac im Klimaplan steht!“ Die Reaktion der woxx-Redakteurin, in der lang erwarteten Vollversion des nationalen Energie- und Klimaplans (NECP) als erstes nach dem Plastikbeutel-Ersatzprodukt zu suchen, ist nachvollziehbar. Immerhin brüstet sich die luxemburgische Regierung bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit dem Vorzeigeprojekt, das bereits Millionen Plastiktüten in Luxemburg vermieden hat – was ja auch irgendwie dem Kampf gegen die Klimakrise zugutekommt. Im NECP kommt der Eco-Sac jedoch nicht vor, der Fokus liegt vor allem auf jenen Maßnahmen, die direkt mit dem Energieverbrauch Luxemburgs in Verbindung stehen – und auf Eigenlob für die ehrgeizigen Pläne. Die sind oft sehr vage formuliert, auf konkrete Projekte und Zahlen muss man weiterhin warten.

Der luxemburgische NECP ist allerdings auch keine Erfindung der blau-rot-grünen Regierungskoalition, sondern eine Vorgabe der EU-Kommission. Sämtliche Mitgliedstaaten müssen einen solchen Plan vorlegen, in dem sie ihre Klimapolitik bis 2030 ausformulieren, damit die EU die europaweite Klimapolitik koordinieren und aufeinander abstimmen kann. Anfang 2019 präsentierte Luxemburg der Kommission ein vorläufiges Dokument, um dann im Sommer Feedback dazu zu erhalten. Eigentlich wäre die endgültige Version vor Jahresende fällig gewesen, nun ist die vorläufige Version erst im Februar veröffentlicht worden. Nach Ende der recht dürftigen Bürger*innenbeteiligung kann dann Ende März endlich die finale Version präsentiert werden.

Ein Finanzplatz so grün wie 
ein Granny Smith

Wer hoffte, durch die Lektüre des NECP einen tieferen Einblick in die luxemburgische Klimapolitik oder konkrete Zahlen zu erhalten, wird nach der Lektüre des 200-seitigen Plans enttäuscht sein: Im Großen und Ganzen werden bereits bestehende oder angekündigte Maßnahmen beschrieben. Der Bericht, dem es übrigens nicht geschadet hätte, wenn er vor der Veröffentlichung einmal korrekturgelesen worden wäre, ist auch voll des Lobes für Luxemburg: Unsere Ziele sind super ambitioniert, wir sind Vorreiter*innen in Sachen energieeffizientes Bauen und unser Finanzplatz ist so grün wie ein Granny-Smith-Apfel.

Der Mouvement Ecologique kritisierte in einer Aussendung, dass im NECP kaum konkrete Instrumente genannt würden, mit denen die ambitionierten Ziele erreicht werden können. Die Umwelt-NGO bemängelte außerdem, dass die Wachstumsfrage ausgeklammert werde und nicht nachzuvollziehen sei, ob eine starke Steigerung der Arbeitsplatzanzahl mit in die Prognosen geflossen ist: „Die Thematisierung der Wachstumsfrage im Rahmen des NECP wäre eine absolute Notwendigkeit gewesen, ansonsten wird nämlich reeller Klimaschutz in Luxemburg ein Wunschbild bleiben und die angestrebten Ziele nicht erreicht werden können!“

Die groben Ziele, die im NECP formuliert werden, hatte die Regierung bereits im Dezember 2019 vorgestellt. Die Treibhausgasemissionen sollen – für die Sektoren außerhalb des europäischen Emissionshandels – bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gesenkt werden. Um dies erreichen zu können, soll der Anteil erneuerbarer Energien von 11 Prozent im Jahr 2020 auf 25 Prozent gesteigert werden. Außerdem soll die Energie effizienter eingesetzt werden: 44 Prozent Energieeinsparungen gegenüber einem Referenzszenario sind im Plan vorgesehen.

Heißt das, das im Jahr 2030 auf jedem Dach in Luxemburg eine Fotovoltaikanlage steht, die erneuerbaren Strom für Elektroautos und eine digitalisierte Industrie zur Verfügung stellt? Nicht ganz. In den Details, die der NECP zu den erneuerbaren Energien verrät, verstecken sich jede Menge Fallstricke und Fußnoten, die das ehrgeizige Ziel weniger glanzvoll erscheinen lassen.

Ein nicht zu vernachlässigender Teil der erneuerbaren Energien wird nämlich nicht durch Windräder, Solarzellen oder Wasserkraftwerke in Luxemburg produziert, sondern mit Tanklastern ins Großherzogtum gebracht werden. Das in Form von Biosprit. 2020 sollen Benzin und Diesel an den Tankstellen 10 Prozent Biosprit beigemischt werden, 2040 sollen es gar 18,7 Prozent sein. Der Biosprit soll wenn möglich aus nachhaltigen Quellen, die nicht in Konkurrenz mit der Lebensmittelproduktion stehen, produziert werden – eine Mobilitätswende sieht dennoch anders aus.

Biosprit statt Ökostrom

Außerdem wird Luxemburg auch zukünftig auf „Kooperation“ im Bereich erneuerbare Energien setzen. Das heißt übersetzt: Durch statistische Transfers wird Ökostrom aus Litauen und Estland eingekauft. Immerhin sollen die beiden baltischen Staaten mit dem Geld weitere Windenergie-Projekte finanzieren. Das heißt aber nicht, dass Luxemburg nicht in Wind- und vor allem in Solarenergie investieren würde: Die Regierung verspricht erhöhte Einspeisetarife, die Nutzung von Dachflächen von Gemeinden für Energiekooperativen, Ausschreibungen für große Fotovoltaikanlagen und den Abbau von administrativen Hürden, um die Solarenergie zu fördern.

Neben der Windenergie, für die es wohl keine größeren Pläne gibt, soll künftig auch auf nachhaltige Biomasse gesetzt und die Möglichkeiten für Geothermie und Wärmepumpen ausgelotet werden. Auch Biogas wird kurz erwähnt: Es sei eine „zukunftsweisende Energiequelle“, die Rahmenbedingungen müssten allerdings reformiert werden. Bislang würden nur 13,6 Prozent der verfügbaren Gülle in Luxemburg energetisch genutzt – Potenzial wäre also da. Dieses zu nutzen, ist Teil der Methan-Reduktionsstrategie für die Landwirtschaft, die im NECP zwar öfters erwähnt, jedoch sonst nirgends ausgeführt wird.

Den Plan ohne Google gemacht

Durch diese Investitionen in die Energieproduktion soll die Abhängigkeit von Stromimporten sinken. Aktuell liegt sie bei 90 Prozent, wobei der meiste Strom aus Deutschland kommt. Bis 2040 soll Luxemburg seinen Strom zu 40 Prozent selbst herstellen können. Allerdings bemerkt der Plan an dieser Stelle – und es ist nicht die einzige, an der diese Formulierung zu lesen ist –, dass größere Stromverbraucher, die sich kurz- oder mittelfristig ansiedeln werden, noch nicht eingerechnet sind. Gemeint ist damit natürlich das berüchtigte Datenzentrum von Google. Obwohl ziemlich sicher ist, dass das Projekt nach Luxemburg kommt, wurde es nicht in die Berechnungen einbezogen.

Weniger Energie zu verbrauchen, ist ebenfalls ein Mittel, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Ein großes Renovierungsprogramm soll dafür sorgen, dass bis 2050 alle Häuser in Luxemburg „net zero“ Energie verbrauchen. Dazu will die Regierung Förderprogramme aufsetzen, unter anderem soll das Programm „Prime House“ überarbeitet werden. Fernwärme und -kälte sollen häufiger eingesetzt werden, um weniger auf Öl- und Gasheizungen angewiesen zu sein. Dazu soll – ein bisschen ironisch in Bezug auf die Diskussion um Google – auch die Abwärme von Datenzentren genutzt werden.

Zur viel diskutierten CO2-Steuer ist unterdessen nichts Neues im NECP zu lesen. Die bisher bekannten 20 Euro pro Tonne CO2, die ab nächstem Jahr gelten und 2022 sowie 2023 um jeweils 5 Euro pro Tonne erhöht werden sollen, werden im Plan ebenfalls genannt. Auf einen Liter Diesel gerechnet würden nächstes Jahr zusätzliche fünf Cent fällig. Auch zu Maßnahmen, die so eine Besteuerung sozial verträglicher machen, erfahren die Leser*innen des NECP nichts Neues: Im „ausgewogenen Maß“ soll das eingenommene Geld für Klimaschutzmaßnahmen und gezielte soziale Entlastungen ausgegeben werden. Die Tatsache, dass gerade zu diesem Punkt wenig Konkretes genannt wird, ärgert auch den Méco in seiner Stellungnahme.

Mit Nationbranding-Broschüre verwechselt

Obwohl die Regierung angibt, große Anstrengungen in der Mobilitätspolitik vorzunehmen, sind die gesteckten Ziele erstaunlich niedrig. In fünf Jahren sollen immer noch 65 Prozent der Wege mit dem PKW zurückgelegt werden – immerhin 19 davon als Mitfahrer*in. Das Problem liegt laut dem NECP ohnehin eher beim Verkauf von Diesel an LKWs, was die Regierung durch Preiserhöhungen lösen will. Neben der Prämie für Elektroautos, die ab 2021 nicht mehr für Hybridfahrzeuge gelten soll, sollen Firmen künftig mit einem Steuervorteil für ein „Mobilitätsbudget“ dazu gebracht werden, weniger auf Firmenwagen und mehr auf Carsharing, Fahrgemeinschaften, Fahrradabstell-
anlagen und Ladesäulen zu setzen. Es werden zwar Pilotprojekte zur Verdichtung im Bestand angedeutet, die dringend benötigte raumplanerische Kehrtwende ist aus dem NECP jedoch nicht herauszulesen.

Stattdessen wird dem wichtigsten luxemburgischen Wirtschaftszweig, dem Finanzplatz, viel Platz eingeräumt. Einerseits werden aktuelle Initiativen wie die Zertifizierungsstelle Luxflag und die Luxembourg Green Exchange gelobt, andererseits werden große Hoffnungen in die transformative Kraft des Finanzplatzes gesteckt. Bereits 2025 sollen 20 Prozent aller Geldflüsse auf „Green Finance“ umgestellt werden. Außerdem soll Luxemburg „zu einem attraktiven Standort für Anbieter und Unternehmensgründer von ‚Climate Solutions‘, mit einem attraktiven Test- und Experimentierumfeld für die (Weiter-) Entwicklung ihrer Produkte“ werden. Was das genau heißt und wie es umgesetzt werden soll, weiß alleine die Regierung – es bleibt jedoch der bittere Nachgeschmack, dass der Klimaplan allzu oft mit einer Nationbranding-Broschüre verwechselt wurde.

Der luxemburgische NECP erfüllt sein Ziel als Dokument, das Luxemburg der Europäischen Kommission übergeben muss. Die Rolle als „Roadmap“, in der die künftigen Anstrengungen gegen die Klimakrise genau skizziert sind, erfüllt der Plan nicht. Dafür werden darin zu viele Dinge beschrieben, die die Regierung bereits angekündigt hat und zu viele Maßnahmen ausgelassen, die politisch noch nicht festgezurrt sind.


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