Klimabilanz: Das Kleingedruckte

Das Reduktionsziel für die Treibhaus
gasemissionen wurde 2021 erfüllt. Während sich die Regierung darüber freut, sieht der Mouvement écologique genauer hin und ist kritisch.

Der Sektor Industrie hat sein Klimaziel 2021 nicht erreicht, sondern hat rund ein Drittel mehr CO2 ausgestoßen als vorgesehen. (Foto: CC BY-SA 3.0 Wikimedia/VT98Fan)

Luxemburg hat 2021 seine Klimaziele erreicht. Das ist die Botschaft, die das Umweltministerium am 15. März verbreitete als sie, einige Tage bevor der Weltklimarat IPCC seinen Synthesebericht veröffentlichte und darlegte, wie dramatisch ernst die Lage ist (siehe Seite 3), die endgültigen Zahlen zu Luxemburgs Klimabilanz des Jahres 2021 veröffentlichte: Die von Luxemburg ausgestoßenen Treibhaus-
gasemissionen entsprachen 8.073.234 Tonnen CO2-Equivalenten und lagen damit sogar 1,3 Prozent unter dem „Soll-Ziel“, das sich die Regierung für 2021 gegeben hatte. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2005 sinken.

Um die Emissionen detaillierter betrachten zu können, werden sie fünf verschiedenen Sektoren zugeteilt: Industrie, Bau und Energieproduktion, Transport, Wohnbau, Land- und Forstwirtschaft sowie Abfallwirtschaft. Nachdem das Klimagesetz am 8. Dezember 2020 vom Parlament gebilligt wurde, sollten die sektoriellen Ziele in einem großherzoglichen Reglement veröffentlicht werden. Es dauerte allerdings bis 22. Juli 2021, ehe dieses passierte.

In zwei Sektoren lagen die Emissionen unter dem Zielwert: Transport sowie Land- und Forstwirtschaft. Der Transportsektor ist mit beinahe 61 Prozent der gesamten Emissionen mit großem Vorsprung der größte Emittent in Luxemburg. Im Vergleich mit 2020 sind 2021 wieder 6,5 Prozent mehr Treibhausgase ausgestoßen worden. Nachdem die Lockdowns und die Folgen der Coronapandemie dafür sorgten, dass die Emissionen 2020 sanken, lagen sie 2021 nur leicht unter dem Soll. Dadurch, dass auch jenes Jahr durch viel Homeoffice und andere Beschränkungen aufgrund der Pandemie geprägt war, ist das nicht weiter verwunderlich.

In der Land- und Forstwirtschaft sind die Emissionen um rund 5,3 Prozent unter dem Zielwert geblieben. Allerdings lagen sie vier Prozent über denen von 2005. Bis 2030 soll der Sektor 20 Prozent seiner Emissionen gegenüber dem Referenzjahr einsparen. Die Diskussionen über die Reduzierung des Rinderbestands in Luxemburgs Landwirtschaft wird also auch in den kommenden Jahren ihre Brisanz nicht verlieren. Immerhin stoßen die Tiere viel Methan, ein besonders schädliches Treibhausgas, aus. 8,9 Prozent der gesamten Emissionen stammen aus dem Sektor.

Drei Sektoren haben zu viel emittiert

In den drei anderen Sektoren wurden die Ziele nicht erreicht. Die Abfallwirtschaft verzeichnet jedoch nur eine leichte Überschreitung um 1,6 Prozent. Der Sektor repräsentiert lediglich 2,4 Prozent der gesamten Emissionen Luxemburgs und hat sich gegenüber 2020 sogar leicht verbessert. Allerdings soll der Sektor seine Emissionen bis 2030 um 40 Prozent senken. Die neue Abfallgesetzgebung, die vor allem Supermärkte stärker in die Verantwortung nimmt und dafür sorgen soll, dass weniger Plastik und Lebensmittel im Restmüll landen, könnte hierbei helfen.

Auch der Sektor Wohnen hat seine Ziele verfehlt, die Emissionen waren hier 10 Prozent zu hoch. Die entsprechen rund einem Fünftel des gesamten Treibhausgasausstoßes. Hier könnte es bei der nächsten Bilanz zu einer Senkung kommen. Immerhin haben 2022 viele Menschen ihre Heizung niedriger gedreht, um Energiekosten zu sparen und den Import von russischem Gas zumindest symbolisch zu senken. Wie sich diese Einsparungen im in der CO2-Bilanz niederschlagen, werden wir aber erst in einem Jahr erfahren. 64 Prozent Einsparungen gegenüber 2005 hat sich die Regierung beim Wohnen vorgenommen, mehr als in jedem anderen Sektor. Das liegt wohl auch daran, dass es sich hierbei um sogenannte „Low hanging fruits“ handelt: Es ist relativ leicht, durch energetische Sanierungen, bessere Dämmungen und letzten Endes auch Installation von Wärmepumpen oder Fernwärmenetzen die Emissionen zu senken. Der Mangel an Baumaterialien und Handwerker*innen sind Hürden – abgesehen davon, dass der Staat neben Subventionen wenig Möglichkeiten hat, Hausbesitzer*innen dazu zu bewegen, ihr Eigentum zu sanieren.

Der Sektor Industrie, Bau und Energieproduktion hat sein Emissionsziel ebenfalls verfehlt und beinahe ein Drittel mehr ausgestoßen, als geplant war. Mit einem Plus von 30,8 Prozent lagen die Emissionen weit höher, als sie es sein sollten. Der Sektor ist für 7,4 Prozent des gesamten Luxemburger Treibhausgasbudgets verantwortlich. Die Regierung hat dem Sektor eins der am wenigsten ambitionierten Ziele auferlegt: Lediglich 45 Prozent sollen bis 2030 gegenüber dem Referenzjahr 2005 eingespart werden. Die Luxemburger Industriepolitik wird sich in Zukunft also nicht nur an der Luftqualität oder der Verfügbarkeit von Wasser ausrichten müssen, sondern auch an der CO2-Neutralität der Unternehmen, die sich hierzulande niederlassen wollen.

Nichts läuft nach Plan

Insgesamt sind die Emissionsziele 2021 erreicht worden – läuft also alles nach Plan? Mitnichten: Gegenüber dem Vorjahr 2020 sind die Emissionen im zweiten Pandemiejahr um 5,5 Prozent gestiegen. 2022 wird dies wohl auch der Fall gewesen sein, denn die vielen Beschränkungen, die vor allem Anfang 2021 noch bestanden, wurden nach und nach aufgehoben. Die Umweltorganisation Mouvement écologique zeigte sich am 16. März in einer Stellungnahme besorgt und titelte: „Schluss mit der Schönfärberei“. Es sei davon auszugehen, dass ohne die Pandemieeffekte die Gesamtreduktion der Emissionen nicht erreicht worden wäre.

Die Tatsache, dass die Emissionen in der Mehrheit der Sektoren gestiegen sind, findet die Umwelt-NGO „völlig unzufriedenstellend“. Luxemburg könne sich nicht weiter „den Luxus leisten“, dass die Emissionen in den Sektoren weiter steigen. Beim Meco hätte man sich gewünscht, dass anstelle einer lapidaren Pressemitteilung der Premierminister Stellung bezogen hätte. „Eigentlich wäre eine Pressekonferenz mit dem Staatsminister angebracht gewesen, mit der klaren Botschaft: ‚In Luxemburg laufen die Emissionen in kruzialen Sektoren aus dem Ruder! Wir müssen fundamentale Kurskorrekturen vornehmen‘. Und dazu würden unter anderem neben einer konsequenten nachhaltigen Steuerreform, dem direkten Stopp von umweltschädlichen Subventionen auch eine Infragestellung des Wachstumszwangs zählen“, so der Mouvement in seiner Pressemitteilung.

Mit dem Klimagesetz von 2020 wurden auch zwei Gremien ins Leben gerufen: Einerseits das Observatorium für Klimapolitik (Observatoire de la politique climatique − OPC) und andererseits die Klima-Aktionsplattform, die sich erst im September 2022 das erste Mal traf. Der Meco fordert, dass die Aktionsplattform „mit den Resultaten, den Ursachen und den möglichen Lösungswegen befasst wird“. Das OPC hatte in seinem ersten Jahresbericht übrigens eine alternative Methode zur Berechnung der CO2-Emissionen präsentiert. Darin wurden sowohl Importe als auch Exporte berücksichtigt: Statt den offiziellen neun Millionen Tonnen stieß Luxemburg laut dieser Berechnungsmethode im Jahr 2019 ganze 17,71 Millionen Tonnen CO2-Equivalente aus.


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