Im Kino: Once upon a Time … in Hollywood

„Once upon a Time … in Hollywood“ enthält weniger Gewalt und mehr Empathie als andere Filme Quentin Tarantinos. Dennoch ist dessen Handschrift klar zu erkennen – leider auch, wenn es um die Darstellung der weiblichen Figuren geht.

Trotz der wenigen Dialogzeilen erbringt Margot Robbie als Sharon Tate eine beachtliche Leistung. (© Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH / outnow.ch)

Wie die meisten von Quentin Tarantinos Filmen ist „Once Upon a Time … in Hollywood“ eine nostalgische Hommage an vergangene Zeiten und Filme. Dreh- und Angelpunkt ist in diesem Fall die nordamerikanische Filmbranche im Jahr 1969. Es war eine Zeit, in der die Entmachtung der großen Hollywoodstudios in vollem Gange war und immer mehr etablierte Filmstars der New-Hollywood-Generation zähneknirschend das Feld überlassen mussten. 1969 war aber auch ebenjenes Jahr, als die im neunten Monat schwangere Schauspielerin Sharon Tate brutal von der Manson Family ermordet wurde. All das greift Tarantino in „Once upon a Time … in Hollywood“ mit seiner unverkennbaren Handschrift auf und präsentiert, wie der Titel nahelegt, seine ganz persönliche Märchenversion davon. Dank einer Reihe absurd-skurriler Interaktionen, popkultureller Referenzen, beeindruckender Ausstattung und Kamerafahrten sowie dem Spiel mit Publikumserwartungen vergehen die 160 Minuten Laufzeit wie im Flug.

Zentrale Figur ist nicht Sharon Tate (Margot Robbie) selbst, sondern ihr Nachbar, der scheidende Westernstar Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) sowie dessen Stuntdouble, Chauffeur und bester Freund Cliff Booth (Brad Pitt). Rick klammert sich an die wenigen Rollen, die ihm noch angeboten werden und verfällt zunehmend dem Alkohol; Cliff, dem vorgeworfen wird, seine Frau ermordet zu haben, lebt mit seinem Hund in einem Wohnwagen und verbringt seinen Tag damit, Besorgungen für Rick zu machen. Wie in vielen von Tarantinos Filmen, geht es in „Once upon a Time … in Hollywood“ weniger um den übergreifenden Handlungsstrang als vielmehr um einzelne Momente und ihre Inszenierung.

Als Tarantino auf einer Pressekonferenz nach der Filmpremiere in Cannes gefragt wurde, weshalb die Figur Sharon Tate im Vergleich zu den männlichen Protagonisten nur wenige Dialogzeilen hat, antwortete der Regisseur bloß „Well, I reject your hypothesis“. Fairerweise muss eingeräumt werden, dass abgesehen von Pitt und DiCaprio kein*e Schauspieler*in besonders viel Text hat. Tarantinos Reaktion war dennoch vielsagend.

(Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH / outnow.ch)

Tarantino hat in vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass er durchaus in der Lage ist, komplexe weibliche Figuren zu schaffen, die weit mehr zu bieten haben, als normschön zu sein. Er hat aber auch gezeigt, dass er keineswegs davor zurückschreckt, weibliche Körper zu objektivieren und Gewalt gegen Frauen als Punchline zu benutzen, wenn es in seinen Augen den Unterhaltungswert einer Szene steigert. Das alles hängt damit zusammen, dass für Tarantino Film und Wirklichkeit voneinander unabhängige Einheiten darstellen. So kommt es, dass er beispielsweise Gewalt kategorisch ablehnt, gleichzeitig aber für äußerst brutale Gewaltszenen bekannt ist.

Die Herangehensweise, seine Filme als Spielwiese zu betrachten, auf denen es nichts gibt, das nicht getan werden kann, solange es Spaß macht, trägt zur Einzigartigkeit seiner Werke bei. Es gibt keine Konvention, die er nicht brechen würde, wenn er das Gefühl hat, seinen Streifen dadurch besser zu machen. Zugleich hat sich der Filmemacher auf diese Weise unantastbar gemacht: Wenn es nichts gibt, das nicht getan werden kann, dann kann man nicht nur keine Fehler machen, man braucht – wie Tarantino in Cannes unter Beweis stellte – künstlerische Entscheidungen auch nicht zu rechtfertigen.

„Once upon a Time … in Hollywood“ ist allerdings der beste Beweis dafür, dass Filme und Wirklichkeit sich durchaus gegenseitig beeinflussen. Dafür liegt dieser Film, der weißen, heterosexuellen Männern einen zentralen Stellenwert einräumt, doch einen Tick zu nah an der Realität.

In der Cinémathèque.

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