Umweltpolitik auf dem Prüfstand: Öko-Musterschüler Luxemburg?

In einem Bericht über die Umweltpolitik stellt die OECD Luxemburg grundsätzlich gute Noten aus. Probleme gibt es vor allem im Natur- und Artenschutz: Das kleine Land ist viel zu fragmentiert.

Naturschutzgebiete wie der Ellergronn in Esch sind wichtig, aber wenn sie nicht durch ökologische Korridore verbunden werden, können bedrohte Arten sich nicht wieder verbreiten. Eine Tatsache, die auch die OECD an Luxemburgs Umweltpolitik bemängelt. (Foto: CC-BY-SA 3.0 Zinneke/Wikimedia)

„Luxemburg hat viele Fortschritte gemacht. Nicht nur im Management natürlicher Ressourcen, sondern auch beim Engagement in internationalen Organisationen und europäischer Kooperation.“ Rodolfo Lacy, Chef der OECD-Umweltdirektion, war voll des Lobes auf die luxemburgische Umweltpolitik. Alle zehn Jahre erstellt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einen Bericht über die Umweltpolitik in jedem ihrer Mitgliedsstaaten. Somit stellt das Dokument, das am vergangenen Freitag vorgestellt wurde, auch ein Zeugnis für die Politik der Grünen in der Regierung dar – immerhin haben sie die Entwicklungen der letzten Dekade zum Großteil mitbestimmt.

Der Bericht ist überwiegend positiv und betont die Fortschritte, die während der letzten Dekade erzielt werden konnten. Das ewige Problem der ungenügenden Abwasserreinigung konnte in den letzten Jahren gelöst werden, der öffentliche Transport ist kostenlos, die Treibhausgasemissionen sind gesunken – wenn auch noch längst nicht auf ein vertretbares Niveau – und Projekte wie die Take-away-Tupperdose „Ecobox“ wurden gestartet. Für die OECD ist Luxemburg in vielen Bereichen Öko-Musterschüler.

„Die Luftqualität ist ein großes Thema in Luxemburg, auch wegen der Gesundheitsauswirkungen. Rund 150 Menschen sterben jedes Jahr wegen mangelnder Luftqualität in Luxemburg vorzeitig“, betonte Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) im Rahmen der Pressekonferenz am Freitag. Laut der OECD, stets auf Wirtschaftlichkeit bedacht, kosten diese Tote Luxemburg rund 2 Prozent seines Bruttoinlandproduktes.

Grundsätzlich hat sich die Luftqualität in Luxemburg jedoch verbessert, sowohl die Konzentrationen von Feinstaub als auch von Stickoxiden haben sich verringert. Allerdings liegen die Feinstaubwerte immer noch über der Grenze, die die Weltgesundheitsorganisation vorgibt, die Stickoxide teilweise sogar über den lascheren europäischen Grenzwerten. Die Feinstaubbelastung stammt laut der OECD zu einem immer größeren Teil aus Holzheizungen – die Organisation schlägt vor, dies einzudämmen.

OECD-Ökosteuer

Die Maßnahmen, die Luxemburg in der Mobilitätsstrategie Modu 2.0 vorschlägt, werden in dem Bericht grundsätzlich begrüßt. Aktuell wäre Luxemburg jedoch noch viel zu sehr vom Straßenverkehr abhängig. Dementsprechend werden auch die großen Investitionen in Infrastrukturen wie das Eisenbahnnetz und die neue Tram ausdrücklich gelobt. Skeptisch ist die OECD aber bei der Frage, ob es alleine mit Sensibilisierungskampagnen gelingen wird, die Bevölkerung zur Verkehrswende zu bewegen. Im Bereich der Steuern gilt es noch nachzubessern, um die Luftqualität zu verbessern und gegen die Klimakrise anzukämpfen.

Die OECD empfiehlt ganz klar, die Treibstoffabgaben progressiv anzuheben, bis einerseits kein Unterschied zwischen Diesel und Benzin mehr vorhanden ist und andererseits die Kluft zum Preisniveau der Nachbarländer überwunden ist. Von einer Journalistin auf die künftigen Pläne diesbezüglich angesprochen, gab die Umweltministerin zu bedenken, dass eine CO2-Bepreisung nicht das einzige Instrument für den Klimaschutz sei, diese Steuer jedoch sicher in Zukunft steigen werde: „Es ist wichtig, dieses Preissignal zu setzen.“

Eine Altlast, die für ein reiches Land wie Luxemburg nicht nur peinlich war, sondern auch EU-Strafzahlungen nach sich zog, war die schlechte Abwasserbehandlung. Das hat sich geändert: 77 Prozent der Bevölkerung sind an moderne Kläranlagen angeschlossen, bis 2023 sollen die größten Kläranlagen eine vierte Stufe erhalten, mit der es möglich ist, Mikroplastik und andere Verunreinigungen aus dem Wasser zu filtern. Der Pro-Kopf-Verbrauch sei zwar niedriger als im OECD-Durchschnitt, Luxemburg müsse seine Wasserressourcen angesichts des zu erwartenden Bevölkerungswachstums dennoch gut managen, heißt es im Bericht.

Zerschnittenes Luxemburg

Die OECD weist aber auch auf einige Schwachstellen der luxemburgischen Umweltpolitik hin. Dabei handelt es sich vor allem um altbekannte Probleme, deren Lösungen große sys-
temische Änderungen erfordern würden. Gerade beim Natur- und Artenschutz schneidet Luxemburg nämlich schlecht ab. „Lediglich 32 Prozent der natürlichen Habitate sind in einem erstrebenswerten Zustand und nur bei 15 Prozent der geschützten Spezies ist der Status gut“, erklärte Lacy bei der Präsentation des Berichtes. Ein Viertel der Arten in Luxemburg sind sogar vom Aussterben bedroht. Diese Erhebungen macht die OECD nicht selbst, sondern beruft sich auf Daten, die von ihren Mitgliedsstaaten gesammelt wurden.

Die versemmelte Landesplanung der letzten Jahrzehnte ist wie so oft auch hier eine der Wurzeln des Übels. Luxemburg ist das am meisten zersiedelte Land Europas. 93 Prozent der Landesfläche gilt als stark fragmentiert. Das heißt, dass es kaum große zusammenhängende Biotope gibt, was vor allem für größere Landtierarten ein Problem darstellt, da diese größere Lebensräume benötigen. In Natura 2000-Schutzgebieten ist die Fragmentierung nicht so groß. Das heißt jedoch nicht, dass mit Schutzgebieten das Problem gelöst ist: Dadurch, dass so gut wie jedes Habitat durch eine Straße oder eine Siedlung zerschnitten wird, fällt es Fauna wie Flora schwer, sich fortzupflanzen und zu verbreiten.

„Wir müssen ökologische Korridore bereitstellen, die auch von hoher Qualität sind. So können wir Lebensräume miteinander verknüpfen und die unerwünschten Effekte der Fragmentierung etwas beheben“, antwortete Lacy auf die Frage der woxx, ob und wie sich diese Fragmentierung aufheben ließe. Um den „urban sprawl“, also die fortschreitende Suburbanisierung, zu stoppen, müsse man in den Siedlungen die Dichte erhöhen. „Das ist der beste Weg, um Ressourcen wie Wasser, Strom und Land effizient zu nutzen – auch die Abfallwirtschaft wird dann einfacher“, so der Umweltchef der OECD weiter.

Foto: CC-BY-SA 4.0 Cayambe/Wikimedia

Auf dem richtigen Weg

Carole Dieschbourg betonte, dass man sich des Problems bewusst sei und in der luxemburgischen Landesplanung durch den Plan directeur sectoriel paysages der Schutz größerer Landschaften vorgesehen sei. Man arbeite auch an ökologischen Korridoren und an Managementplänen für die Verknüpfung von Gewässern. Für manche Fischarten ist es wichtig, nicht an Hindernissen wie Staumauern und Wehren zu scheitern, sondern weit flussaufwärts schwimmen zu können, um sich dort fortpflanzen zu können.

Natürliche Lebensräume sind jedoch nicht nur von der Zersiedlung bedroht, sondern auch von anderen Faktoren, etwa der „stetig intensiveren“ Landwirtschaft. Die Regierung will bekannterweise den Anteil der biologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Fläche auf 20 Prozent steigern. „Das aktuelle Niveau der Entwicklung reicht jedoch nicht aus, dieses Ziel zu erreichen. Eine Roadmap mit konkreten und gezielten Maßnahmen ist vonnöten“, schreibt die OECD, die ja eher keine träumerische Hippie-Organisation ist, in ihrem Bericht.

„Luxemburg ist auf dem richtigen Weg für nachhaltige Entwicklung“, meinte Lacy zum Abschluss der Pressekonferenz. Wenn die Regierung sich demnächst doch gegen stärkere Umweltauflagen, Ökosteuern oder eine nachhaltigere Landesplanung entscheidet, um Partikularinteressen zu befriedigen und keine Wähler*innenstimmen zu verlieren, muss sie sich bewusst sein, dass sie damit sogar nach Meinung der OECD den richtigen Weg verlässt.


Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.