Österreich: An der schönen braunen Donau

Das Resultat der österreichischen Wahlen ist bitter: Die Grünen fliegen aus dem Nationalrat, eine schwarz-blaue Regierung ist wahrscheinlicher denn je.

Sebastian Kurz, der neue Showmaster der österreichischen Politik, bedankt sich bei seinen WählerInnen. (Foto: EPA / Christian Bruna)

Das Wahlergebnis der Nationalratswahlen in Österreich am vergangenen Sonntag zeigt wie erwartet den gewaltigen Rechtsruck, der sich in der Alpenrepublik vollzogen hat. Die konservative ÖVP – angetreten als „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ – gewann ein knappes Drittel der Stimmen. SPÖ und FPÖ teilen sich den zweiten Platz: Sowohl die SozialdemokratInnen als auch die Freiheitlichen holten je ein Viertel der Stimmen, wobei die SPÖ mit 52 Mandaten einen Sitz mehr als die FPÖ erringen konnte. Die liberalen NEOS legten ein wenig zu, der Grünen-Abweichler Peter Pilz wird mit seiner gleichnamigen Liste mit acht Abgeordneten im Nationalrat vertreten sein. Die KPÖ-Plus konnte trotz Unterstützung durch die Jungen Grünen nicht einmal einen Achtungserfolg feiern, und die Grünen verpassten sehr knapp die Sperrklausel von vier Prozent.

Noch am Sonntagabend hofften die Partei und ihre SympathisantInnen auf eine Verschiebung nach dem Auszählen der Briefwahlkarten. Am Montagabend, nach der Auszählung der Briefwahl, stand jedoch fest, dass die Grünen den neuerlichen Einzug in den Nationalrat verpasst haben (Das endgültige Wahlresultat ist erst nach Redaktionsschluss zu erwarten, wenn auch die persönlich abgegeben Briefwahlkarten ausgezählt worden sind). Das Debakel der Grünen ist einerseits auf die internen Streitereien – immerhin haben sich sowohl die Jugendorganisation als auch das Gründungsmitglied Peter Pilz abgespalten – zurückzuführen, andererseits aber auch auf das „taktische“ Verhalten zahlreicher WählerInnen. Die WählerInnenwanderungs-Analyse, die das Sora-Institut im Auftrag des ORF durchgeführt hat, zeigt, dass besonders viele ehemalige Grün-WählerInnen diesmal der SPÖ ihre Stimme gegeben haben. In ihren ehemaligen Hochburgen, den inneren Wiener Gemeindebezirken, verloren die Grünen teilweise über 20 Prozentpunkte.

Schwarz-Blaue Schnittmengen

Besonders AkademikerInnen, eigentlich die Kernklientel der Grünen, sind zur SPÖ abgewandert. Auch an Peter Pilz hat man verloren, jedoch weniger als an die ÖVP – der Abweichler dürfte für viele Grünen dennoch ein Feindbild sein. Auf die Partei kommen nun auch finanzielle Schwierigkeiten zu, denn in den letzten Wahlkämpfen haben sich Schulden angehäuft. Da knapp 100 ParlamentsmitarbeiterInnen ihren Job verlieren, steht wohl auch das von den Grünen betriebene Rechercheprojekt „Stoppt die Rechten“ vor dem Aus. Die Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek tritt von allen Ämtern zurück (sie war zuletzt EU-Abgeordnete), die Bundessprecherin Ingrid Felipe verlässt diese Position und konzentriert sich künftig auf Landespolitik in Tirol.

Das offizielle Wahlergebnis steht noch aus, doch zeichnet sich bereits ab, dass eine schwarz-blaue Koalition am wahrscheinlichsten ist. Die SPÖ ist intern über die Frage einer Koalition mit der FPÖ zerstritten – der Wiener Bürgermeister Michael Häupl warnte in diesem Zusammenhang sogar vor einer Parteispaltung –, und HC Strache sieht „wenig Gründe“ für eine Zusammenarbeit mit der SPÖ. Eine Fortsetzung der großen Koalition scheint wenig realistisch, auch wenn die ÖVP Gespräche mit den SozialdemokratInnen angekündigt hat. Derweil gab FPÖ-Chef Strache bekannt, dass seine Partei auf dem Innenministerium besteht. Auch die Ressorts Justiz, Soziales und Äußeres sind für die FPÖ im Gespräch. Neben HC Strache als Vizekanzler wird auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer als Minister gehandelt. Von den drei Sitzen am Verfassungsgerichtshof, die Ende des Jahres frei werden, wird die deutschnationale Partei zwei für sich beanspruchen. Wahlsieger Sebastian Kurz hält sich über seine Präferenzen bisher bedeckt – am Wahlabend betonte er jedoch immer wieder, die WählerInnen hätten sich für „Veränderung“ entschieden. Die ÖVP ist unter Kurz weit nach rechts gerückt, die Schnittmengen zwischen Konservativen und Freiheitlichen sind groß. Für eine Zweidrittelmehrheit reichen die Mandate beider Parteien übrigens nicht.

Pro-europäische Regierung mit FPÖ?

Sollte es zu Schwarz-Blau kommen, gibt es eine Unbekannte in der Gleichung: Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Der Ex-Grünenchef hatte im Präsidentsschaftswahlkampf angekündigt, Strache nicht als Kanzler zu vereidigen. Mittlerweile ist er ein wenig zurückgerudert: Eine Regierung und ihr Programm müssten auf jeden Fall „pro-europäisch“ sein. Van der Bellen könnte auch einzelnen MinisterInnen, die ihm zu extrem scheinen, die Vereidigung verweigern. Theoretisch könnte der Bundespräsident auch Neuwahlen herbeiführen – eine wenig realistische Option, die wohl vor allem den Rechten nützen würde. Was sein Engagement gegen Rechts angeht, ist Van der Bellen bisher sowieso hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Als im Januar der von der FPÖ organisierte „Akademikerball“, der Burschenschaftlern und extremen Rechten zur Vernetzung dient, in der Hofburg (seinem Amtssitz) stattfand, meinte er „Was geht es mich an? Lasst sie doch“ – das Kongresszentrum gehöre schließlich nicht zu seinem Teil der Hofburg.

Auf europäischer Ebene sind die Reaktionen eher verhalten. Der luxemburgische Außenminister meinte gegenüber der DPA, die FPÖ sei im Wahlkampf „zahm“ gewesen – und wer zahm sei, könnte auch in einer Regierung vernünftig sein. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gratulierte Sebastian Kurz in einem Telefongespräch zu seinem Wahlsieg und legte ihm nahe, eine pro-europäische Regierung zu bilden. Ob er ihn explizit vor einer Koalition mit der FPÖ gewarnt hat, verrieten seine SprecherInnen nicht. EU-Sanktionen scheinen unwahrscheinlich, auch weil Österreich in der zweiten Jahreshälfte des nächsten Jahres den Ratsvorsitz übernimmt. Sollten sich Kurz und Strache einig werden, ist eine Annäherung an den von Ungarn und Polen dominierten Visegrád-Block wahrscheinlich.


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