Medienfreiheit in der EU: Kontrollieren, instrumentalisieren

Den rechtspopulistischen Parteien in Europa reicht es nicht, wenn die Medien ständig ihre Themen aufgreifen – sie wollen hörige Medien. Eine kleine Länderschau.

Humorvolle Kritik an rechter Presseschelte auf einer Demonstration in Köln: Andernorts ist den Verteidigern der Medienfreiheit das Lachen längst vergangen. (Foto: Wikimedia)

Die Rechten darf man nicht beim Wort nehmen. Wenn sie unter sich sind und es sich bei Wodka und Koks gutgehen lassen, kann man vielleicht glauben, was sie sagen. In allen anderen Fällen muss man ihre Worte auf die Goldwaage legen – ist es eine bloße Lüge? Ein augenzwinkernder Verweis auf irgendeine faschistische Ungeheuerlichkeit? Oder doch mal die brutale Wahrheit, euphemistisch verpackt?

Zum Beispiel behaupten populistische Rechte gerne, es gehe ihnen um freie Debatte und um Meinungsfreiheit. Dass das eine Lüge ist, lässt sich leicht zeigen. Man muss sich nur anschauen, was Rechtspopulisten tun, sobald sie ein wenig Macht erringen. Das Ergebnis ist eine einfache, aber akkurate Faustregel: Je mehr Macht sie haben, desto weniger Pressefreiheit gibt es, desto mehr verkommen jene Medien, deren Kontrolle sich die Machthaber sichern können, zum bloßen Propagandamittel.

Am unteren Ende der Skala liegt die „Alternative für Deutschland“ (AfD), die in dieser Hinsicht noch vergleichsweise schwach ist und keine mächtigen Medien auf ihrer Seite hat. Ihre Vertreter werden zwar regelmäßig in Talkshows eingeladen und auch prominent im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ platziert, doch das reicht der AfD noch lange nicht. Ihr fehlt die Kontrolle über das, was gesagt oder geschrieben wird.

Deshalb wollte die AfD-Bundestagsfraktion einen eigenen „Newsroom“ und ein „AfD-TV“ aufbauen. So sollten „unsere Anliegen ohne Verzerrung und Manipulation der Altmedien und Altparteien“ verbreitet werden, wie es auf der Website von AfD-TV heißt. Dort ist aber bis auf einige Youtube-Videos wenig zu sehen. Aus dem Vorhaben wurde nämlich bislang nichts, vor allem weil es illegal ist, die aus öffentlichen Geldern stammenden Mittel der Fraktion für solche Zwecke zu verwenden.

Anfang Mai organisierte dieselbe Fraktion die „1. Konferenz der freien Medien“ in den Räumlichkeiten des deutschen Bundestags. Dort trafen sich rechte Youtuber, Verleger und Blogger; die Vordenker der Neuen Rechten tauschten sich mit Verschwörungstheoretikern und Impfgegnern aus, wie der Meinungskampf zu führen sei.

Man erkennt darin den ersten Schritt einer Strategie, wie sie die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ) seit langem verfolgt. Sie hat sich über viele Jahre hinweg parteinahe Medien aufgebaut, Printmedien im Boulevardstil und professionell betriebene Websites, die wie am Fließband kleine Hass- und Wutgeschichten produzieren, die in Facebook-Gruppen hunderttausendfach herumgereicht werden können: die Wochenzeitung „Zur Zeit“, die 2018 eingestellte Monatszeitung „Aula“ sowie die Magazine „Info direkt“, „Alles Roger?“, „Wochenblick“ und „Wir Grazer“ (ehemals Der Uhrturm).

Am wichtigsten ist vielleicht die Seite „unzensuriert.at“, die es inzwischen auch für Deutschland gibt. Schon 2016 urteilte der österreichische Verfassungsschutz, dass die Seite „verschwörungstheoretische Ansätze“ und „zum Teil äußerst fremdenfeindliche und antisemitische Tendenzen“ aufweise. Offiziell unabhängig, passt de facto kein Blatt Papier zwischen „unzensuriert.at“ und die FPÖ. Der ehemalige Redakteur Alexander Höferl machte zum Beispiel nebenbei PR-Beratung für die Partei und wechselte nach der Nationalratswahl 2017 direkt ins FPÖ-geführte Innenministerium.

Hat man erst einmal eigene Medien geschaffen, gilt es im nächsten Schritt, die Konkurrenz auszuschalten. Wie man seit der Ibiza-Affäre weiß, würde die FPÖ gerne die „Kronen Zeitung“ kontrollieren. Vor allem aber ist ihr der öffentliche Rundfunk ein Dorn im Auge. Nach dem Regierungsantritt postete der damalige FPÖ-Vorsitzende und Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf Facebook ein Bild, das den ORF-Moderator Armin Wolf zeigte, versehen mit den Worten: „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF.“

Viele ungarische Medien sind willige Vollstrecker der staatlichen Hetzkampagnen gegen Migranten, Roma und George Soros.

Die FPÖ fordert, die Rundfunkgebühren abzuschaffen, damit der Staat den ORF unmittelbar finanziert und damit direkter kontrolliert als bisher. Kurz vor der Europawahl begann die FPÖ erneut eine Kampagne gegen den ORF. Armin Wolf hatte dem EU-Spitzenkandidaten der FPÖ, Harald Vilimsky, kritische Fragen zu rassistischen Vorfällen in der Partei gestellt. Deshalb gab sich die FPÖ als Opfer einer politisch motivierten Attacke. Strache nannte das Interview „widerlich“, verschiedene FPÖ-Politiker forderten Wolfs Rücktritt.

Was die FPÖ wahrscheinlich tun würde, wenn es in ihrer Macht stünde, kann man am Beispiel Polen beobachten. 2015 gewann dort die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) die absolute Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Seitdem wird der Staat autoritär umgebaut. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde mit regierungsfreundlichem Personal besetzt und „auf eine unhinterfragt nationalistische Linie“ gebracht, wie die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ schreibt.

In deren jährlich publiziertem Index der Medienfreiheit ist Polen seit 2016 von Platz 18 auf 59 gefallen. Unliebsame Journalisten werden von der Regierung beschimpft und mit Klagen überzogen. Die unabhängige „Gesellschaft polnischer Journalisten“ schrieb voriges Jahr in einem offenen „Brief an die Welt“, dass diese Einschüchterungsversuche immer deutlicher einer Zensur ähnelten. „Die Journalisten, die die Affären und Missstände enthüllen, werden vom Staatsapparat wie potentielle Verbrecher behandelt“, hieß es dort.

Anfang des Jahres veröffentlichte die führende Zeitung Polens, „Gazeta Wyborcza“, geheime Aufnahmen, die die korrupten Machenschaften des Parteivorsitzenden Jarosław Kaczynski und anderer PiS-Größen mit einem österreichischen Immobilieninvestor dokumentierten. Kaczynski zeigte die Journalisten wegen Verleumdung an, es droht ihnen bis zu ein Jahr Haft.

Auch den Fernsehsender TVN attackierte die polnische Regierung, nachdem dort über polnische Nazis berichtet worden war, die in SS-Uniform Hitlers Geburtstag gefeiert hatten. Die Regierung warf dem Sender vor, Polens Ruf schädigen zu wollen – bis die US-amerikanische Botschaft protestierte. Der Sender gehört einem US-amerikanischen Konzern.

Generell gehören viele polnische Medien ausländischen Unternehmen. Besonders die deutschen Medienkonzerne sind der Regierung ein Dorn im Auge. Ihnen gehört ein bedeutender Teil der polnischen Presse – Verlage wie Bauer, Burda und Ringier haben enorm investiert, der „Passauer Neuen Presse“ gehören fast zwei Dutzend Regionalzeitungen und die Springer-Verlagsgruppe bringt unter anderem die größte polnische Tageszeitung heraus, den Bild-Klon „Fakt“. Die polnische Regierung plante daher die „Repolonisierung“ der Medien, was aber bislang an den EU-Wettbewerbsregeln scheiterte. Diese verbieten die Ungleichbehandlung ausländischer Unternehmen. Ein neues sogenanntes Antimonopolgesetz soll dieses Hindernis bald umgehen.

Es mag nicht unsympathisch klingen, wenn Polens Regierung die nationale Medienlandschaft vor deutschen Medienkonzernen schützen möchte, aber in der Praxis dürfte das auf eine noch strengere Bevormundung und Kontrolle durch die Regierung hinauslaufen, vor allem wenn PiS bei den Wahlen im Oktober abermals die absolute Mehrheit erringen sollte. Kaczynski nannte die Wahlen eine „Entscheidungsschlacht“.

Polen könnte den denselben Weg einschlagen, den Viktor Orbán in Ungarn schon gegangen ist. Dort zeigt sich, wie die Medien sich entwickeln, wenn eine rechtspopulistische Partei etliche Jahre Zeit hat, den Staat und die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen zu formen. Seit Orbán 2010 an die Macht kam, hat er systematisch erst die öffentlich-rechtlichen und dann die privaten Medien auf Linie gebracht.

78 Prozent der ungarischen Medien befinden sich unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung – das geht aus einer Anfang Mai erschienenen Studie der ungarischen Medienexpertin Agnes Urban hervor, die der Europaabgeordnete Sven Giegold (Grüne) in Auftrag gab. Viele ungarische Medien sind willige Vollstrecker der staatlichen Hetzkampagnen gegen Migranten, Roma und George Soros. Bedeutende kritische Zeitungen wurden eingestellt, die wenigen unabhängigen Journalisten, die noch ihre Arbeit machen, werden von einer regierungsnahen Zeitung auf einer „schwarzen Liste“ angeprangert. Ungarn steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 87, direkt hinter 
Sierra Leone.

Einen Sonderfall außerhalb Europas stellt gegenwärtig der Rechtspopulismus in den USA dar: US-Präsident Donald Trump hat es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht, kritische Medien am laufenden Band zu beschimpfen und zu bedrohen. Doch im Gegensatz zu Orbán hat Trump wenig Einfluss auf die unabhängigen und öffentlich-rechtlichen Medien, die ihn auch weiterhin ständig aufs Korn nehmen.

Die US-Rechte setzt im Kampf um die Meinungshoheit weniger auf staatliche Drangsalierung und Kontrolle als auf eigene Medienmacht. Der Fernsehsender Fox News ist inzwischen so etwas wie der republikanische Parteisender. Er macht seit vielen Jahren mit rechten Herzensthemen Stimmung und bereitete damit Trump den Weg. Von einem solchen Einfluss können die Betreiberinnen und Betreiber von AfD-TV bislang nur träumen.

Johannes Simon arbeitet als Journalist und lebt in Berlin.

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