Großherzog Jean: Staatsbeamter Nr. 1

Der Tod des Monarchen hat das Land in eine Nostalgiespirale gesogen. Sehnsüchtig wird alten, vermeintlich besseren Zeiten nachgetrauert – doch welche Rolle spielte der ehemalige Großherzog?

Zugegeben, für Monarchie-Kriti-ker*innen ist es schwer, große Makel an Großherzog Jean festzustellen. Diskret und pflichtbewusst war er, und skandalfrei noch dazu, und auch warmherzig soll er gewesen sein. Das hat zwar sicher seinen Marktwert in der Klatschpresse fast auf null gesetzt, lässt sich aber sehr gut als Nation-Branding-Masche verkaufen und auch den Kindern soll dies nun beigebracht werden – wie Minister Meisch in einem Moment patriotischen Überschwangs und Europawahlkampftaktik auf RTL verkündete.

Großherzog Jean ist auch der erste Service-Monarch in den Diensten der ökonomischen Entwicklung Luxemburgs geworden.

Nun stellt sich die Frage, woher die Attribute pflichtbewusst und diskret herkommen? Die öffentliche Persona des Großherzogs hatte sicherlich auch mit politischem Kalkül zu tun. Allein sein Vorname – nach Johann dem Blinden – war ein Statement, das versuchte Monarchie und Volk wieder zu versöhnen. Zu groß war das Trauma des Referendums von 1919, das die Dynastie hätte kippen können, als dass sich das Herrscherhaus nicht an die neuen Zeiten hätte anpassen müssen, um zu überleben. Prinz Jean war sozusagen ein Pflaster auf den Wunden der Monarchie und ist es bis heute geblieben. Dies hat aber auch die negative Nebenwirkung, dass die Nähe der Großherzogin Marie-Adelheid zu den Deutschen während des Ersten Weltkriegs bis heute mit einem Tabu belegt ist und nicht geschichtlich aufgearbeitet wurde – auch oder eben gerade weil Luxemburg seine Unabhängigkeit wegen dieser Verbundenheit mit den Feinden der Alliierten fast verloren hätte.

Foto: Wikipedia – Nijs, Jac. de / Anefo

Das volksnahe Image von Großherzog Jean ist in diesem Sinne zu deuten. Es ging darum, nicht allzu viele Wellen zu schlagen und sich ganz in den Dienst des Landes zu stellen – eben damit die Monarchie nicht noch einmal in Frage gestellt wird. Und wer „in den Dienst des Landes stellen“ sagt, meint auch die Wirtschaft und später auch den Finanzplatz. So ist Großherzog Jean auch der erste Service-Monarch in den Diensten der ökonomischen Entwicklung Luxemburgs geworden. Eine Tradition, die seine Nachfolger weitertragen, indem sie für die finanziellen Interessen des Landes die Welt bereisen und den Wirtschaftsdelegationen die Türen öffnen. Nicht umsonst ist dies das Hauptargument von Monarchie-Befürworter*innen, wenn es in Diskussionen wieder einmal um die Zeitgemäßheit der Herrschaftsform geht.

Neben seiner Funktion als Türöffner muss man Großherzog Jean zugutehalten, dass er sich so viel wie möglich aus der Politik des Landes herausgehalten hat. Auch wenn einige Gesetze seinen persönlichen Überzeugungen widersprachen, hat er sie signiert – im Gegensatz zu seinem Nachfolger, der sich 2008 mit seiner Weigerung, das Euthanasiegesetz zu unterschreiben, eine Verfassungsreform einhandelte. Er war die Inkarnation des CSV-Staats – unter dem Triptychon CSV-Kirche-Dynastie – und verweigerte sich trotzdem nicht dem Willen nach Fortschritt, wenn die Bürger*innen dies so wollten, war er doch auch ein Monarch von Volkes Gnaden. Sicher nicht des linken und antimonarchistischen Teils der Bevölkerung, aber auch diesen konnte er mit einbeziehen, indem er ihm keine Angriffsfläche bot.

Was von Großherzog Jean, seinem Image und Wirken bleiben wird, steht in den Sternen. Wünschenswert wäre es trotzdem, dass sich das Gedenken an ihn nicht in einen Wettkampf um den*die beste*n Patrioten*in verwandelt, sondern alle Bürger*innen, ob Luxemburger*innen oder nicht, mit einbezieht – so könnten zumindest zeitweise die Spaltungen im Lande überwunden werden. Und sei es wegen eines verstorbenen Monarchen.


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