Europäische Umweltpolitik: Schlechte Aussichten

Ein neuer Bericht zeigt, dass es um die Umwelt in Europa schlecht bestellt ist. Auch Luxemburg erhält schlechte Noten.

62 Prozent der europäischen Ökosystemflächen leiden unter zu hohem Stickstoffeintrag. 
Das kann dazu führen, dass Gewässer wie dieser See in Schleswig-Holstein durch Eutrophierung „kippen“. (Foto: CC-BY-SA Wikimedia Commons/Smaack)

Mindestens eine Billion Euro will die Europäische Kommission in ihren europäischen Grünen Deal stecken, um den ökologischen Wandel zu finanzieren. Das wurde am vergangenen Dienstag von der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkündet. Ziel ist es hauptsächlich, bis 2050 klimaneutral zu werden. Doch die EU hat sich bis 2050 neben der Bekämpfung der Klimakrise auch noch andere Umweltziele gegeben.

Bis dahin sollen die Europä-
er*innen das „gute Leben innerhalb der ökologischen Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ genießen können. Um diese Vision einer CO2-neutralen Wirtschaft und sauberen Umwelt erreichen zu können, sind jedoch gewaltige Umwälzungen vonnöten. Das zeigt auch der neueste Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA, der im Dezember veröffentlicht wurde und den Status der Umwelt in Europa genauestens unter die Lupe genommen hat.

Im „European Environment – State and Outlook 2020 Report“ (SOER 2020) zeigt sich, dass das aktuelle Tempo, mit dem CO2 eingespart wird, nicht ausreicht, um die Ziele für 2030 oder 2050 zu erreichen. Luxemburg kommt in dem Bericht nicht immer sehr gut weg. Während die Regierung das Land gerne als Musterschüler in Sachen Nachhaltigkeit darstellt, geben die Zahlen im Bericht in manchen Bereichen eine ganz andere Sachlage wieder.

Kaum Erfolge beim Naturschutz

Seit 1994 besteht die EEA, deren Aufgabe vor allem darin besteht, Umweltdaten zu sammeln und die Umsetzung der Umweltpolitik in der EU und darüber hinaus zu bewerten. Die EEA betreibt dazu das Europäische Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetz (Eionet), an dem sich insgesamt 39 Länder beteiligen. Die EEA zählt nämlich 33 Mitgliedsländer (die 28 EU-Länder sowie Island, Liechtenstein, Norwegen, die Schweiz und die Türkei) und sechs Kooperationsländer aus dem Westbalkan. Der SOER-Bericht erscheint alle fünf Jahre und ist eine Zusammenfassung aller Erhebungen und Berichte, die von der Umweltagentur getätigt worden sind. Der SOER beschränkt sich jedoch nicht auf einen reinen Statusbericht, sondern gibt auch Empfehlungen für die zukünftige Umweltpolitik der EU.

Am Anfang des Berichtes verweist die EEA auf den allgemeinen Zustand der natürlichen Umwelt auf dem Planeten Erde. Und der ist nicht gerade rosig: Drei Viertel der Umwelt auf dem Land und 40 Prozent der Meeresumwelt sind stark geschädigt. Der Verlust an Biodiversität ist hochdramatisch – noch nie in der Geschichte der Menschheit waren so viele Arten vom Aussterben bedroht. Der 2019 erschienene Bericht des UN-Biodiversitätsrates sprach von einer Milliarde Arten, deren Weiterbestehen ungewiss ist. Die Menschheit hat ein sechstes globales Massenaussterben ausgelöst – etwas, was sonst nur Asteroideneinschläge oder gigantische Vulkanausbrüche schafften.

In Europa macht der SOER-Bericht einige Erfolge fest. In den letzten Jahren waren Maßnahmen zur Ressourceneffizienz, Einführung der Kreislaufwirtschaft und Emissionsreduktion recht erfolgreich. Beim Schutz der Biodiversität, der Ökosysteme und der menschlichen Gesundheit gibt es nach wie vor grobe Mängel. Von den Arten und Lebensräumen, die in Europa geschützt sind, ist nur jeweils ein kleiner Teil in einem befriedigenden Erhaltungszustand. Ein großes Problem kommt aus der Landwirtschaft, nämlich erhöhter Stickstoffgehalt: 62 Prozent der europäischen Ökosystemflächen leiden unter dieser Überdüngung, was zum Artenschwund und im schwersten Fall zum „Kippen“ von Gewässern führt. Das gesteckte Ziel, bis 2020 den Biodiversitätsverlust aufzuhalten, wird nicht erreicht werden können. In den letzten 10 bis 15 Jahren konnte im Bereich des Naturschutzes überhaupt nur eine positive Entwicklung beobachtet werden: Die Zahl der Schutzgebiete, sowohl an Land wie auch im Meer, hat sich erhöht.

Luxemburg leidet unter Verkehrslärm

In allen anderen Kategorien, die die EEA analysiert hat, sind gemischte oder gar negative Entwicklungen aufgezeigt worden. Und die Agentur ist nicht gerade optimistisch: Der Ausblick bis 2030 sieht schlecht aus. Der Zustand der Meeresökosysteme, den der Bericht aktuell mittelmäßig beurteilt, soll sich bis 2030 wieder verschlechtern.

Auch im Bereich des Ressourcenverbrauchs, wo eigentlich Fortschritte erzielt worden sind, ist die Aussicht nicht gerade rosig: Statt positiver Trends prognostiziert die EEA gemischte Entwicklungen für die nächsten zehn Jahre. Einziger Lichtblick ist die Abfallentsorgung, bei welcher die Prognose positiv bleibt. Vermutlich eine Konsequenz aus der Weigerung Chinas, den europäischen Plastikmüll weiterhin zu entsorgen. Die Prognosen für umweltbedingte Gesundheitsrisiken sind ebenfalls zum größten Teil negativ. Besonders die Risiken durch die Klimakrise, Verunreinigungen durch Chemikalien und Lärmbelastung macht der EEA Sorgen.

Lärm ist weiterhin ein großes umweltbedingtes Gesundheitsrisiko, dem mindestens 20 Prozent der Bevölkerung der EU ausgesetzt ist. Hierbei handelt es sich vor allem um Straßenlärm. In Luxemburg ist dieses Phänomen laut dem SOER besonders ausgeprägt. Rund ein Viertel der städtischen Bevölkerung ist Straßenlärm ausgesetzt, womit das Großherzogtum ziemlich weit an der Spitze steht. Mit den zehn Prozent, die unter Fluglärm leiden, ist Luxemburg sogar europäischer Spitzenreiter.

Mit elf Prozent Anteil der ländlichen Bevölkerung, der starkem Straßenlärm ausgesetzt ist, ist Luxemburg auch in dieser Kategorie ein Negativbeispiel in Europa – lediglich in Italien ist die Situation schlimmer. Im Umweltministerium erklärt man sich diese Situation mit den Siedlungsstrukturen in Luxemburg: „Laut EU-Direktive muss eine Agglomeration mindestens 100.000 Einwohner haben, sodass in Luxemburg nur Luxemburg-Stadt und ihre Randgemeinden zählen. Der südliche Teil des Landes und die Nordstad, die beide relativ stark urbanisiert sind, gehören in der Statistik zum ländlichen Raum.“ Die Regierung hat vier Lärm-Aktionspläne ausgearbeitet, um gegen das Problem vorzugehen.

Foto: Felix Mittermeier/Pixabay

Die Wachstumsdiskussion ist noch nicht vorbei

Ein anderes Problem, bei dessen Lösung Luxemburg nicht gerade glänzt, ist der Landverbrauch. Zwischen 2000 und 2018 hat sich in den 39 Ländern, die die EEA untersucht hat, die Landnutzung vor allem in Richtung versiegelte Flächen bewegt. Während Felder, Weiden, natürliche Grasflächen und Feuchtgebiete zurückgegangen und Waldflächen beinahe gleichgeblieben sind, sind in Europa über 16.500 Quadratkilometer Fläche bebaut oder versiegelt worden. Luxemburg ist dabei in einer recht paradoxen Situation: Es ist an vierter Stelle jener Länder, die am meisten Land versiegeln, aber es werden auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern recht viele Flächen wieder renaturiert. Allerdings bei Weitem nicht so viele, wie versiegelt werden.

Damit zeigt sich, dass die Wachstumsdiskussion in Luxemburg noch längst nicht ausgestanden ist. Sie wurde bisher nur komplett falsch geführt: Statt über die Anzahl der Menschen, die im Großherzogtum leben und arbeiten, sollte darüber diskutiert werden, wie eine nachhaltige Landesplanung und vor allem deren Umsetzung aussehen könnte. Der Verkehr, der wegen der Zersiedlung Luxemburgs entsteht, sorgt nicht nur für Stau, CO2 und Lärm, sondern auch für Feinstaub. Die luxemburgischen Messwerte sind im europäischen Vergleich zwar ganz gut und lagen unter der EU-Richtlinie, aber stets über der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation von 10 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Wie soll Europa denn nun mit der „entscheidenden Herausforderung dieses Jahrhunderts“, wie die EEA es in ihrem Bericht nennt, umgehen? Im SOER-Bericht werden einige Leitlinien genannt: Das bestehende europäische Umweltrecht muss konsequent umgesetzt und langfristige, systemisch orientierte Strategien entwickelt werden, außerdem müsse sich auch die Finanzwirtschaft neu orientieren.

Fast klingt es, als würde die Umweltagentur wie so viele andere Akteur*innen auch einen „Systemwechsel“ fordern. Ganz so weit lehnt sich die EEA nicht aus dem Fenster, aber der SOER macht klar, dass sich in den nächsten zehn Jahren dringend etwas ändern muss – auch in Luxemburg.


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